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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Verirrungen beseitigen half. In dieser Beziehung steht sie dem ihr an Genie überlegenen Asmus Karstens würdig zur Seite. Beide haben durch die Wiederbelebung der antiken Ideale der modernen Kunst den einzig richtigen Weg gewiesen und durch den wieder heraufbeschworenen Geist des Alterthums den Genius der Neuzeit aus seinem langen Schlaf geweckt. Wie Lessing und Winckelmann theoretisch, so haben Angelica Kaufmann und Karstens praktisch eine neue Epoche herbeigeführt. –

Noch einmal sollte Angelica und zwar am Abende ihres vielbewegten Lebens das veränderliche Glück des Daseins kennen lernen. Im Jahre 1795 starb ihr Gatte, an dem sie ihren besten Freund verlor. Auch ihre Vermögensverhältnisse wurden durch die französische Revolution wesentlich erschüttert. Die großen politischen Umwälzungen drängten das Interesse für die Kunst zurück, die vornehmen Fremden verließen Rom und mit ihnen schwanden auch die einträglichen Bestellungen. Angelica ertrug jedoch diesen Ausfall mit Würde; sie verstand es, sich einzuschränken, und der Mangel an äußeren Gütern vermochte nicht den Frieden ihrer Seele zu trüben. Blieb ihr doch die Kunst, in der sie Trost und Beruhigung fand. Bis zu ihrem Tode, der im Jahre 1807 erfolgte, bewahrte sie ihre frühere Arbeitslust und eine seltene Frische des Geistes. Sie lebte in den Erinnerungen an eine schöne Vergangenheit, und auch die Anerkennung der Zeitgenossen wurde ihr im reichsten Maße zu Theil. Ihre Büste wurde nach ihrem Tode im Pantheon zu Rom aufgestellt, und noch heute wird der Name der liebenswürdigen Künstlerin mit hoher Achtung in der Geschichte der Kunst genannt.Max Ring.     


Blätter und Blüthen.


Wuthkrankheit eine Fabel. Dr. Lorinser, k. k. Primärarzt in Wien, erklärte neuerlich: „Die Existenz der sogen. Wuthkrankheit (Hydrophobie) beim Menschen, als einer specifischen, durch den Biß eines tollen Hundes erzeugten Krankheit, gehört in das Reich der Märchen und Fabeln“, und es wird endlich Zeit, daß der Aberglaube, als könne der Mensch durch den Geifer eines wüthenden Thieres ebenfalls wuthkrank werden, im Volke vertilgt werde, um die heftige Gemüthsaufregung, welcher jeder von einem Hunde Gebissene preisgegeben ist, zu vermeiden. Nach Lorinser ist die Wuthkrankheit beim Menschen nichts als ein Starrkrampf (Tetanus), der entweder aus freien Stücken, oder überhaupt durch eine Verletzung, oder, und zwar am häufigsten bei von Hunden Gebissenen, durch Mißhandlung der Bißwunde (durch Aetzen, Ausbrennen, Ausschneiden) entsteht. Als Beweise führt Lorinser an: „daß sich durch die Section Starrkrampf nie von Hydrophobie unterscheiden lasse und daß von vielen Hunderten, die von tollen Hunden gebissen worden waren, nur äußerst Wenige und zwar Behandelte an der sogen. Hydrophobie erkrankten.“ Prof. Faike erzählt: „Von einem tollen Fleischerhunde wurden zwölf Schweine gebissen; aber nur eines derselben wurde nach den Regeln der Kunst (lege artis) mit Aetzkali und Spanischfliegen-Salbe behandelt. Dieses einzige Schwein verfiel nach vierzehn Tagen in die sogen. Tollwuth, die übrigen, welche sich einer Kunsthülfe nicht zu erfreuen hatten, blieben gesund. – Bei einem jungen Manne, der vor einigen Monaten von einem Hunde gebissen worden war, brachen die Symptome der Hydrophobie aus und bei der Section fanden sich zufällig als Ursache des Starrkrampfes in einer frischen Narbe an der Fußsohle mehrere scharfkantige Glassplitter, welche die Nerven verletzt hatten. Wären sie nicht gefunden worden, so mußte dieser Wundstarrkrampf Hydrophobie gewesen sein.“ – – Für die Lorinser’sche Behauptung spricht auch, daß es eine Unmasse von Geheimmitteln giebt, welche den Ausbruch der Wasserscheu bei von tollen Hunden Gebissenen verhütet haben sollen und daß manch abergläubischer Hokuspokus existirt, der vor diesem Ausbruche schützen soll. Es spricht ferner dafür, daß alle andern thierischen Gifte (das Schlangen-, Rotz-, Leichengift) bald nach ihrer Einwirkung auf den menschlichen Körper auffallende Reactions-Erscheinungen (Lymphgefäßentzündung, Schwellung und Entzündung der benachbarten Lymphdrüsen) erzeugen, während nach dem Bisse eines Hundes, und wenn er selbst für wüthend erklärt worden wäre, in der Regel keine andern Erscheinungen, als die bei gewöhnlichen Wunden sich einzustellen pflegen.

