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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

hebt und senkt sich, Phantasie und Verstand arbeiten unablässig. Außerdem muß unser Körper nicht blos zur Arbeit seiner Organe, sondern auch noch zu seinem eigenen Bestehen fortwährend Wärme (etwa + 30°R) entwickeln. Und alle diese durch chemische Processe erzeugte Wärme wird stets auf ziemlich gleicher Höhe erhalten. Die Veränderungen, welche unsere Gewebe dabei erleiden, zehren aber sie selbst auf; deshalb also muß, wenn wir mit unserm Körper nicht bankerott werden wollen, ein immerwährender Ersatz des Verlorengegangenen stattfinden, und das ist der Zweck der Ernährung. Durch die Nahrung ersetzen wir, was unser Körper verbraucht, und die Nahrung muß natürlich dieselben oder doch ganz ähnliche Stoffe enthalten, als die sind, welche unser Körper verliert; sie muß aber auch Wärme zu erzeugen vermögen.

Zuvörderst sind jedenfalls solche Nahrungsstoffe erforderlich, welche die durch Arbeit abgenutzte Maschine unseres Körpers (besonders also die Apparate, welche zur Aeußerung der lebendigen Kraft dienen, wie Muskeln, Nerven, Gehirn) wieder repariren können, und diese Stoffe sind, neben etwas Fett und Salzen, hauptsächlich die sogenannten Eiweißsubstanzen, so genannt weil sie dem Eiweiße der Eier sehr ähnlich sind; sie heißen auch stickstoffhaltige Nahrungsstoffe. Zur Wärmebildung und also auch zur Kraftentwickelung können sie nur sehr wenig beitragen, weshalb der Mensch beim alleinigen Genusse von Fleisch stets an Körpergewicht abnimmt und endlich zu Grunde geht; diese Gewichtsabnahme findet sogar bei der Aufnahme von vier Pfund Fleisch, wovon neun Zehntel wirklich verdaut werden, noch statt. – Um nun die vorzugsweise aus Eiweißstoffen aufgebaute Maschine unseres Körpers auch in Thätigkeit zu setzen wie eine Dampfmaschine durch den Dampf, ist die Entwickelung von einer ziemlich großen Portion von Wärme nöthig, und darum müssen wir auch eine nicht geringe Menge von Stoffen zu uns nehmen, die Wärme zu entwickeln im Stande sind. Man nennt sie Heizungsstoffe, sie sind stickstofflose Körper und zu ihnen gehören: die Fette, die Zuckerarten und das Stärkemehl (welches letztere bei der Verdauung in Zucker umgewandelt wird). – Der erwachsene Mann braucht täglich etwa ein Pfund Fleisch oder überhaupt Eiweißsubstanz zum Ersatze des verloren gegangenen Körpermaterials, und ebenso ist auch ein Pfund Fett und Zucker oder Stärkemehl täglich zur Erzeugung der gehörigen Wärme nöthig. Die Zuführung dieser stickstoffhaltigen und stickstofflosen Substanzen in der gehörigen Menge ist die Grundbedingung der Ernährung unseres Körpers und sonach zum Bestehen des Lebens durchaus erforderlich (s. Gartenlaube 1853, Nr. 39).

