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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

No. 25. 1865.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Die Moderatoren.
Erzählung aus Texas.
Von Fr. Gerstäcker.
(Fortsetzung.)


3. Der Schilfbruch.

Jenkins hatte geglaubt den Weg viel rascher zurücklegen zu können, aber sein Pferd war doch über Tag müde geworden und er selber fühlte sich abgespannt und erschöpft. Er ließ seinem Thier den Zügel, ja er stieg sogar aus dem Sattel und ging eine lange Strecke zu Fuß, um sich nur selber munter zu halten; zuletzt fielen ihm indeß die Augen selbst beim Gehen zu, und da er doch jetzt nicht hoffen durfte, sein Haus viel früher als mit der Morgendämmerung zu erreichen, so beschloß er endlich, etwa halben Wegs, eine Weile auszuruhen und dann erst seinen Marsch fortzusetzen. Ein paar Stunden schlief er so unter einem Baum, während sein Pony mit zusammengebundenen Vorderbeinen um ihn her das Gras abweidete, stieg dann wieder auf und erreichte seine Hütte etwa eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang.

Sonderbar, wie ihm dabei zu Muthe war! Hatte es ihn die letzte Strecke denn nicht unaufhaltsam vorwärts getrieben, als ob ihm oder den Seinen eine unbestimmte Gefahr drohe, welcher er keine Form geben konnte oder wollte? Waren es die Erzählungen der Freunde, die Schilderungen der Gewaltthaten, die er am vorigen Abend gehört, und ließ es sich denken, daß es die Buben wagen würden – er setzte seinem Pony schärfer die Hacken ein, und ein aus tiefer Brust ausgestoßener Seufzer machte seinem Herzen endlich Luft, als er in Sicht seiner Hütte kam und den blauen Rauch bemerkte, der friedlich und ungestört aus dem Schornstein emporqualmte.

Die Hunde, die vor der Hütte lagen, hatten sein Kommen aber schon bemerkt und schlugen an, und mit einem Jubelruf begrüßte ihn die Frau, als sie seiner ansichtig wurde. Er war ja rascher zurückgekehrt, als sie geglaubt, und sie hatte sich in der Zeit seiner Abwesenheit, weshalb, wußte sie eigentlich selber nicht, doch nicht recht ruhig und behaglich fühlen können. Auch die Fragen, die Beide jetzt mit einander tauschten, bewiesen nur zu deutlich, was bis dahin ihre ganze Seele beschäftigt: ob Niemand Fremdes am Hause gewesen; ob sie da drüben eine Spur gefunden; wer es gewesen sein könne, und was sie wollten.

Jenkins war übrigens viel zu sehr Backwoodsman, um sich irgend einer Aufregung lang hinzugeben. Mit dem hell angebrochenen Tag und seiner eigenen Häuslichkeit umher wichen auch alle die trüben Bilder, die ihn die Nacht über vielleicht gequält. Gegen elf Uhr war er neu gestärkt und völlig gerüstet, um hier in seiner Nachbarschaft das zu beginnen, was sie sich gestern da drüben vorgenommen: überall nach Spuren jener Bande von Schuften zu suchen, die bis jetzt noch so erfolgreich im Dunkeln ihr Wesen trieb. Seine Büchse schulternd und die Hunde anrufend, schritt er wieder dem Walde zu.

„Und bist Du zum Essen wieder da, John?“ rief ihm die Frau nach.

„Zum Essen nicht, es ist ja jetzt schon bald Mittag, aber jedenfalls noch lange vor Dunkelwerden.“

Unten am Creek weidete eine alte Fuchsstute; die erkor er sich für heute zu seinem Reitthier, denn der Pony mußte heute ausruhen. Langsam ritt er in den Wald hinein und zwar derselben Stelle zu, an der er damals die Spuren seines Rappen verloren hatte.

Es hatte in den Tagen nicht geregnet, obgleich es an jenem Abend, an dem er sein Pferd vermißte, mit einem tüchtigen Gewitter gedroht. Die Wolken waren jedoch von dem sich erhebenden heftigen Winde verjagt und deshalb auch die bis dahin eingedrückten Spuren nicht im Geringsten gestört worden. In einem Laubwald aber, wo die gelben Blätter Jahr nach Jahr fallen und liegen bleiben, so daß sie den Boden an den meisten Stellen mit einer dicken Schicht bedecken, ist es außerordentlich schwer, einer schon mehrere Tage alten Spur zu folgen. Ist sie ganz frisch, so geht es viel leichter, weil die neu aufgewehten Blätter unterhalb ihre Feuchtigkeit noch bewahrt haben und dann auch eine dunklere Färbung zeigen. Liegen sie aber nur sechs oder acht Stunden in ihrer neuen Lage, so trocknet sie der Luftzug vollständig ab, und sie unterscheiden sich in Nichts mehr von den übrigen.

So geübt aber das Auge des alten Mannes auch in dieser Hinsicht war, er konnte nichts Neues entdecken. In dem Wasser selber schienen die letzten Spuren verschwunden, und wenn der Bach auch hier, an der Fuhrt, kaum einen Fuß tief sein mochte, so lag weiter aufwärts, nach Süden zu, doch eine Masse hineingestürztes Holz darin, über das sich kein Pferd hinarbeiten konnte, und gleich unterhalb befanden sich tiefe Löcher, durch welche es nie geschwommen wäre. Noch weiter abwärts aber lief das kleine Wasser, wo das niedere Land begann, in eine Art von Bayou ein, die etwa tausend Schritt mehr nördlich in die Auszweigungen des Schilfbruchs mündete und sich endlich in diesem verlor. Dort begann nachher ein Gewirr von Dornranken, Schilf und Sumpf, mit ineinander gebrochenen Bäumen, und dort hinein brauchte er

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_385.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2022)