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das Territorium von drei und mehr Reichsfürsten zu berühren. Wohl boten sie Alles auf, um dem schrecklichen Uebelthäter das Handwerk zu legen oder wohl gar seiner habhaft zu werden, allein nichts von Allem wollte fruchten. Außer den Jagdbediensteten und Förstern wurden die Bauern aufgerufen, Militär wurde requirirt, um auf den Wildschützenhauptmann zu streifen – aber den Bauern war es nicht Ernst mit der Verfolgung, sie wußten es immer so einzurichten, daß Hiesel zuvor gewarnt und rechtzeitig von Zeit, Richtung und Stärke der Streife in Kenntniß gesetzt wurde; ja, es wollte sogar verlauten, die zu einer solchen Expedition aufgebotenen Bauern hätten den Wildschützen einmal wirklich aufgefunden, aber, anstatt ihn auszuliefern, mit dem frisch gemähten Grase einer Wiese bedeckt, so daß zu ihrer großen Belustigung die ganze übrige Mannschaft arglos und in gravitätischem Amtseifer an dem Grasschober vorüber marschirte. Die Jäger waren wohl meist zu Anfang über die Verheerung ihrer Wildbestände ergrimmt und gingen mit waidmännischer Entschlossenheit daran, ihn zu bekämpfen, aber sie mußten gar bald einsehen, daß der Kampf zu ihrem Nachtheile ein sehr ungleicher war. Einige der Muthigsten hatten Hiesel und die Bande verfolgt und geradezu angegriffen und waren als Opfer ihrer Berufstreue gefallen. Andererseits war es offenkundig, daß Hiesel, so sehr er die Jäger haßte, keinem etwas zu Leide that, der ihn nicht angegriffen oder durch Nachstellungen oder Drohungen herausgefordert hatte. Es war daher wohl verzeihlich, wenn sie in der Verfolgung etwas lässiger und behutsamer wurden, und so blieben nur die Soldaten übrig, denen diese Streifzüge und die Verfolgung eines Verbrechers kein besonders angenehmer Dienst und vor Allem kein Geschäft waren, wobei sich Ehre holen ließ. Dazu kam noch, daß kein Mensch jemals mit Bestimmtheit zu sagen wußte, wo Hiesel sich eben aufhielt; er war auf steter Wanderschaft begriffen, theilte seine Leute in kleinere Abtheilungen, die unter allerlei Vorwänden und Verkleidungen herum schweiften, um an einem bestimmten Platze und zur bestimmten Minute sich wieder mit ihm zu vereinigen, und erschien selbst mit unbegreiflicher Kühnheit bald an diesem, bald an jenem Ort, überall freundlich oder mit scheuer Furcht aufgenommen, oder zu spät erkannt. Unvermuthet tauchte er in irgend einem Waldrevier auf, die Verwüstungen des Wildstandes und der Ueberfluß an Wildpret in den benachbarten Städten, Dörfern und Pfarrhöfen verkündeten seine Anwesenheit; bis dann die Eigenthümer sich besonnen und zu schwerfälligen Vorbereitungen aufgerafft hatten, war er wieder verschwunden: die Verfolger hatten das Nachsehen und zu dem Schaden das Gespött.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Die Pflanze als Orakel. Eine zahllose Menschenmenge war am 20. März nach dem Tuileriengarten in Paris geströmt, um zu sehen, ob der „Maronnier du 20 Mars“ schon Blätter habe. Es herrscht nämlich unter den Parisern der Glaube, daß es ein gutes Anzeichen für die Familie Bonaparte ist, wenn der Baum Blätter zeigt, oder auch mir ein einziges Blatt. Diesmal war er jedoch blätterlos und Mancher, der vor dem Baume stand, schüttelte bedenklich das Haupt. So berichten die Zeitungen. Die Pflanzen werden vielfach als Orakel benutzt, in vorderster Reihe natürlich in Herzensangelegenheiten. Die Mädchen im Oberbergischen winden am 23. Februar zweierlei Kränze, die einen von Stroh, die anderen von Epheu und Sinngrün, und gehen damit in der Nacht zu einer Quelle. Dort tanzen sie bei Fackelschein und gehen dann rücklings zur Quelle und suchen einen Kranz zu erhaschen. Das Mädchen, das einen Kranz von Epheu oder Sinngrün erfasst, bekommt einen Schatz, oder, ist sie verlobt, wird sie noch in diesem Jahre heirathen; ein Strohkranz gilt als düsteres Vorzeichen. Am Andreasabend gehen die Mägde in den Holzschuppen und ziehen dort im Dunklen ein Scheit hervor; ist dieses Scheit gerade, so bekommt das Mädchen einen hübschen, ist es aber verbogen, so wartet ihrer ein häßlicher oder krummer Mann. Auch eilen die Mädchen im Dunkeln in den Obstgarten und pflücken einen Zweig, welcher dann in Wasser gesteckt wird. Blüht er schnell und reichlich, so deutet dies auf baldige Heirath. Wenn ein Mädchen am Tage Mariahimmelfahrt Siegwurz findet, so ist dies ein Zeichen, daß es noch in demselben Jahre heirathet. Wenn in einem Garten ein Rosenkönig (drei Rosen an einem Stengel) erblüht, so giebt es eine Braut im Hause. Wenn liebende Rosenblätter in einen Bach werfen und zwei dieser Blätter mit einander fortschwimmen, ohne sich zu trennen, so kommt die Ehe zu Stande. In Oberösterreich werfen die Mägde Stäbe auf einen Nußbaum, um zu sehen, ob sie bald einen Mann bekommen; denn jene, deren Stab auf den ersten Wurf in den Zweigen hängen bleibt, heirathet noch im laufenden Jahre. In anderen Gegenden werfen die Brautleute am heiligen Abend Nüsse ins Feuer; brennen diese still, so giebt es eine gute Ehe, krachen sie aber, so bedeutet es Zank. Endlich darf man auch das Blumenorakel nicht vergessen, das Altmeister Goethe bei dem Spaziergange Faust’s so schön benutzt: „Er liebt mich – liebt mich nicht“ u. s. f. Schon bei Walther von der Vogelweide findet sich eine ähnliche Formel:

