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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

erworbenen, die immer da, wo sie mit den angeborenen streiten, nichts werth sind! Aber nun streiten auch wir nicht länger. Ich möchte,“ setzte Elisabeth ein wenig leise und zögernd hinzu, „eine Frage an Sie richten, wenn Sie mir dieselbe freundlich beantworten wollen.“

„O gewiß, jede!“

„Weshalb fliehen Sie die Welt?“ fuhr Elisabeth fort, Markholm wieder groß und offen ansehend, aber dieses Mal mit einem leichten Wechsel der Farbe.

„Weshalb ich die Welt fliehe? Wissen Sie denn, ob ich es thue? Die Welt flieht mich!“

Sie schüttelte den Kopf.

„Das glaube ich nicht. Einen Mann wie Sie flieht die Welt nicht – sie lockt ihn an sich.“

„Was ist die Welt? die Gesellschaft der Menschen, unter denen wir das Glück suchen. Der Magnet des Glücks zieht uns in diesen Strudel. Mich aber hat das Glück immer geflohen, also hat es auch die ganze bunte Menge, die sich um dasselbe drängt.“

„Sie versprachen mir, meine Frage freundlich zu beantworten!“

„Thue ich das nicht?“

„Wie einem Freunde … nein!“

„Wie einem Freunde? In der That, Sie haben Recht, und wenn Sie mich so fragen, will ich anders antworten – dann aber geben Sie mir erst die Hand wie einem Freunde.“

„Gern!“ versetzte Elisabeth ohne alle Verlegenheit, und unbefangen wie einem alten Bekannten streckte sie ihm die Hand über den Schlagbaum entgegen.

Markholm nahm sie – anscheinend so unbefangen; in der That aber fühlte er ein eigenthümliches Klopfen des Herzens in dem Augenblicke, wo die Bitte über seine Lippen gekommen und so lange er ihre Hand in der seinen hielt.

„Nun?“ sagte sie, die Hand ihm entziehend. „Nun sollen Sie mir antworten, wie Sie’s versprochen haben.“

„Wohl denn – ich fliehe die Welt, weil sie mich zu viel in Anspruch nahm; weil ich der Ruhe bedurfte und mir selbst gehören wollte; weil mich Erlebnisse, die mich tief verstimmt hatten, dem Reiz der Einsamkeit nachgeben ließen.“

„Und mit dieser Antwort,“ sagte, als Markholm schwieg, Elisabeth nach einer Pause, „muß meine junge Freundschaft zufrieden sein?“

„Das heißt, sie ist nicht damit zufrieden … und doch habe ich Ihnen die ganze Wahrheit gesagt. Sie mögen auch von jenen Erlebnissen eins kennen; ich hatte einen höchst wichtigen Proceß verloren, der mich um die Hoffnung meines ganzen Lebens betrog!“

„Einen Proceß? Und das konnte Sie so tief verstimmen?“

„Ja – es handelte sich um die Stammgüter meines Geschlechts. Die Familie, welche jetzt im Besitz derselben ist, gewann sie, weil sie eine wichtige Urkunde, die sonnenhell mein Recht herausgestellt hätte, unterschlug.“

„Unterschlug … das ist ein kühnes Wort …“

„Aber nicht gelassen ausgesprochen“, fiel Markholm ein, „denn jede meiner Fibern bebt aus tiefer Entrüstung über eine solche Handlungsweise.“

