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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

und tausend Malen mit den schönsten Erfolgen, wenngleich auch öfters die Besatzung ein Opfer ihres heroischen Muthes wird.

Es ist natürlich, daß Boote, die einen so riesigen Kampf zu bestehen haben, besonders construirt werden müssen, und dadurch unterscheiden sich auch die Rettungsboote von den gewöhnlichen Schiffsbooten.

Die an sie zu stellenden Anforderungen sind folgende: 1) Sie müssen stark und kräftig gebaut sein, um dem Anprall der Wogen widerstehen zu können. 2) Sie müssen niedrig auf dem Wasser liegen, um wenig Luftwiderstand zu haben. 3) Sie müssen schnell sein. 4) Sie dürfen nicht leicht umschlagen und müssen 5.) sich von selbst wieder auf ihren Kiel richten, wenn es dennoch geschieht. 6) Endlich müssen sie sich selbst entleeren, wenn Wellen hineinschlagen.

Es hat über ein halbes Jahrhundert bedurft, ehe es dem menschlichen Geiste gelungen ist, diese nothwendigen Eigenschaften in einem so kleinen Gebäude von 25–30 Fuß Länge und 6–8 Fuß Breite zu vereinen, aber seit zehn Jahren ist diese Aufgabe gelöst, und viele Tausende danken diesen Booten ihr Leben, das ohne ihre Hülfe unfehlbar verloren gewesen wäre. Die Peake’schen Rettungsboote sind von Holz erbaut, fünfundzwanzig bis zweiunddreißig Fuß lang, sechs bis acht Fuß breit und vorn und hinten so wie an den inneren Seitenflächen mit Luftkasten versehen, deren Tragfähigkeit sie unsinkbar macht. Ventile im Boden des Bootes, so construirt, daß sie sich durch Wasserdruck im Boote öffnen, dienen zur Selbstentleerung, wenn Wellen hineinschlagen. Eine concave Krümmung des obern Bordes, sowie eine Belastung des Kieles sichern die Eigenschaft des Selbstaufrichtens, wenn das Boot dennoch umschlagen würde. Ein sechs Fuß im Durchmesser haltender Korbcylinder, der außen um das ganze Boot läuft, vermehrt seine seitliche Stabilität um ein Bedeutendes. Kurze Leinen von Tauwerk mit Holzkugeln daran, die überall außerbords hängen, erleichtern den Schwimmenden bei Seegang das Ergreifen des Bootes. Die Besatzung ist mit Korkjacken versehen, welche die Bewegungen der Arme frei lassen, aber fünfunddreißig Pfund Tragkraft besitzen, mithin selbst einen erstarrten menschlichen Körper über Wasser halten. Diese Korkjacken sind eine Erfindung des englischen Capitain Ward und haben sich außerordentlich gut bewährt.

Das Boot wird in einem eigens construirten Transportkarren, stets vollständig gebrauchs- und seefertig, unter einem Schuppen am Strande aufbewahrt. Es steht unter der speciellen Aufsicht eines Localcomités, und der Bootssteurer, der wichtigste Mann der Besatzung, ist für die gute Instandhaltung verantwortlich. Sobald ein gestrandetes Schiff entdeckt wird – wer dem Comité oder Bootsteurer zuerst Nachricht davon bringt, erhält eine Prämie – ruft Letzterer die Besatzung durch ein Signal zusammen und das Boot wird auf Karren mit in der Nachbarschaft requirirten Pferden oder Menschen in die möglichste Nähe des gestrandeten Schiffes gebracht. Die Mannschaft setzt sich hinein, fertig zum Rudern, der Karren wird rückwärts so weit in die Brandung geschoben, bis das Boot flott ist; durch eine Hebelvorrichtung wird vom Lande aus mittels eines Taues der Hintertheil des geneigt erbauten Karrens abgelöst und das Boot gleitet in das Wasser, um sofort seinen Kampf mit den Wellen aufzunehmen.

Bisweilen ist der Sturm so wüthend, die Brandung so gefährlich, daß es unmöglich wird, mit dem Rettungsboote sie zu überwältigen und ein Versuch seiner Besatzung sichern Tod bringen würde. Unter solchen Umständen sucht man vom Lande aus mit Hülfe von Wurfapparaten eine Verbindung mit dem gestrandeten Schiffe herzustellen. Ueber die Einrichtung derselben müssen wir den Leser auf unseren sehr ausführlichen Artikel im Jahrgang 1861 der Gartenlaube verweisen.

Wir theilen hier eine der beiden Illustrationen mit, welche wir unserem ersten Aufrufe für nationale Gründung von Rettungsstationen an den deutschen Küsten beigefügt hatten. Sie zeigt, wie den Schiffbrüchigen, um ein sogenanntes laufendes Zeug zwischen Schiff und Küste herzustellen, mittels eines Raketenapparates ein Tau zugeworfen wird.