Die Heilung dieser Hundsbisse pflegt so rasch zu erfolgen, daß man große Mühe hat, die Eiterung durch eine gewisse Zeit mittels reizender und ätzender Substanzen zu unterhalten. Ganz unwahrscheinlich ist es übrigens auch, daß sich der Giftstoff sogar Monate und Jahre lang wirkungslos im Körper aufgehalten haben sollte, ehe er den Ausbruch der Krankheit veranlaßte. Daß man solche Fälle, wo vor langer Zeit Gebissene noch wasserscheu wurden, anführen kann, liegt darin, weil es eine große Anzahl Menschen giebt, die einst gebissen und gekratzt oder beleckt worden sind von Hunden, über deren Gesundheitsverhältnisse in späterer Zeit keine verläßlichen Angaben erhoben werden können. Wenn nun solche Personen zufällig einmal von heftigen Convulsionen oder aus irgend einer Ursache vom Starrkrampf befallen werden und ihrem Arzte endlich das Geständniß machen, daß sie einmal von einem Hunde gebissen worden sind, so ist die Wasserscheu fertig.

Nach dem Gesagten würde man also die Bißwunden, sie mögen von wüthenden oder nicht wüthenden Hunden herrühren, wie jede andere Wunde milde behandeln und nicht durch fortwährendes Aetzen mißhandeln müssen. Was soll übrigens auch dieses Aetzen in der späteren Zeit? es könnte ja nur nützen, wenn es sofort nach dem Bisse angewendet würde, um das Gift zu zerstören und seine Aufsaugung zu verhindern. Das Aussaugen der Wunde reicht zu letzterem Zwecke und zur Beruhigung des Gebissenen vollkommen hin. – Die Maßregeln, welche gegen die Hunde zu treffen sind, bestehen nur darin: daß man bissige Hunde nicht frei herum laufen läßt, sondern an die Kette legt, und daß man Hunde, welche krank und dadurch bissig geworden sind, abgesondert verwahrt und von einem Thierarzte behandeln läßt. Das Abfangen der Hunde durch Abdecker-Knechte liegt zwar im Interesse des Abdeckers, aber nicht im Interesse des Publicums. Dieses Abfangen soll nämlich den Zweck haben, die Zahl der herrenlosen Hunde zu vermindern; selbstverständlich sollte man dann zur Nachtzeit die meisten herrenlosen Hunde auf der Gasse antreffen, allein nur äußerst selten wird da einer getroffen. Aber zugegeben, es gäbe in einer Stadt sehr viele herrenlose Hunde, so wäre das Abfangen derselben deshalb nicht gerechtfertigt, weil bekanntlich die herrenlosen, im Freien lebenden Hunde weit weniger zu Krankheiten und insbesondere weit weniger zur Hundswuth disponirt sind, als die Zimmer- und Kettenhunde. In den Städten des Orients (besonders in Constantinopel) giebt es schaarenweise herrenlose Hunde und gerade dort ist die Hundswuth unbekannt.

