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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Sie warf ihm einen raschen Blick zu, aus welchem etwas von ihrer frühern Munterkeit aufleuchtete. „So geschwind,“ setzte sie hinzu, „schießen bei mir daheim die Jäger nicht!“

„Ich bin aber gar ein besonderer Jäger und hab’ meine besondere Weis.“ sagte er. „Drum möcht’ ich gar zu gern wissen, wo die Jungfer daheim ist und wie sie heißt?“

„Der Herr wird’s doch nit kennen, wenn ich’s auch sag’ … es ist ein gar kleines Dörfel … drüben an der Paar, nit weit von Friedberg – heißt Kissing …“

„Kissing?“ rief der Jäger in plötzlicher Bewegung, die er nicht zu bemeistern vermochte; er hatte Mühe, als sie ihn verwundert ansah, gelassen fortzufahren: „Ei, das ist wohl ein kleines, aber ein gar liebes und freundliches Oertel! Das kenn’ ich gut!“

„Ist das wahr?“ rief sie mit unverhehlter kindlicher Freude. „Der Herr kennt unser Dörfel und es gefallt Ihm da?“

„… Ich bin dort gewesen … einigemal, als Bub!“ sagte er zögernd, „bin lang fort, aber es ist mir doch fest in der Erinnerung geblieben!“

„Da ist’s dem Herrn gegangen, wie mir,“ erwiderte das Mädchen zutraulicher. „Ich bin in Kissing daheim, aber ich hab’ auch schon früh, wie ich noch ein kleines Mädel war, fortgemußt – zu einer Bas, die ein großes Gut hat, gegen Friedberg hin – ich bin wenig mehr heimgekommen und hab’s doch nit vergessen!“

„Und das Haus, wo die Jungfer daheim ist?“ fragte der Jäger. „Will sie mir das nicht sagen und ihren Namen dazu?“

„Der Herr wird’s kaum wissen … ich bin auf dem Baumüllergut daheim … mein Nam’ ist Monika!“

„Ich bin … wie ich der Jungfer schon gesagt … wenig bekannt, aber den Baumüller-Hof weiß ich recht gut. Das Haus liegt gar schön in einem kleinen Grasanger und nicht weit davon fließt die Paar nach der Mühl’ hinunter und wo sie einbiegt, da ist eine Tiefe, mit Erlenstöcken besetzt und mit Hainbuchen …“

„Ja, ja!“ rief sie freudig, „als wenn ich’s leibhaftig vor mir sähe! Und der Eierberg schaut drüber herein mit seinen Haselstauden und durch’s Dorf hinauf geht’s an der Paar hin, auf die große Wiese … weiß der Herr, nit weit von dem kleinen Häus’l, wo der Brentan wohnt, der Herrgottmacher?“

„Weiß die Jungfer dies Haus auch?“ fragte der Jäger mit eigenthümlichem Tone.

„Gewiß … bin manchesmal hinein gekommen und hab’ dem alten Klostermair zugeschaut, wenn er seine Kreuzeln und Herrgott geschnitzelt hat … und dann, welche Kissingerin sollt’ das Haus nit kennen, ist es doch die Heimath vom bairischen Hiesel …“

„So kennt Sie wohl den bairischen Hiesel auch?“

„Als Buben hab’ ich ihn wohl gekennt und bin oft mit ihm in’s Nußbrocken gegangen am Eierberg und zum Krebsfangen unter den Erlstöcken an der Paar … dann bin ich fort ’kommen und hab’ ihn nit wieder gesehen – aber ich hab’ oft an ihn denken müssen, wenn Alles von ihm erzählt hat, und …“

Sie hielt inne; ein Anflug von Rührung hinderte sie, weiter zu sprechen.

„Und …?“ fragte der Jäger leise und faßte ihre Hand.

„Und hab’ daran denken müssen, was er für ein lieber, herzensguter Bub’ gewesen ist … und daß er so ein armer, verfolgter Mensch worden ist … Aber was geht das den Herrn an!“ brach sie ab und trocknete die Augen mit der Schürze. „Es freut mich recht, daß ich den Herrn kennen gelernt hab’, weil er mein’ Dörfel so gut kennt und es auch gern hat… Bei wem ist denn Er gewesen in Kissing?“

„Ich? … Ich bin auch viel aus- und eingegangen bei dem Brentan, dem alten Bildschnitzer, aber die meiste Zeit war ich bei dem Jäger, dem Wörschinger … Ob er wohl noch lebt, der alte Lienhard?“

„Gewiß weiß ich’s nicht, Herr … mir ist fast, als wenn ich gehört hätt’, es sollt’ ein neuer Jäger hinkommen – also wird der alte Lienhard wohl todt sein!“

„Gott tröst’ ihn … er war ein braver Mann! Aber das Jägerhaus … das liegt gar schön und sieht gar stattlich aus, Jungfer … möcht’ Sie nicht da drinnen wohnen und wirthschaften als Jägerin?“

Das Mädchen sah erglühend zu Boden. „Es wird wohl Zeit sein, daß ich wieder hineingeh’,“ stammelte sie verwirrt.

