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seiner liebenswürdigen Weise durch die eben in zweiter Auflage erschienene Dichtung „Kein Hüsung,“ und als verspäteter Neujahrsgruß erfreute ihn vor kurzem ein prächtiges Photographie-Album von Deutschen in Nord-Amerika, welches über fünfzig Portraits der New-Yorker Sängerrunde und vieler Officiere mit eigenhändiger Dedication enthielt. Die Sängerrunde und das Officier-Corps in New-York waren es besonders, welche vor zwei Jahren durch ihre rege Thätigkeit bei der Subscription auf die Gesammtausgabe von Mosen’s Werken das Interesse für den Dichter in Amerika in großem Maße erweckten. Leider war es vielen der damaligen warmen Verehrer des Dichters nicht mehr vergönnt, auf diesen Gedenkblättern vor ihm zu erscheinen; die meisten von ihnen hatten den frühen, ehrenvollen Tod auf blutigem Schlachtfelde gefunden. Von den noch lebenden Betheiligten haben die bekannten Generale Louis Blenker, Osborne, Carl Schurz, Max Weber ihre Portraits mitgesandt.

Vor des Dichters Schlummerstätte.

Ein Zeichen der Verehrung und Theilnahme, die Mosen von ganz Deutschland gespendet wird, war auch jenes Ständchen, das ihm unlängst eine Tiroler Sängergesellschaft brachte, die ihm sein unsterbliches „Zu Mantua in Banden“ sang. Es war die Gesellschaft Holaus, die während ihres Hierseins den kranken Dichter besuchte und ihm auf seinem Schmerzenslager den „Andreas Hofer“ vortrug. Sie sang in Mosen’s Wohnzimmer und blieb nachher noch eine Zeit lang bei dem Dichter, der sehr bewegt und bis zu Thränen gerührt war von den gewaltig ergreifenden Tönen seines Liedes. Als die Tiroler Abschied von ihm nahmen, ließ er sich von Jedem die Hand drücken und sprach mit bewegter Stimme: „Gruß und Handschlag den wackeren Tiroler Landsleuten von Eurem Julius Mosen!“

Hier dürfte auch die liebevolle Theilnahme von Frau Emilie von Gleichen-Rußwurm, Schiller’s Tochter, für ihren kranken Freund nicht unerwähnt bleiben. Durch Zusendung von frischen Blumen oder anderen sinnreichen Geschenken sucht sie den Leidenden zu erfreuen und pflegt ihre Sendungen stets mit einigen herzlichen und tiefempfundenen Versen zu begleiten. Unter Anderem empfing Mosen zuletzt von ihr eine schöne Schillerbüste, über der ein Engel schwebt. Frau von Gleichen hatte das Kunstwerk für ihn von einem Künstler in Volkstädt anfertigen lassen und begleitete es mit nachstehenden Versen:

„Mit Engelsgruß aus Volkstädt’s Auen,
Wo Schiller’s reinstes Glück erblüht,
Sollst heute Du sein Bildniß schauen
Im Sonnenschimmer sanft erglüht.

Und auf des Engels lichten Schwingen
Sei Lindrung Deinem Leid gebracht;
O, glaube nur, Dein treues Ringen
Wird von der Engel Schaar bewacht.“

Abends gegen neun Uhr läßt sich Mosen wieder in sein Zimmer tragen, das nach hinten hinaus ebenfalls zu ebener Erde liegt.

Es ist auf unserem Bilde das mittlere Fenster, welches uns durch dichtes Gebüsch freundlich entgegenwinkt. Hier liegt der arme Dichter von den unerbittlichen Leiden gefesselt die langen Nächte meistens wachend auf seinem Lager. Nur ein leiser, flüchtiger Schlummer erquickt ihn zuweilen und schließt auf kurze Zeit seine Augen. Doch eine treue Freundin hat er in seinen langen einsamen Nächten, leider aber nur kurze Monate im Jahre. Es ist Frau Nachtigall, die ihm treulich Gesellschaft leistet bei seinem qualvollen Wachen und ihm im nahen Gebüsch tröstend ihre schönsten schmelzendsten Weisen singt. Schon seit Jahren ist sie ihm treu ergeben, so treu, daß sie auch bei Tage mit ihrem Freunde nach vorn wandert und in dem blühenden Rothdorn ihre Concerte fortsetzt, um den würdigen Genossen in ihren lieblichsten Tönen zu feiern.

Sollte Ferdinand Freiligrath das wohl geahnt haben, als er in seinen schönen Versen an Julius Mosen sang:

„Lang ist die Zeit! Im Waldesgrund die Ammer
Lockt unterdeß dreimal fünf Sommer lang;
Dreimal fünf Sommer schlug vor seiner Kammer
Die Nachtigall, mit der er Wette sang!
Wißt ihr es noch? Hell klang es in den Landen:
Die Leipz’ger Schlacht! Zu Mantua in Banden!
Die letzten Zehn!“ – – –




Der bairische Hiesel.
Volkserzählung aus Baiern.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)

Hiesel sah den Buben mit fragendem Blicke an. „Was willst Du von mir?“ wiederholte er.

„Bei Dir bleiben, Hiesel“ … antwortete der Junge mit fester Stimme; „den Vater haben sie gefangt und fort in’s Zuchthaus, das Gütel wird verkauft und die Mutter haben’s in’s Gemeindehaus gethan – drum bin ich davon, Hiesel, und will auch ein Wildschütz werden und bei Dir bleiben!“

Wüstes Jubelgeschrei stieg aus den Kehlen der Schützen; sie rissen den Buben an sich, umarmten ihn und der Sattler bot ihm die Flasche. Er kam fast nicht dazu zu melden, daß er im Walde einigen Bauern begegnet sei, welche ebenfalls nach dem bairischen Hiesel fragten, denen er aber einen Umweg angezeigt habe, um noch vor ihnen einzutreffen. „Der Bub ist ja ein Teufelskerl!“ rief der Tiroler, „und abgedreht wie ein alter Fuchs! Da kannst sehn, Hiesel, was Du überall giltst und ob Du von uns lassen darfst!“

Hiesel hatte sich auf den Felsvorsprung gesetzt und winkte den Buben zu sich. „Du kommst von Erdweg?“ sagte er, indeß die Andern sich zurückzogen und sich bedeutsam zunickten. „Bist Du über Kissing gekommen und wann?“

„Freilich,“ erwiderte der Knabe, „am letzten Samstag Nachts und Sonntags früh … ich hab’ Dich dort zuerst gesucht und hab’ geglaubt, da werd’ ich’s jedenfalls erfahren, wo ich Dich finden könnte… sie haben aber nichts gewußt, und der alte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_269.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)