In Holland sind durch die seit 1824 gegründeten Rettungsanstalten 2572 Schiffbrüchige geborgen. Fragen wir aber nach ähnlichen Erfolgen an unsern deutschen Küsten, so bieten sie sich nur an der Nordsee, wo seit 1862 über siebenzig Menschen gerettet sind. An der ganzen Ostsee, an der gefährlichen schleswig-holsteinischen Nordseeküste suchen wir vergeblich darnach. Die Zahl der Geretteten ist dort so gering, daß man es nicht einmal der Mühe werth gehalten hat, sie zu veröffentlichen.

Wenn das Volk die Sache in die Hand nimmt und ernstlich fördert, so kann es nicht ausbleiben, daß auch die Regierungen sie thatkräftig unterstützen, wie dies in England geschieht, wo der Staat der National Life Boat Institution jährlich 5000 Pfd. Sterling (33000 Thlr.) zu Rettungszwecken überreicht. Weil aber die Wirksamkeit des Rettungswesens hauptsächlich von den innern Eigenschaften der Menschen abhängig ist, welche dabei thätig sind, so wird der Staat selbst beim besten Willen nie die schönen Erfolge erzielen können, wie ein Privatverein, der das ganze Volk repräsentirt.




Die Rechenmaschine, eine Erfindung der Neuzeit.

Es giebt vielleicht keinen bessern Maßstab für den Fortschritt, den ein Volk gemacht, und für den Standpunkt, den es in geistiger Beziehung einnimmt, als die Maschinen. Die Construction, die Verbesserungen derselben etc. bedingen an und für sich eine Fülle technischer Kenntnisse und geistiger Fähigkeiten, wie sie nur bei einem gebildeten Volk gefunden wird, während andererseits die Anwendung der Maschinen nur bei einem geistig vorgeschrittenen oder doch einen hohen Grad von Bildungsfähigkeit besitzenden Volk möglich ist. Wir wollen aber heute keinen Panegyrikus auf die Maschinen im Allgemeinen schreiben, sondern unsere Leser mit einer speciellen Maschine bekannt machen, die an Sinnreichthum keiner andern nachsteht und dabei Alles erfüllt, was man vernünftigerweise von einer solchen verlangen kann. Wir meinen die Rechenmaschine von Thomas in Colmar. Dieselbe löst nicht etwa, wie Mancher dies glauben und in seinen Schuljahren oft sich gewünscht haben mag, ohne alle Beihülfe ein jedes ihr aufgegebene Exempel; sie thut dies ebensowenig, wie je eine Spinn- und Webmaschine ein fertiges Hemd produciren wird, wenn man auf der einen Seite den rohen Flachs hineinsteckt; sie befreit aber den Mathematiker von den Handlangerdiensten, und Alle, welche viel mit Zahlen zu thun haben, Ingenieure, Astronomen, mathematische, statistische, Finanz- etc. Beamte werden wissen, welchen Vortheil eine Maschine gewährt, welche ihnen die geisttödtende Arbeit der vier Species abnimmt. Dies aber thut die Maschine; sie rechnet mit unbedingter Sicherheit und Schnelligkeit die vier Species, und man vollführt mit ihr Multiplikationen und Divisionen mit größerer Geschwindigkeit, als mit Logarithmen, die außerdem, wie jeder weiß, nie fehlerfrei sind.

Der Wunsch nach einer solchen Maschine ist nicht neu; schon Pascal machte vergebliche Versuche, nach ihm der große Philosoph Leibnitz, und im Jahre 1820 begann der Engländer Babage die Construction einer Rechenmaschine, an welcher er zwölf Jahre arbeitete und die über 110,000 Thaler kostete, ohne sich als praktisch zu bewähren. Nach seinen Ideen arbeitete der Schwede Scheutz und es gelang ihm, eine Maschine zu construiren, die zwar allen Anforderungen entsprach, jedoch so theuer war, daß nur ein Exemplar construirt wurde, welches sich im Besitz des Smithsonian-Instituts in Amerika befindet. Fast gleichzeitig mit Scheutz begann Thomas in Colmar und nach manchen vergeblichen Versuchen gelang es ihm, Anfangs der fünfziger Jahre eine Maschine zu construiren, die allen Anforderungen entspricht und dabei so billig ist, daß sie von allen Instituten, die ihrer bedürfen, leicht beschafft werden kann.

Die Maschine, Figur I, in einem hölzernen Kassen befindlich, hat eine Länge von 221/2“, 7“ Breite und 31/2“ Höhe und zerfällt in zwei Haupttheile, das Schanwerk und das Stellwerk, deren innere Theile durch zwei Messingplatten geschlossen sind; in der Deckplatte des Stellwerks A befinden sich acht parallele Einschnitte, neben welchen die Zahlen 0–9 in gleichen Entfernungen eingravirt sind: in jedem dieser Einschnitte ist ein verschiebbarer Knopf angebracht, der an der Seite einen kleinen, auf die Ziffern hinweisenden Stift trägt: durch Verschiebung dieser

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