„Si tuot, si entuot, si tuot, si entuot, si tuot,
swie dike, ichz tete, so was ie daz ende guot.“

Man spricht auch: „Er (Sie) liebt mich, von Herzen, mit Schmerzen, ein klein wenig, nein gar nicht.“ In der Schweiz sagen die Mädchen: „Ledig si? – Hochzit han? Ins Klösterli go?“ und die Burschen: „Reich – arm – mittelgattig? –“ Oder: „viel – chli – gar nit? –“ Die Blumen, welche zu diesem Spiele benutzt werden, sind vorzüglich Maßlieb und Wiesenperle; doch kann auch die Gemswurz dazu gebraucht werden. Beim Abzupfen ihrer Strahlenblüthen fragen die Mädchen, ob sie die Frau eines Bauers, Bürgers, Edelmanns oder Bettlers sein werden; die jungen Burschen wollen erfahren, ob ihnen bestimmt ist, Bauer, Soldat, Student, Herr, Bettelmann, Edelmann, König oder Kaiser zu werden. (Mit der Ringelblume sollen liebende dieses Spiel nicht wagen; denn dies ist die Blume der Gräber, und es wird dadurch leicht eine Trennung herbeigeführt.) Auch das Rispengras wird zu diesem Orakel benutzt, indem man beim Aussprechen der Formel die Früchte nach und nach abpflückt. – Die Pflanzen werden ferner als Orakel bezüglich der Witterung gebraucht. In der Gegend von Wien benutzt man Zwiebelschalen zum Vorausbestimmen des Regens oder der Trockenheit des ganzen Jahres. Man nimmt zu diesem Zwecke in der Christnacht vor der Mette zwölf Zwiebelschalen, stellt sie für die zwölf Monate in einer Reihe auf den Tisch und streut in jede eine gleiche Menge Kochsalz. Wenn man dann aus der Mette heimgekehrt ist, sieht man nach: jene Schalen, in denen das Salz feucht ist, deuten auf nasse, die anderen auf trockene Monate. Für den Landmann nicht minder wichtig ist die Frage, ob die Getreidepreise steigen oder fallen werden. In Böhmen glaubt man dies aus der Zahl der Körner in der Kornblume vorausdeuten zu können; so viele Körner sie enthält, für so viele Gulden wird das Getreide von der Gattung, in welcher die Kornblume wuchs, verkauft werden. Man drischt auch die erste Garbe aus, füllt mit dem Korn einen Topf, streicht ihn ab und schüttet das Korn auf eine Ecke des Tisches und wiederholt dies mit dem Korn der zweiten, dritten und vierten Garbe. Dann füllt man den ersten Kornhaufen wieder in den Topf; wird er bis zum Abstreifen voll, so wird das Korn im ersten Vierteljahre wohlfeil, sinkt es aber ein, so wird es theuer. Um Michaelis kann man den Charakter des folgenden Jahres an geöffneten Galläpfeln erkennen: findet man eine Spinne darin, so bedeutet dies ein unglückliches Jahr; ein Fliege zeigt ein mittelmäßiges, eine Made ein fruchtbares Jahr an. Findet man nichts, so deutet es auf Sterben. Ist der Gallapfel inwendig feucht, so deutet es auf ein nasses, ist er dürr, so kündet er ein trockenes Jahr, ist er aber dünn, so folgt ein heißer Sommer. Wenn die Eiche viele Eicheln trägt, kommt früher Schnee und ein langer Winter. Am Barbaratage (4. December) holt man an vielen Orten Zweige von Obstbäumen, namentlich von Kirschen und stellt sie im Zimmer in Wasser; entwickeln sie rasch ihre Knospen und kommen sie bald zum Blühen, so bedeutet dies ein fruchtbares Jahr. Das „Halmziehen“, um einen an und für sich unbedeutenden Gegenstand zu entscheiden, ist noch überall gebräuchlich, und wer von den zu diesem Zwecke verdeckten Grashalmen den kürzern zieht, hat verloren.

