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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

heraus, dessen breite Klinge er lüftete, um sich zu überzeugen, daß sie nicht eingerostet war. Beide Waffen steckte er dann in die nach südländischer Sitte unter der Schnalle seiner Beinkleider verborgen angebrachten Taschen, schob den Koffer an seinen Platz zurück und schwang sich vermittelst einer tief herunterragenden Baumwurzel an das Land. Behutsam näherte er sich dem Feuer und nahm auf einem abgestorbenen Baumstamme Platz, von wo er auf den ruhig fortschlummernden Werner die Blicke eines Raubthiers warf, das eben im Begriff ist, auf seine Beute zu springen.

Seinen Revolver hervorziehend, untersuchte er genau, ob auch die Zündhütchen fest auf ihrem Piston säßen, und richtete dann mechanisch die Mündung der Waffe nach dem Kopfe des Schlafenden.

„Nicht doch,“ sagte er in leisem Selbstgespräch, die Waffe wieder einsteckend: „weiß ich doch bis jetzt noch nicht, wo das Silber eigentlich liegt, da ich trotz aller Fragen, die ich gethan, kein klares Bild von der Realität besitze; die Bergkette, welche mir Werner gestern vom See aus zeigte, scheint eine bedeutende Ausdehnung zu haben. Da könnte ich Wochen lang suchen und am Ende doch nichts finden. Nein, da warte ich lieber, bis mich der Dutchman an Ort und Stelle bringt; dann ist es ja noch Zeit genug, ihn kalt zu machen.“

Unter solchen Betrachtungen schlief Jones ein, denn die Natur wollte auch bei ihm ihr Recht behaupten, und die Ruhe beider Männer wurde nicht eher gestört, als bis das helle Geschrei der Möven und Seeraben, welche die ausgehende Sonne begrüßten, in ihre Ohren drang. Eine Viertelstunde später, nachdem sie gefrühstückt hatten, waren sie unterwegs und drangen, weil es heller Tag war, ohne große Schwierigkeiten bis zu dem Bergrücken vor, der die Insel durchzog. Hier am Saume des Waldes wußte sich Werner ziemlich genau zu orientiren, nachdem er die oben beschriebene Schlucht gefunden hatte. Durch diese stiegen sie zum Plateau hinauf, über welches sie in westlicher Richtung fortschritten, bis der hohe, abgestorbene Baum ihnen zu Gesicht kam, dessen nächtlicher Schatten wie ein Zeiger auf die Mündung der Mine wies. Trotz des mangelnden Mondscheins war es leicht, dieselbe zu finden, denn der umsichtige Deutsche hatte sie durch drei große Steine markirt, welche in Form eines Dreiecks die Oeffnung umgaben. Nachdem sie eine Fackel angezündet und das absichtlich ausgeschüttete Geröll weggeräumt hatten, stiegen sie in die Tiefe, und der gierige Jones brach in einen Schrei des Erstaunens aus, als er die längst begehrten Schätze mit eigenen Augen sah. Sie brachen nun mit Hammer und Pickart so viel von dem edlen Gesteine los, wie die Zeit und ihre Kräfte erlaubten, und ruhten nicht eher, als bis sie vor der Mündung der Mine ein bedeutendes Quantum des reichen Erzes aufgehäuft hatten. Dieses betrachtend, sagte Werner, der von der Arbeit erschöpft sich auf dem felsigen Grunde niedergelassen hatte, zu dem Amerikaner, welcher die schwersten und werthvollsten Stücke in seinen Händen wog: „Nicht wahr, Jones, da drunten im Schachte ist genug für uns Beide, und wenn wir das Alles in blanke Dollars umgemünzt haben werden, dann tauschen wir mit keinem Wallstreet-Banquier?“

„Ei ja, wenn wir erst soweit sind, dann können wir den Teufel tanzen lassen,“ erwiderte der Yankee, indem er dem Deutschen einen falschen, lauernden Blick zuwarf. Dann fuhr er fort: „Ich sehe aus dem Stande der Sonne, daß es Zeit ist, wieder nach dem Lager zurückzukehren, wenn uns nicht die Nacht in dem unwegsamen Walde überraschen soll. Unsere Werkzeuge können wir hier lassen, von dem Silber jedoch wollen wir soviel mitschleppen, wie wir können, der Rest ist hier sicher genug.“

Werner gab seine Beistimmung und beide Männer füllten ihre Säcke mit so viel Erz, als sie möglicherweise tragen konnten, worauf sie den mühsamen Weg nach der Küste antraten. Stillschweigend schritten sie über das von den Strahlen der sinkenden Sonne beleuchtete Plateau und von da die dunkele Schlucht hinunter, Jeder unter seiner Last keuchend, bis sie den Saum des Waldes erreichten. Hier setzte sich der durch den beschwerlichen Marsch angegriffene Deutsche auf einen hingestürzten Baumstamm nieder, ließ seinen Sack auf die Erde gleiten und erklärte, einen Augenblick ausruhen zu müssen. Jones folgte seinem Beispiel und nahm, mit dem Gesichte nach der Schlucht gewandt, auf einem moosbewachsenen Felsblock Platz. So saßen sie einige Minuten, und nichts störte ihre Ruhe, als Werner, der in dem Anblick der schönen Natur vertieft war und auf das melodische Rufen eines Whippoorwill horchte, durch einen plötzlichen, unterdrückten Ausruf des Amerikaners aus seinen Träumereien gerissen wurde.