Was nun den Nahrungswerth der einzelnen Nahrungsmittel betrifft, so ist das Fleisch (s. Gartenlaube 1854, Nr. 21) stets mit fettigen, mehligen oder zuckerigen Stoffen zu versetzen, da bloßes fettloses Fleisch zur Kraft- und Wärmeentwickelung unzureichend ist. – Das Brod steht in seinem Nährwerthe dem Fleisch ziemlich nahe; man kann annehmen, daß drei Pfund Schwarzbrod etwa so viel Eiweißsubstanz (Kleber) enthalten, wie ein Pfund Fleisch, neben 1¾ Pfund Stärkemehl und unverdaulicher Pflanzenfaser. Je weißer das Brod ist, desto ärmer an Eiweißsubstanz ist es. Als Heizungsmaterial wirkt beim Brodgenusse das Stärkemehl, welches dem Fette am Fleische entspricht. – Dem Fleische noch ähnlicher, nämlich in Bezug auf den Gehalt an Eiweißsubstanz, sind die Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Erbsen); sie enthalten fast genau so viel von derselben als das Fleisch selbst, außerdem aber etwa 2/5 Stärkemehl und 3/10 (unverdauliche) Pflanzenfaser. – Die Kartoffeln sind sehr arm an Eiweißsubstanz, und sodann wird von derselben auch noch, wegen ihrer Umhüllung mit Pflanzenhäuten, nur sehr wenig verdaut. Auf einen Theil Eiweißsubstanz kommen etwa drei bis vier Theile Stärkemehl und unverdauliche Pflanzenfaser. Die übrigen aus dem Pflanzenreiche stammenden Nahrungsmittel besitzen nur einen äußerst geringen Nahrungswerth und sind außerdem auch noch, weil ihr Nahrungsstoff in Zellhäute eingeschlossen ist, sehr schwer verdaulich. Die grünen Gemüse werden nur zum allerkleinsten Theile verdaut und können nur als Magenfüllsel betrachtet werden. Allenfalls ist den Wurzeln (Möhren, Rüben) wegen ihres Gehaltes an Zucker noch einiger Nahrungswerth zuzuschreiben. – Das vorzüglichste aller Nahrungsmittel ist die Milch (s. Gartenlaube 1854, Nr. 12[WS 1]), weil sie alle zu unserer Ernährung und Wärmebildung nöthigen chemischen Stoffe und zwar in einem ganz richtigen Verhältnisse enthält. Kinder dürfen in ihrem ersten Lebensjahre nur mit Milch ernährt werden. Auch der Erwachsene könnte von Milch allein leben; zwei Pfund gute, nicht abgerahmte Milch enthalten so viel Eiweißsubstanz als ein Viertel Pfund Fleisch und außerdem ein Fünftel Pfund Fett (Butter) und Zucker. – Der Milch als ausgezeichnetes Nahrungsmittel an die Seite zu stellen sind die Eier (s. Gartenlaube 1854, Nr. 28), welche auch, zumal in weichem Zustande, sehr leicht verdaulich sind. Das Weiße des Eies ist Eiweißstoff, das Gelbe dagegen enthält sehr viel Fett. – Die Fleischbrühe (s. Gartenlaube 1854, Nr. 21) steht mit Unrecht in hohem Rufe als Nahrungsmittel und dürfte nur in ganz concentrirter Form (Kraftbrühe) bei schwachem Magen zur Ernährung taugen. – Vom Biere, welches man recht oft als kräftigendes Nahrungsmittel rühmen hört, berichtet Liebig, daß ein Glas davon nicht so viel Nahrungssubstanz enthalte, als eine Messerspitze Mehl. Es kann also nur den einfachen Wärmematerialien zugerechnet werden.

Wie sind also die Fragen: „Warum und Was müssen wir essen“ zu beantworten? Wir müssen deshalb essen, zuvörderst weil sich die fortwährend arbeitende Maschine unseres Körpers auch immerfort durch die Arbeit abnutzt und also, wenn sie im Gange bleiben soll, fortwährend zu repariren ist; sodann aber auch deshalb, um diese Maschine, und zwar durch Wärme, zum Arbeiten anzutreiben. Hieraus folgt also, daß wir einestheils solche Stoffe genießen müssen, welche unsern Körper aufzubauen vermögen, und das sind die Eiweißsubstanzen mit ihren Salzen und etwas Fett, anderntheils solche Stoffe, welche die krafterzeugende Wärme zu entwickeln im Stande sind, demnach die sogenannten Heizungsstoffe (Fett, Zucker, Stärkemehl).