„Geb’ Sie mir doch erst Antwort, Jungfer Monika …“ drängte der Fremde. „Wenn ich nun ein solches Plätzchen und ein solches Häus’l wüßte und wäre der Jäger und käme zu Ihr und fragte, ob Sie meine Jägerin werden möchte?“

So fest er ihre Hand gefaßt hielt, entschlüpfte sie ihm doch ohne Antwort und huschte in die Tanzstube zurück; der Mann aber saß noch lang und starrte in den sonnenrothen Abendhimmel hinaus.

Inzwischen waren auch die Jäger mit leeren Händen von ihrer Streife zurückgekommen und dachten, Aerger und Unwillen im Wirthshause über dem Hochzeitsjubel sich aus dem Sinn zu schlagen. In dem obern Stock angekommen, war ihnen der fremde Jäger im Gespräch mit der Kranzjungfer um so weniger entgangen, als Keiner von ihnen sich wohl je einer ähnlichen Gunst zu erfreuen gehabt. Die Frage nach dem Fremden flog hin und wider; niemand kannte ihn, niemand wußte, woher er gekommen und in welches Herrn Diensten er stehen mochte. Sie nahmen sich vor, das auszuforschen, und ein langer schwarzbärtiger Mann, ein Wildhüter, strich sich den Schnurrbart und rief: „Laßt nur mich machen, Cameraden! Den wollen wir bald heraus haben, wie den Dachs aus dem Bau; denkt, der schwarze Wurzer hat’s Euch gesagt!“ Die Gelegenheit dazu ergab sich bald, denn einer der angesehensten Hochzeitsgäste, der den weitesten Heimweg hatte, brach auf und sollte nach unverbrüchlicher Sitte hinausgeblasen oder „heimgegeigt“ werden. Die Musikanten voran ging es über die Stiege hinab, zum Hause hinaus, bis an den Wagen des Scheidenden, welchem auch Braut und Bräutigam das Geleit gaben bis an die Hausthür. Alles drängte juchzend, schreiend und singend nach, auch die Jäger und der Fremde traten wieder auf die Terrasse. Die Jäger lehnten vorsichtig ihre Gewehre in einer Tischecke übereinander.

Die Sonne ging eben unter; der letzte Lichtblitz flog über die dämmernde Landschaft.

„Ei sieh einmal,“ rief jetzt der Wildhüter dem Fremden zu, „der Herr scheint auch ein Jäger zu sein … da wären wir ja Cameraden!“

„Ein Jäger bin ich,“ antwortete der Fremde kurz, „aber mit der Cameradschaft wird’s nicht weit her sein!“

„Ei warum das! Der Herr muß sich eben durch ein paar Waidsprüche ausweisen, daß er ein Jäger ist. Sag’ Er mir einmal, was ist das für ein Thier, das mit zwei Löffeln frißt?“

„Fopp’ Er sich selber oder wen Er sonst will,“ antwortete der Fremde und wendete sich unmuthig ab. „Ich hab’ Ihn auch noch nicht gefragt, wer Er ist!“

„Ei, das sieht man Unser Einem wohl über’s Gewand an!“ lachte der Waldhüter. „Aber eben darum hat man ein Recht, Jeden zu fragen, der einen solchen Rock am Leib’ hat, ob er ihm auch gebührt … man hat also ein Recht, nach der Kundschaft zu fragen.“

„Fragen kann Er immerhin, aber zu sehen kriegt Er nichts!“

„Mit dem Burschen ist’s nicht richtig!“ flüsterte der Wildhüter seinen Gefährten zu. „Denkt, der schwarze Wurzer hat’s gesagt! …“ Und wieder zu dem Fremden gewendet fuhr er spöttisch fort: „Und nicht einmal ein Gewehr hat der Camerad?“

„Das kommt nach,“ erwiderte dieser ebenso, „ich laß’ mir’s aus München nachschicken, wo ich in Diensten war …“

„So? Bei wem denn?“

„Bei … dem Baron Peterl!“

„Die Herrschaft hab’ ich noch nie nennen hören. Hat der Baron Peterl denn eine große Jagd, daß Er das Schießen nicht verlernt hat bei ihm?“

„Das will ich meinen,“ sagte der Fremde ungeduldig, stand auf und hielt im Augenblick den Stutzen des Waldhüters in der Hand, den dieser zwischen die Kniee gestellt hatte. „Mit Verlaub,“ sagte er dann kaltblütig. „Die Kundschaft kriegt Er von mir nicht zu sehen, aber daß ich ein Schütz’ bin, will ich dem Herrn zeigen … Sieht Er den Raben, der dort über den Acker hinstreicht? … Den will ich herunterholen und ihm den Kopf wegputzen …“ Im Augenblick krachte auch schon der Schuß, der Vogel drehte sich, Federn stäubten um ihn; ein Bursche rannte hinaus, ihn zu holen … „Das weiß der Teufel, wie das zugeht,“ sagte er, ihn herumzeigend, „der Kopf ist wurzweg abgeschossen!“ Der Wildhüter saß wie verdutzt und drehte das rauchende Gewehr in der Hand, als ob er sich überzeugen wolle, daß

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