„Was ist? Sehen Sie Etwas?“ fragte der Deutsche Jones, welcher unverwandt nach einem kleinen Gebüsch blickte, das sich längs des Baches, der die tiefe Schlucht durchfloß, in einer Entfernung von ein paar hundert Schritten erstreckte.

„Verdammt will ich sein,“ flüsterte der Yankee, „wenn dort in dem Busche keine Rothhäute stecken. Schauen Sie aus, ob Sie nicht hinter dem Stamme der weißen Birke dort eine dunkle Gestalt entdecken können. Sehen Sie, es regt sich schon wieder!“

Werner, welcher anfänglich bei diesen Worten erschrocken war, faßte sich doch gleich wieder, da er keinen Zweifel hegte, daß, wenn wirklich Indianer in dem Dickicht steckten, es nur Tawanka mit seinen Leuten sein könne. Den Häuptling fürchtete er nicht, da dieser ihm, wie er dachte, höchstens Vorwürfe über seine Wortbrüchigkeit machen konnte; deshalb trat er dreist aus dem Schatten der Bäume hervor und blickte, indem er mit der Hand seine Augen vor den Strahlen der untergehenden Sonne schützte, angestrengt nach der von dem Amerikaner bezeichneten Richtung hin, obgleich er nichts Verdächtiges wahrnehmen konnte.

Diesen Moment und den Umstand, daß der arglose Deutsche ihm den Rücken zuwandte, benutzte der tückische Yankee. Den Revolver vorsichtig unter dem Rockschooße hervorziehend, schlich er sich leise heran und feuerte in rascher Reihenfolge zwei Schüsse in Werner’s Rücken, dicht unter dem linken Schulterblatt, so daß dieser, im Herzen getroffen, einen wilden Schrei ausstieß und, einen Augenblick mit den Händen in der Luft fechtend, todt zusammensank.

Mit einem teuflischen Lächeln auf den Lippen zog dann Jones sein Bowiemesser hervor und scalpirte ziemlich ungeschickt die Leiche des Mannes, der ihm eben noch blindes Vertrauen geschenkt hatte. Seine satanische List war ihm gelungen, denn von Indianern war auf der Insel keine Spur vorhanden, und der arglistige Yankee hatte jenen Ausruf nur gethan, um sein Opfer bequem von hinten zu schlachten. Jetzt wollte er auch, falls die Leiche jemals gefunden würde, um jeden Verdacht von sich abzuwenden, durch den Umstand des Scalpirens diesen auf die Rothhäute lenken, ein Stratagem, das in diesen gesetzlosen Gegenden sehr häufig von herumschweifendem Raubgesindel angewandt wird. Um ganz sicher zu gehen, schleppte der Mörder noch sein blutiges Opfer in den Wald hinein, wo er es unter einem riesigen, gestürzten Baume versteckte und alle Spuren durch aufgehäufte trockene Zweige zu vertilgen suchte. Dann kehrte er zu dem Platze, wo der Mord geschehen, zurück, belud sich außer seiner noch mit Werners Bürde und trug, da er ein außergewöhnlich starker Mann war, beide Säcke glücklich auf dem unwegsamen Pfade nach der Lagerstätte zurück, wo er das Feuer wieder anmachte und, ohne Gewissensbisse zu fühlen, von den Anstrengungen des Tages ermattet, sich dem Schlafe überließ.

Kurze Zeit nach diesem entsetzlichen Vorfalle traf Tawanka mit einigen seiner Stammgenossen in Ontonagon ein. Die Behörden von Ober-Canada, welche in der Regel den armen verfolgten Indianern gern eine Freistätte gewähren, wenn sie über überflüssige Ländereien zu disponiren haben, waren auch in diesem Falle so freundlich gewesen, den vertriebenen Odschibbewas einen Wohnsitz auf der britischen Seite des Sees einzuräumen, und der Häuptling, der einstweilen die Seinigen versorgt wußte, war jetzt auf einem großen Mackinawboote herübergekommen, um seinen deutschen Freund nach der Silberinsel zu bringen, wo dieser dann mit Hülfe der Rothhäute so viel des edlen Metalles zusammenbringen sollte, wie das Fahrzeug tragen konnte. Wie groß war aber das Erstaunen Tawanka’s, als er schon in Ontonagon von einem halbblütigen Canadier erfuhr, daß der deutsche Bergmann bereits vor einiger Zeit in Begleitung eines Yankees auf einem Dampfer nach dem Westende des Sees gefahren sei und daß man seit jener Zeit Nichts mehr über ihn vernommen habe. In Folge dieser Nachricht begab sich der Häuptling sofort nach den Toltec-Diggings, um dort bei den Beamten der Compagnie Näheres zu erfahren. Die Nachforschungen, welche er dort anstellte, ergaben auch Nichts weiter, als daß Werner seine Stellung aufgegeben habe und dann in Begleitung eines Mannes, Namens Jones, dessen Persönlichkeit man ihm beschrieb, abgereist sei, um neue Mineralländereien am Westende des Sees zu entdecken. Betrübt

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