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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

No. 14. 1865.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Der bairische Hiesel.
Volkserzählung aus Baiern.
Von Herman Schmid.

„Du bist ein gut’s Mädel,“ sagte der Alte mit freundlichem Nicken, „Du weißt allemal und überall Rath und hast mir noch keine böse Viertelstund’ gemacht in Deinem Leben … Ja, wenn der Bub’ nur ein Aderl hätt’ von Dir!“

Die Stimme versagte ihm vor kummervoller Erregung; das Mädchen schob rasch und wie unwillig das Spinnrad von sich und trat näher. „Da weinst’ schon wieder!“ rief sie. „Und weißt doch, daß das Gift ist für Deine kranken Augen! Der Bub’ ist all’ die bittern Zähren nit werth!“

„Ich wein’ auch nicht,“ sagte der Alte, wie sich entschuldigend. „Es sind nur meine kranken Augen, die so übergehn! … Wenn das so fortgeht, kann ich bald gar nicht mehr schnitzen!“

„So gieb’s auf, Vater … vergönn’ Dir ein bissel Ruh …“

„Ich werd’s wohl ohnedem aufgeben müssen,“ fuhr er traurig fort. „Du weißt, Mirl, daß ich das Schnitzen nicht ordentlich gelernt hab’ – ich hab’s nur meinem Vater so nebenbei abgeschaut – es giebt Andre, die’s viel besser können – der Betermacher von Friedberg hat mir’s schon das letzte Mal gesagt, daß meine Kreuzeln nicht so schön sind, wie sie’s anderswo schnitzen, in Berchtelsgaden und im Ammergau, er will mir keine mehr abkaufen, wenn ich’s nicht auch so schön machen kann … und das … das werd’ ich wohl nimmer zuweg’ bringen.“

„Hast es auch nit Noth, Vater! Geh’ hinaus zum Hüten, so lang’s Dich noch freut und so lang’ Du’s machen kannst, die freie Luft wird Dir wohl thun, aber Deine Augen laß einmal rasten. So lang’ ich einen Finger rühren kann, soll Dir nichts abgehn!“

„Ja, ja, Mirl,“ erwiderte der Alte bewegt, „bist eine gute Tochter, die ihren Vater in Ehren hat … soll Dir auch gut gehn Dein Leben lang! Hab’ mir Alles freilich anders vorgestellt!“ fuhr er fort, indem er sich zurücklehnte und die Hände im Schooß faltete, „aber es ist vielleicht besser, daß es so hat kommen müssen. Das Gütl ist zwar gar klein, aber für ein paar arbeitende Leut’ langt’s doch aus, sollst Dir um einen braven Mann umschauen, kannst das Hausel jede Stund’ haben von mir …“

„Ich krieg’ keinen …“ erwiderte sie kurz und scharf.

„B’hüt’s Gott, das glaub’ ich nicht!“ rief er entgegen. „Du bist brav und fleißig und hast ein gutes Gesicht … es ist mir allemal, als wenn mich Deine Mutter aus Deinen Augen anschauen thät! Warum sollst Du keinen Mann kriegen … und gar so schlecht und gering ist das Gütl doch auch nicht!“

„Ich krieg’ doch keinen …“ sagte sie wie zuvor.

„Aber warum denn?“

„Du wirst es nit gern hören, Vater – aber wenn Du’s durchaus wissen willst, kann ich Dir’s wohl sagen! Es mag Keiner einheirathen beim Brentau’, weil Keiner seinen Schwager im Zuchthaus haben will!“

Der alle Klostermair erwiderte nichts; er preßte nur wieder die Hände vor die Augen, als ob sie ihn stärker schmerzten, die Tochter hatte sich wieder zu ihrer Arbeit gesetzt und brachte das Rad mit einem unwilligen Anstoß in Schwung.

Von Beiden unbeachtet war ein Mann eingetreten und stand zuhörend auf der Schwelle der offen stehenden Thür: hinter ihm funkelten die Augen eines riesigen Hundes.

„Wenn das Dein einziger Schmerz ist, Schwester,“ sagte er finster, „so wirst bald davon curirt sein!“

„Jesus, Maria,“ schrie sie zusammenschreckend aus, „was ist denn das für eine Spitzbubenart, die Leute so zu erschrecken! Das Haus ist doch zu, wie kommst Du herein?“

Der Mann trat in die Stube und legte Hut und Gewehr auf die Bank. „Ich werde doch in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, einen Weg finden, der nicht durch die Thür geht!“ rief er lachend und schritt auf den Alten zu. Dieser hatte sich ebenfalls im Schrecken rasch aufgerichtet; aber die Bewegung, mit welcher er beide Hände wie zur Umarmung gegen den Ankommenden erhob, glich einer Bewegung der Freude, fast wie ein Tropfen Wasser dem andern gleicht. Er brachte nichts hervor, als: „Hiesel … Du bist wieder da?“

„Ich bin’s, Vater,“ erwiderte dieser, „sie haben mich wieder losgelassen. Weiß selbst nicht, was ich nun thun will und wohin ich geh’ – aber nach Kissing komm’ ich wohl so bald nicht wieder; drum hab’ ich da, wo ich doch einmal daheim bin, nicht vorbeigehn wollen und will ,B’hüt’ Gott’ sagen.“

Der Vater hatte sich wieder gesetzt, es war, als ob das Unerwartete ihn des letzten Restes von Kraft beraubt habe. „Also willst wieder fort?“ sagte er traurig. „Du kommst erst von dem Ort, den ich nicht nennen mag, und gehst schon wieder den alten Weg!“

„Das siehst, Vater,“ schaltete die Schwester mit einem bösen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_209.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2022)