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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

selbstgewebtem blauwollenem Jeaneszeug verfertigten Frack, gar keine Hosen und Moccasins an den bloßen Füßen. Umhängen hatte er seine Kugeltasche und auf her Schulter lag die lange einläufige Büchse, ohne die ein Backwoodsman sein Haus überhaupt nie verläßt. Dabei hingen ihm die langen glatten Haare ordnungslos unter dem Hut vor, und mit den blauen, gutmüthigen Augen sah er sich überall im Kreise lächelnd um und nickte nach allen Seiten.

„Aber Meiers, um Gottes willen, was habt Ihr denn nur mit Eueren ‚Besten‘ angefangen?“ lachte Border noch einmal, während der Angeredete einen vorsichtigen Blick nach den Häusern zurückdrehte, sein Pferd halb umwandte, um beim Absteigen keine Blöße zu geben, und dann rasch aus dem Sattel sprang, während sich die Schaar jetzt mit lautem Gelächter um ihn sammelte.

„Die Geschichte ist sehr einfach,“ sagte aber Meiers, ohne sich im geringsten außer Fassung bringen zu lassen, mit voller Ruhe, „verloren hab’ ich sie unterwegs.“

„Verloren, vom Leibe?“

„Nein,“ meinte Meiers, „das gerade nicht. Es war so verdammt warm und da zog ich sie unterwegs aus und legte sie auf den Sattel. Nun weiß der Teufel, wie es kommt, aber sie müssen mir, gerade wie ich etwa drei Meilen von hier den Sulphurcreek kreuzte, unter dem Leibe vorgerutscht und in’s Wasser gefallen sein, denn gleich nachher vermißt’ ich sie und bin noch etwa zwei Meilen, bis zu einer Stelle, wo ich genau wußte, daß ich sie noch gehabt, zurückgeritten, aber Gott bewahre. Jedenfalls hat sie der verwünschte Fluß mitgenommen; umkehren wollt’ ich aber auch nicht, und da kam ich denn so. Border, holt mir einmal ein Paar heraus, denn in dem Aufzug möcht’ ich den Ladies nicht gern meine Aufwartung machen.“

Die Damen hatten indessen schon den Verlust ihres alten Freundes bemerkt, und ein kleiner Negerjunge kam mit ein Paar neugewaschenen Beinkleidern angesprungen. Diese hatten allerdings den Nachtheil, daß sie Meiers etwa um zwei Handbreit zu kurz waren, aber das genirte ihn nicht. Seinen Hut gegen das Haus lüftend, denn er wußte recht gut, daß das muthwillige Volk dort ihn durch die offenen Spalten desselben beobachtete, nahm er das überbrachte Kleidungsstück und ohne es der Mühe werth zu halten damit auf die Seite zu gehen, zog er es gleich auf der Stelle an, auf der er stand. Noch damit beschäftigt lenkte er die Fröhlichkeit der ihn umgebenden Männer aber bald wieder zu dem ernsten Zweck zurück, der sie hier versammelt hatte.

„Und wißt Ihr, daß der Teufel auch im Süden los ist?“ sagte er, „Ashley’s Geschichte hab’ ich gehört, und grad wie ich fortritt, kam Tom Burton von der Southfork herauf und erzählte, daß eine Bande von Kerlen seines Bruders Haus, während er draußen im Walde war, niedergebrannt und drei von seinen Pferden fortgetrieben habe. Er ist jetzt nach, um ihren Spuren zu folgen, und ich will ihnen nur wünschen, daß er sie einholt.“

„Und er hat auch keinen gekannt?“ rief Jenkins rasch.

„Er war ja gar nicht daheim,“ sagte Meiers, „und hatte blos seinen Pflock außen vorgesteckt. Die Schurken steckten das Haus in Brand, das sie möglicher Weise vorher ausgeplündert, wer weiß es. Viel werden sie aber wohl nicht darin gefunden haben.“

„Nun, Gentlemen,“ sagte Border nach einer Pause tiefen Stillschweigens, in der die Männer ernst umherstanden und Meiers seine Toilette beendigte, „wie die Sachen jetzt stehen, ist kein Mensch in seinem eigenen Haus mehr sicher, und je eher wir dem Zustand ein Ende machen, desto besser.“

„Wo wohnt denn dieser Netley?“ sagte Jenkins, dem die Begegnung von heute Morgen nicht aus dem Kopf wollte. „Wenn der in den Staaten schon Lumpereien gemacht hat, wird er hier nicht anfangen ein ehrlicher Kerl zu werden, und dem möcht’ ich vor allen Dingen auf die Finger sehen. Haben wir nur erst einmal an Einem einen Halt, so finden wir auch mit leichter Mühe den Rest.“

„Netley,“ sagte Border, „hat sich eine Hütte in ziemlich nordöstlicher Richtung von hier, unmittelbar an dem Schilfbruch gebaut, und war, als ich das letzte Mal dort oben nach meinen Pferden suchte, gerade dabei sich eine Weide in das Schilf hinein zu bauen, wo die Thiere allerdings für eine gute Weile Futter haben.“