Die angeführten Beispiele von Pflanzen-Orakeln, die wir namentlich in v. Perger’s[WS 1] „Pflanzensagen“ verzeichnet finden, mögen genügen; doch können wir nicht umhin, auf den Kastanienbaum in den Tuilerien, der uns zu dieser Skizze Veranlassung gegeben, mit kurzen Worten zurückzukommen. Die Berühmtheit des genannten Baumes reicht weit über die Napoleonische Aera hinaus. Im Jahre 1746 wurde der Maler Joseph Vient beschuldigt, seinen Nebenbuhler bei der Concurrenz der königlichen Malerakademie am Abend des 20. März ermordet zu haben. Vient hatte aber an demselben Abende im Tuilerien-Garten ein Stelldichein mit einer vornehmen spanischen Dame gehabt, und zwar unter dem einzigen Baume, der bereits Blätter und Blüthen getrieben hatte. Der Kastanienbaum rettete dem Maler, der sein Alibi damit beweisen konnte, das Leben, und seit diesem Jahre schreibt sich die Gewohnheit der Pariser her, den Baum vom 20. März zu beaugenscheinigen. Marat wollte den Baum ausrotten, der jedoch in Robespierre seinen Vertheidiger und Beschützer fand. Mit der Geburt des Königs von Rom und seit der Rückkehr Napoleon’s I. von Elba, die er in vollem Blüthenschmuck begrüßte, gilt der Marronnier für einen bonapartistischen Baum.

–r.




Hermann Knaur und der Kaiser von Mexico. Gewiß wird allen Lesern unseres Blattes die Mittheilung interessant sein, daß soeben der talentvolle deutsche Bildhauer Hermann Knaur in Leipzig, dessen neuer Gellertstatue die „Gartenlaube“ erst vor Kurzem Aufsatz und Bild gewidmet hat, vom derzeitigen Kaiser von Mexico mit einem sehr umfänglichen künstlerischen Auftrage betraut wurde. Knaur hatte dem damaligen Erzherzoge Maximilian für sein schönes Schloß an der Adria, Miramar, bereits verschiedene Marmorbüsten geschaffen, nun soll er, wahrscheinlich für den Thronsaal der neuen Kaiserresidenz, die Büsten einer ganzen Reihe von Kaisern in Marmor ausmeißeln und zwar von Alexander dem Großen, von Julius Cäsar, Augustus, Antoninus Pius, Marc Aurelius, Carl dem Großen, Carl dem Fünften, Peter dem Ersten, Napoleon dem Ersten und Napoleon dem Dritten. Außerdem wünscht der Beherrscher Mexico’s noch eine Portraitbüste Alexander von Humboldt’s für sein Arbeitscabinet zu erhalten, und auch diese liefert ihm der tüchtige Leipziger Meister. Wir aber freuen uns von Herzen, daß dem wackern Manne, dessen Bescheidenheit eine heutzutage wahrhaft seltene, diese neue Anerkennung zu Theil worden ist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Anton von Perger; Vorlage: v. Pergner’s
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_272.jpg&oldid=- (Version vom 15.11.2022)