A.




Blätter und Blüthen.

Sie hat keine Kinder. Ein Polizeibeamter, der unserm Blatte noch mehrere interessante Skizzen aus seinen reichen Amterfahrungen zugedacht hat, schreibt uns: Zwei junge Bürgersfrauen von durchaus rechtschaffener Art, geehrt in ihren Kreisen und Jahre lang in treuester Freundschaft und liebevollster Nachbarschaft mit einander lebend, wurden mir zugeführt; sie hatten sich auf offener Straße heftig gezankt, geschimpft, geprügelt. Rasch vernahm ich die nächsten Zeugen, dann ließ ich die Frauen allein zu mir eintreten, und während ich ihnen Zeit gab, sich in ihrer großen Aufregung, Scham und Verlegenheit etwas zu beruhigen, auch ihre zerzausten Kleider wieder in Ordnung zu bringen, hatte ich Gelegenheit, sie zu beobachten. Die junge Frau des Tischlermeisters Mäder war eine kleine, pralle Frau mit lebhaft funkelnden braunen Augen, kleinem, vorwitzigem Näschen, rosarothem Munde mit schneeweißen Zähnen und mit rundem, gesundem Gesichte. Trotz des jetzt derangirten Anzugs sah man, daß sie sonst adrett und proper gekleidet war und darauf etwas hielt, und ich entsann mich jetzt auch, daß sie mir oft den Eindruck einer netten, sanguinisch gutmüthigen, lebhaft umherquirlenden Frau gemacht hatte.

Die Frau des Tuchmachers Saalmann war ganz anders: hoch und stark an Gestalt, das Gesicht lang, knochig und farblos. Die Augen groß und graublau, die Nase stark und fest, der Mund breit und geschlossen. Der Anzug zwar auch sauber und ordentlich, doch nicht zeigend, daß sie besonders viel darauf hielte, und schon mehr die arbeitsame Hausfrau und oft bedrängte Mutter verrathend. Auch ihrer entsann ich mich jetzt recht wohl: sie hatte für mich stets etwas ruhig Geschlossenes, schweigsam Festes und doch auch noch ein gewisses Etwas gehabt, was mir jene tiefinnere Leidenschaftlichkeit andeutete, die man häufig bei so zugeknöpften Naturen antrifft und die gerade bei ihnen oft um so gefährlicher werden kann. Die Leute sich zunächst gehörig aussprechen, auch wohl austoben zu lassen, ohne viel zu fragen und zu hemmen, das war mein Erfahrungsgrundsatz. Ich wendete ihn auch hier an. Die scheinbar am meisten gravirte Frau Saalmann ließ ich zuerst sprechen. Sie hatte ihrer Gegnerin den ersten Schlag versetzt. Sie war indessen kurz angebunden und stand schon wieder ziemlich fest und ruhig vor mir, wenn es auch innen noch sichtbar brannte und ihre Augen mit dem Ausdruck des Hasses auf die Feindin gerichtet waren.

„Haben Sie wirklich die Frau Mäder zuerst geschlagen?“ fragte ich.

Sie antwortete mit trotziger Ruhe: „Ja, und das mußte ich thun, denn sie hat mein Kind gerupft und gestoßen.“

„Ist das wahr, Frau Mäder?“

Frau Mäder hatte schon unruhig darauf gewartet, ihrer Zunge freien Lauf lassen zu können; sie hatte schon mit den kleinen Füßchen gewippt, die kleinen, runden, fetten Händchen ineinandergeschlagen und aneinandergerieben und mit dem drallen Leibe hin- und hergequirlt. Jetzt fiel sie rasch ein: „Ja, Herr Amtmann! Ich hab’s gethan. Ja, aber ich konnt’ nicht anders, ich mußt’ es thun, es ging mir zu sehr gegen das Gemüth und gegen die Ehr’ und gegen Alles.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1854, Nr. 11
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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_207.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)