„Wo denn etwa?“

„Wißt Ihr die Slew, Jenkins, über die zwei Cypressenbäume so gefallen sind, daß sie gerade eine Brücke hinüber bilden?“

„Gewiß weiß ich sie. Ich bin den Platz schon passirt.“

„Gut, wenn Ihr an der aufwärts geht, kommt Ihr zu der Hütte; sie liegt aber nicht unmittelbar am Wasser, sondern etwas versteckt in den Büschen drin, und ich hätte sie damals gar nicht bemerkt, wenn mich nicht das Krähen eines Haushahns aufmerksam gemacht hätte.“

„Gut,“ nickte Jenkins, „den Platz find ich und nun, denk ich, hat mein Pony auch genug gefressen, daß ich den Heimweg wieder antreten kann, denn unter den Umständen möchte ich nicht länger, als irgend nöthig ist, von zu Hause fortbleiben.“

Damit aber war Border nicht einverstanden. Er hatte, wie er erklärte, besonders zu dem Zweck einen Feisthirsch geschossen und ein junges Schwein geschlachtet, Lebensmittel seien also genug im Hause, Whisky zu einem tüchtigen Arkansas-Stew[1] ebenfalls, und er „wolle verdammt sein“, wenn irgend einer die „Range“ verlassen solle, ohne sich sattgegessen und getrunken zu haben, am wenigsten Jenkins.

Dabei blieb es; der Alte durfte sich nicht ausschließen, noch dazu da die paar Ruhestunden ja auch seinem heute überdies fast zu sehr angestrengten Pferd zu Gute kamen. So sammelte sich die wilde Schaar denn bald um Border’s gastlichen Heerd, wo die Frauen indessen emsig beschäftigt gewesen waren riesige Blechkannen mit Kaffee zu kochen und die verschiedenen saftigen Fleischstücken zu braten. Die Becher, mit dem scharfen, aber wohlschmeckenden Getränk, einer Art von Grog gefüllt, wurden fleißig geleert, und es war lange zehn Uhr vorbei, ehe Jenkins endlich Ernst machte zum Aufbruch. Border wollte ihn noch zurückhalten, aber es ließ ihm keine Ruhe mehr. Er stand auf, sattelte und zäumte sein indeß vollständig ausgeruhtes Pferd und trat den Heimweg an. Vorher aber hatten sich Alle das Wort gegeben, übermorgen Abend wieder zu gemeinsamer Berathung hier zusammenzutreffen.

(Fortsetzung folgt.)




Eine Dichter-Hochzeit.

Am Sonntag Invocavit (den 21. Februar) des Jahres 1790 standen auf dem geräumigen Platz vor der Hauptkirche zu St. Michaelis in der Universität-Stadt Jena zerstreute Gruppen, herkömmlichem Brauche nach auf das Heraustreten der andächtigen Kirchgänger aus der Kirche harrend. Die größere Anzahl waren Studenten, die namentlich am Kreuz und Burgkeller in bunten Haufen standen; sämmtlich heute im prallen Sonntagsstaat, in gewaltigen Dreimastern mit hohem, bunten Federbusch, goldgestickten, reichbetroddelten Uniformsfräcken mit goldnen Epauletten und Fangschnüren, auch wohl in kurzen Jacken mit bunten Aufschlägen, Lederhosen und mächtigen Kanonenstiefeln mit klirrenden Pfundsporen, zu dem Allen noch den blanken Hieber oder rasselnden Schleppsäbel an der Seite. Andererseits fehlte aber auch, getrennt davon auf der andern Seite beim sogenannten Krämergäßlein, nicht der ehrsame Bürger im langen Rocke, Kniestrumpf und Schnallenschuhen, sowie dem dicken Zopfe, der unter dem breitkrämpigen Dreimaster hervorquoll. Als die letzten Orgeltöne dann verrauschten, öffneten sich die beiden Thorflügel der majestätischen Kirche und die steinernen Stufen herab bewegte sich die andächtige Menge. Klirrend fielen die Ketten, welche die nach dem Kirchplatz führenden


  1. Ich glaube den Lesern der Gartenlaube einen Gefallen zu thun, wenn ich ihnen hier das Recept zu einem Arkansas-Stew mittheile. Es ist derselbe eigentlich nichts anderes, als ein „steifer Grog“ von Whisky, der sich auch eben so gut von Rum oder Arrac herstellen läßt. Hat man es, so thut man noch etwas gestoßenen Gewürzpfeffer hinzu; ein Ingredienz aber, was nicht fehlen darf, ist etwas ungesalzene Butter. Butter? entsetzlich, nicht wahr? Bitte, versuchen Sie es einmal. Der Grog muß aber sehr heiß sein, dann thut man auf das Glas etwa eine kleine Messerspitze ungesalzener Butter. Diese zerschmilzt augenblicklich und legt sich nur mit einer unsichtbaren Fettschicht auf das Getränk, dem sie aber dadurch jede Schärfe nimmt und einen milden Wohlgeschmack verleiht.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_372.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2022)