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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Ende machen wollten, und als er heftig wurde und sie Lügner und Schufte nannte, nahmen sie einen Strick und wollten ihn aufhängen. Jetzt stürzte die Frau heraus und fiel vor ihnen auf die Kniee, und sie erklärten ihr endlich, mit dem Leben solle er diesmal davon kommen, aber eine Strafe müsse er haben, banden ihn und zogen ihn auf den Ast einer Eiche hinauf, wo sie ihn festmachten und oben liegen ließen. Dann trieben sie die Pferde zusammen und ritten fort. Was sie mitgenommen, wußte das Kind nicht, aber die Mutter wurde ohnmächtig. Niemand war weiter im Haus, der ihrem Vater helfen konnte, sie allein aber nicht im Stand auf den Baum zu klettern, und da lief das Kind dicht vor Sonnenuntergang mitten in den Wald hinein, um bei mir Hülfe für die Ihrigen zu suchen. Natürlich that ich, was sich nur in der Schnelle thun ließ. Das Kind nahm ich in’s Haus, und die Frau gab ihm Brod und Milch nach dem schweren Marsch, und ich weckte indessen Jim Bailey, der gerade bei mir war und mir geholfen hatte meine neue Küche aufzurichten. Die Pferde waren glücklicher Weise bei der Hand und wir selber in kaum einer Viertelstunde marschfertig. Das Kind wollt’ ich nun bei meiner Frau lassen, daß es die Nacht schlafen und sich erholen könne, aber Gott bewahre, es ließ nicht nach, ich mußte es hinten auf’s Pferd nehmen, und was die Thiere laufen konnten, jagten wir hinüber. Aber bei Gott, da lag Ashley noch immer auf dem Eichenast, die Frau war wieder zu sich gekommen und jammerte, als sie die Tochter auch nicht fand, und glaubte, die Schurken hätten sie mit fortgenommen, halb wahnsinnig um Mann und Kind, und die Freude als wir ankamen! Aber ein verdammt schweres Stück Arbeit war’s, den Alten oben von seiner Hühnerstange herunter zu bringen, denn losschneiden durften wir ihn nicht auf einmal, er wäre uns sonst durch die Finger gerutscht und hätte den Hals gebrochen. Endlich ging’s, und wir brachten den armen Teufel wieder auf Gottes Erdboden hinunter. Aber er war ganz wie rasend, und tobte und wüthete und fiel zuletzt in einen tiefen Schlaf, so daß wir ihn bewußtlos auf’s Bett legen mußten. Am nächsten Morgen hatte er denn auch richtig ein hitziges Fieber, phantasirte von Regulatoren und Todtschießen und Gott weiß was Allem, und ein vernünftiges Wort war nicht mehr aus ihm herauszubringen. Da hielten wir uns denn auch nicht lange bei ihm auf. Wir ritten schnell zurück zu meinem Haus, und ich schickte meine Alte hinüber, daß die der Mrs. Ashley beistehen konnte, dann machten wir uns, Jim Bailey und ich, auf, um die Nachbarn zusammenzutrommeln und zu berathen, was geschehen könnte, und da sind wir jetzt und deshalb war ich auch heute Morgen nach Euch unterwegs, Jenkins, denn das dürfen die Schufte nicht ungestraft gethan haben.“

„Und hat Euch Ashley keinen mit Namen genannt?“ frug Jenkins, der der Erzählung mit fast fieberhafter Spannung ohne seine Büchse nur aus der Hand zu stellen, gefolgt war.

„Wir konnten Nichts aus ihm herausbekommen,“ erwiderte Billins, mit dem Kopf schüttelnd. „Von dem stundenlangen Hängen am Baume, mit zusammengeschnürten Armen und in der schmerzhaften Lage war er natürlich so außer sich, daß er lauter tolles Zeug faselte.“

Jenkins war nachdenkend geworden. Sollte der Besuch der beiden Fremden, die heute Morgen bei ihm gewesen, mit diesem neuen Regulatorenbund etwa in Zusammenhang stehen? Er erzählte mit kurzen Worten den Nachbarn sein heutiges Abenteuer. Kaum aber nannte er den Namen Netley dabei, als Border rief:

„Hol den Schuft der Teufel, das ist derselbe Lump, den sie in St. Francisville in Arkansas schon einmal wegen Schweinestehlen – er änderte ihre Zeichen ab – vor Gericht hatten, und damals schwur er’s ab. Wie sie aber später feste Beweise gegen ihn bekamen und ihn noch einmal wegen Meineid beim Ohr nehmen wollten, kniff er aus, ließ seine Frau sitzen und ging nach Texas. Der braucht’s auch noch sich hier wichtig zu machen; hätten wir ihn damals erwischt, war’ er ohne Verlust seiner beiden Ohren nicht davon gekommen!“

„Wenn wir nur einen einzigen der Schufte kennten,“ rief Jenkins, „die den armen Ashley mißhandelt haben! Beim Himmel, wir wollten ihn beregulatoren und mit Dogwood und Hickory bekannt machen, bis er seine übrige Sippschaft verriethe; aber was können wir so in’s Blaue hinein thun?“