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

„Die Hundswuth keine Fabel“ schreibt Professor Falke in Jena an die Redaction der Gartenlaube und wünscht dabei, daß man ihn ja nicht zu denen rechnen möge, die das specifische Hundswuthgift und die Hundswuth als besondere Krankheitsform leugnen. Auch erklärt derselbe, daß er jene zwölf von einem tollen Hunde gebissenen Schweine nicht selbst beobachtet, sondern daß er dieses Factum als von einem Thierarzte mitgetheilt in einem Jahresberichte nur erwähnt habe und also für die Wahrheit desselben nicht bürgen könne. – Die Erfahrungen des Herrn Professor Falke und alle in den verschiedenen Thierarzneischulen (besonders in Berlin) gemachten Beobachtungen, sowie die Einimpfungen von Speichel toller Hunde auf gesunde Hunde beweisen allerdings, daß die Hundswuth, unter den Hunden wirklich besteht und daß sie sich auch von wuthkranken Hunden auf gesunde Hunde überträgt, allein dadurch wird noch lange nicht bewiesen, was der k. k. Primärarzt Herr Dr. Lorinser in Wien widerlegte, daß die Wuthkrankheit auch beim Menschen als eine specifische, durch den Biß eines tollen Hundes erzeugte Krankheit existirt.




Die Wespen von Stettenheim. Nächst dem Kladderadatsch, dem in seiner Art einzig dastehenden Witzblatte, können wir unseren Lesern die in Hamburg erscheinenden „Wespen“ als das witzigste und frischeste Blatt auf dem Felde des höheren Blödsinns empfehlen. Der Redacteur Stettenheim, wie wir hören aus Witzenhausen in Hessen gebürtig, entwickelt meist einen so gesunden und drastischen Humor, daß seine Einfälle getrost den besten Bonmots des Berliner Witzcrösus an die Seite gesetzt werden können. Ein großer Vorzug der Wespen sind die Zeichnungen, die von göttlicher Bosheit und schlagender Pointe strotzen. Namentlich über preußische Zustände bat das Blatt oft einen so gesunden Treffer und so vortreffliche Caricaturen, daß alle Bauchmuskeln in Bewegung gerathen. Die republikanische Preßfreiheit kommt ihm dabei sehr zu statten.




Fünfte Todtenliste von im gegenwärtigen amerikanischen Kriege gefallenen Deutschen, deren Erben Näheres aus dem Generalconsulat der Vereinigten Staaten von Amerika zu Frankfurt a. M. durch dessen Secretair August Glaeser erfahren können.

N. Arnold. J. Agner, Johann Bauer, P. Voß, E. Brandau, W. Bellmann, G. Caßler, A. Dossen, S. J. Eigner, Franz Faust, J. Frye, L. Gotte, Martin Hahn, S. Hoffmann, Adolph Kaufmann, Michael Kaufmann, Valentin Kaufmann, Jacob Kayser, Ludwig Kempf, David Köhler, Carl Kramer, Jacob Kurz, Heinrich Michel, August Neumann, W. H. Nessel, Christian Pfeffer, H. Pappenberg, Carl Ritter, M. Renne, J. Schmidt, Carl Schmidt, Hermann Schulz, H. Wahls, Carl Wöllder, C. Weinhardt, Carl Würz, A. Walter, H. Westphal.




Zur Beachtung. Wir erlauben uns alle unsere Leser und Leserinnen auf das unten angekündigte Werk von Otto Ule ganz besonders aufmerksam zu machen. Zwar macht der Name seines Autors, dessen Bemühungen um die Popularisirung der Naturwissenschaft längst schon allgemeine Anerkennung gefunden haben, jede Empfehlung des Buches unnöthig; wir glauben aber auch unserseits um so nachdrücklicher auf diese neue Quelle der Belehrung hinweisen zu müssen, als für gar Viele eine Menge von Erscheinungen und Wirkungen der Natur, wie sie auch das tägliche Leben unablässig beeinflussen, leider ungelöste Räthsel zu sein pflegen.

Die Redaction.


Kleiner Briefkasten.

K. in L. Allerdings ist das in Nr. 15 unsrer Zeitschrift erschienene Bild von Ernst Fischer in Dresden jetzt in einer großen Lithographie im Kunsthandel erschienen.

R. in D. Der in der letzten Nummer abgedruckte Artikel: „Die nationale Bedeutung der Genossenschaften“ ist ein Vortrag, den der Verfasser Schulze-Delitzsch am 19. März 1864 in Berlin vor den Mitgliedern der dasigen Genossenschaften gehalten hat.




WS: Werbung, wird derzeit nicht transkribiert.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_288.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2022)