Das Tragen der Maulkörbe wird von Gernet als schädlich für die Hunde erklärt; aber abgesehen davon, so schützen die Maulkörbe in der Regel nur vor dem Bisse solcher Hunde, welche nicht zu beißen pflegen; wüthende Hunde hingegen, welche die erste beste Gelegenheit ersehen, um ins Freie zu gelangen, werden sich wohl schwerlich vor ihrer Flucht um Anlegung des Maulkorbes melden. Da übrigens die zu Hause gehaltenen Hunde keine Maulkörbe tragen, so sind die Bewohner oder Besucher des Hauses, in welchem sich ein solcher Hund aufhält, vor seinen Bissen nicht geschützt. Auch das Führen der Hunde an der Leine ist nicht im Stande, die Menschen vor dem Bisse zu bewahren; vor wenig Wochen ereignete sich der Fall, daß ein wuthverdächtiger Hund an der Leine oder vielmehr an einem Taschentuche in’s Thierspital gebracht werden sollte, und in der nächsten Gasse schon hatte er drei Personen, und unter diesen auch seinen eigenen Führer gebissen.

Künftighin wird man wohl auch weniger drakonische Maßregeln gegen die Hunde in Anwendung bringen dürfen, wenn nur erst die Furcht vor der Hundswuth verschwunden sein wird.


Der Wächter am See. Wohl allen unsern Lesern wird noch erinnerlich sein, welches Schlagwort das sogenannte Festungsviereck in dem letzten italienischen Freiheitskampfe gewesen ist und was für eine Bedeutung dasselbe in der That in Anspruch zu nehmen hat, wenn es sich für Oesterreich um den Besitz Venetiens handelt, – wie es also vielleicht in nicht allzuferner Zeit von Neuem die Blicke Europas auf sich gerichtet sehen wird.

Ein Glied dieses vielgenannten Festungsvierecks, das außerdem aus den Werken von Verona, Mantua und Legnano besteht und das Terrain zwischen den Flüssen Etsch und Mincio beherrscht, ist das am Südende des wunderbar schönen Gardasees sich erhebende Peschiera, das unsere heutige nach einer geistreichen Originalskizze ausgeführte Illustration vor Augen bringt. Das Bild, welches – unsers Wissens – überhaupt das einzige ist, das bis jetzt von der interessanten Localität in die Oeffentlichkeit gekommen ist, vermag indeß nur eine schwache Vorstellung zu verleihen von den paradiesischen Umgebungen, mit denen der herrliche See am mittäglichen Fuße der Alpen begnadet ist. Bewundernd schweift der Blick von Ufer zu Ufer und ruht entzückt auf dem wasserumspülten Riva mit seinen Citronenterrassen, auf den himmelhohen Felsen, die sich gen Westen steil in die Fluth senken, auf dem Vorgebirge von San Vigilio, über dessen vom mächtigen Monte Baldo geschützte Hügel sich der üppigste Fruchtsegen ausgießt, auf allen den weißblinkenden Häusern, die mit dem Azur des Wasserbeckens einen so malerischen Contrast bilden.

Nehmen wir jetzt die Karte zu Hand; sie zeigt uns die strategische Wichtigkeit, welche die natürliche Lage dem Platze verleiht: trotzdem waren bis zum Jahre 1859 die eigentlichen Fortificationen Peschieras von mannigfach fehlerhafter Construction. Seitdem es aber zur Grenzfestung gegen das Königreich Italien geworden ist, hat sich die österreichische Regierung veranlaßt gesehen, die früher kleine Festung so umzubauen, zu erweitern und zu verstärken, daß sie jetzt ein Platz ersten Ranges genannt werden darf. Aus mehreren mit bastionirten Wällen von starkem Profil umgebenen Forts bestehend, an welche sich ein gleichfalls mit Citadellen, Redouten, Wall und Graben verschanztes Lager anschließt, das vierzigtausend Mann Soldaten fassen kann, dient sie zugleich zum Arsenal für die kleine Flotte, welche das Seegelände beschützen soll.

Wer nicht Militair ist von unsern Lesern, für den wird jedoch die kriegerische Bedeutung des Platzes kaum eine Anziehungskraft besitzen neben der unerschöpflichen Fülle von Naturschönheit, welche auf Schritt und Tritt mit neuem Zauber fesselt.


Kleiner Briefkasten.

A. G. in Str.0 Sie haben jetzt am Längsten gewartet. Schon unsere nächste Nummer wird Ihnen den versprochenen Aufsatz von Schulze-Delitzsch, „Die nationale Bedeutung der Genossenschaft“, bringen. Die Red.     



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig – Verlag von Ernst Keil. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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