„Ich habe meinen Tom zu Ashley’s hinübergeschickt,“ sagte Border, „der soll drüben bleiben, bis er wieder zur Besinnung kommt, und uns dann gleich Nachricht sagen.“

„Und kannte denn seine Frau Niemanden aus der Schaar?“

„Ja,“ sagte Billins, „zwei oder drei der Männer behauptet sie schon gesehen zu haben, aber sie wußte die Namen nicht, und in der Aufregung und Angst hatte sie auch wohl auf Einzelheiten nicht so genau geachtet. Die Beschreibung wenigstens, die sie uns gab, würde auf Jeden von uns eben so gut passen.“

„Das ist eine böse Geschichte, Gentlemen,“ sagte Jenkins, der indessen recht nachdenkend geworden war und still vor sich niedergestarrt hatte, „und ich weiß wahrlich nicht, welchen Vorschlag man da machen soll. Thun wir aber Nichts, so gewinnen die Schufte entweder Zeit mit ihrem Raub die ‚Range‘ zu verlassen, oder tauchen plötzlich da oder dort wieder auf und verüben ein neues Bubenstück. Ist denn Niemand ihren Fährten nachgegangen?“

„Wer sollte das?“ sagte Billins, „erstlich nahmen wir uns dazu wahrlich nicht die Zeit, und dann wußte die arme Frau nicht einmal genau anzugeben, nach welcher Richtung hin sie sich gewandt hatten; um Ashley’s Platz herum war aber der ganze Boden so von Pferdehufen zerstampft, daß sich kein Indianer mehr hindurchgefunden hätte.“

„Wär’ ich nur dort gewesen!“ nickte Jenkins, „aber soviel ist sicher, daß wir in unserer Heimath jetzt durch eine Bande gewissenloser Schufte gefährdet werden, die wir nicht länger dürfen ihr Wesen treiben lassen, denn keine einzelne Familie ist vor ihnen sicher.“

„Aber was können wir thun,“ rief Border, „ehe wir nicht einmal einen von den Burschen namhaft machen?“

„Wir sind hier fast aus allen Theilen der County versammelt,“ sagte Jenkins, indem er sich im Kreis der Männer umsah, „da sind drei – vier vom Trinidad, dort Tomlins von der Sabine, ein Paar vom Red-River und vom Bear- und Saltcreek.“

„Vom Rio Rajo hatt’ ich auch Meiers bestellen lassen,“ sagte Billins, „aber er muß die Botschaft nicht bekommen haben, und selber hinüber konnt’ ich nicht.“

„Den müssen wir’s noch wissen lassen,“ sagte Jenkins, „und dann schlag’ ich vor, daß wir jetzt, bis das geordnet ist, jede Arbeit, jedes Geschäft an den Nagel hängen und Tag und Nacht draußen liegen, um nur erst einmal die Spur zu bekommen. Ihr habt drei Neger, nicht wahr, Border?“

„Vier,“ sagte dieser, „und handfeste Bursche.“

„Gut, wenn Ihr mir folgt, so machen wir Brownsville zum Stationspunkt; heute Abend vertheilen wir uns und übermorgen Abend kommen wir Alle wieder hier zusammen, um das Weitere zu berathen. Bis dahin müßte es ja auch mit dem Bösen zugehen, wenn nicht Einer oder der Andere eine warme Fährte gefunden hätte, und Gnade Gott dann den Schuften!“

„Wer kommt denn dort?“ rief Border und schützte seine Augen mit der Hand gegen die Strahlen der eben untergehenden Sonne.

„Hol’s der Teufel!“ rief Billins, „der hat ja gar keine Hosen an.“

„Das ist Meiers, beim Himmel!“ lachte ein Anderer, „und im Hemd auf dem Pferd. Hahahaha, das ist kostbar!“

„Und mitten zwischen den Häusern reitet er durch,“ rief Border, „die Frauen haben ihn auch schon weg. Aber Meiers, was zum Henker fällt Euch denn ein? Wo habt Ihr denn Euere Hosen, Mann?“

„Guten Abend, Gentlemen,“ sagte indessen der Neuankommende, der in einem kurzen Trab, aber in dem wunderlichsten Aufzug von der Welt, herankam und nichtsdestoweniger, als er des Postmeisters Haus passirte, die dort halbversteckten kichernden Frauen und Mädchen auf das Artigste grüßte. „Border, thut mir den Gefallen und borgt mir ein Paar von Eueren Hosen, denn die Nacht wird’s frisch, und ich kann doch nicht so hier im Settlement herumlaufen und mich zum Abendbrod mit den Ladies an den Tisch setzen.“

Meiers sah wirklich komisch aus. Es war eine lange trockene Gestalt, mit breiten Schultern und entschieden vorstehenden Backenknochen. Auf dem Kopf trug er einen alten Filz, der nicht einmal mehr erkennen ließ, ob er überhaupt je eine Form gehabt; am Körper aber nur sein nicht übermäßig langes weißes baumwollenes Hemd, darüber, nach Art der Backwoodsmen, einen von

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