Seite:Die Gartenlaube (1865) 164.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Instinctmäßig berührte er das glänzende Gestein, um sich zu überzeugen, ob er auch nicht träume, und erst der helle Klang, den der Schlag des Berghammers den Adern des edeln Metalls entlockte, bewies ihm, daß das, was er vor sich sah, volle Wirklichkeit war. Erst als die Fackel nahe am Verlöschen war und die Rückkehr deshalb nothwendig wurde, dachte er daran, Proben des reichen Gesteins mitzunehmen und schlug in aller Eile so viele Stücke von den Wandungen der Höhle ab, wie er tragen konnte. Tawanka half ihm anfangs dabei, dann aber, als der letzte Rest des Kienspans ihm die Hand zu versengen drohte, faßte er seinen aufgeregten Freund am Arme und zog den Widerstrebenden in den Gang hinein, durch welchen Beide ohne Unfall an die oben erwähnte Oeffnung gelangten, durch die der Mond sein mildes Licht fallen ließ. Die kühle Nachtluft that dem Deutschen wohl und es gelang ihm, seine Aufregung gewaltsam zu bemeistern. Tawanka mahnte zur Rückkehr nach dem Lager. Werner warf rasch noch einmal prüfende Blicke auf die Umgebungen, damit er, falls er ohne des Indianers Begleitung die Stelle wieder aufsuchen wolle, dieselbe auch allein wiederfinden könne. Dann belud sich der Häuptling mit dem ledernen Sacke, welcher die Silberproben enthielt, winkte dem Deutschen ihm zu folgen und schlug denselben unwegsamen Pfad nach der Küste ein, auf welchem sie gekommen waren. Zwei Stunden später langten Beide am Bivouac an, wo sie die Indianer sämmtlich schlafend antrafen, bis auf einen, der die Flamme des Feuers zu unterhalten hatte, und streckten sich ermüdet bald selbst zur Ruhe hin.

Vierzehn Tage später finden wir Werner auf seinem Bureau wieder, wo er bei verschlossenen Thüren die reichen Silbererze, welche er von jener gefahrvollen Expedition, ohne Aufsehen zu erregen, glücklich nach den Toltec-diggings gebracht hatte, einer genauern Prüfung unterwarf. Tawanka stand neben ihm und sah mit dem Ausdruck innerer Zufriedenheit, wie der deutsche Bergmann die schönen Krystalle im Lichte der untergehenden Sonne betrachtete. Er war gekommen, um Abschied zu nehmen, denn die unerbittlichen Feldmesser waren dieses Frühjahr angelangt und hatten ihm angekündigt, daß er mit seinen Stammgenossen die Jagdgründe an dem kleinen See verlassen und sich eine andere Heimath im fernen Westen suchen müsse. In Folge dieser Aufforderung, die einem Befehle gleichkam, hatten die Indianer ihre Wigwams abgebrochen und sich Canoes am Ontonagonflusse gebaut, um auf ihnen irgend einen Punkt des britischen Territoriums auf der Nordküste des Oberen Sees zu erreichen, wo sie von den Behörden Schutz und Aufnahme zu finden hofften. Nur der Häuptling war noch zurückgeblieben, um seinem deutschen Freunde gegenüber, den er allein von allen Weißen nicht haßte, sein Herz auszuschütten.

„Ihr sollt bald von uns hören,“ sagte er zu Werner beim Abschied, „und wenn wir erst in Canada unsere Wigwams aufgebaut und unsern Mais gepflanzt haben, sollen meine Leute Euch zu Diensten sein. Wir werden dann ein Lager auf der Insel aufschlagen und so viel Silbererz aus der Höhle schaffsen, als Ihr verlangt. Also bis dahin wartet und behaltet das Geheimniß für Euch, denn wenn die Yankees etwas davon wittern, so werden sie Euch, den Ausländer, eher kalt machen, als Euch die Ausbeute gönnen, denn sie sind die Kinder des Teufels.“ Dann schüttelte er seinem Freunde herzlich die dargebotene Hand, schulterte seine Büchse und verschwand bald in dem düstern Schatten der Wälder, welche die Toltec-diggings umgeben, ohne die weißen Arbeiter, die ihm begegneten, eines Blickes zu würdigen.

Werner, der sich der Erfüllung seiner Wünsche so nahe sah, dachte nunmehr an Nichts weiter, als sich die Mittel zu verschaffen, um die auf der Insel verborgenen Schätze realisiren zu können. Zwar theilte er in etwas das Mißtrauen des Indianers gegen die Yankees, aber er sah auf der andern Seite ein, daß ohne die Hülfe von tüchtigen Geschäftsmännern und Capitalisten die Silbermine nur ein todtes Gut für ihn sein würde. Als praktischem Bergmanne war es ihm klar, daß der flüchtige Beistand von ein Dutzend unerfahrenen Rothhäuten, die ohnedem zur regelmäßigen Arbeit selbst bei dem besten Willen untauglich waren, lange nicht genügen würde, um die seinen gesteigerten Wünschen entsprechenden Reichthümer an das Tageslicht zu schaffen. Seine eigenen Mittel waren viel zu beschränkt, um einen Dampfer zu unterhalten, welcher doch unumgänglich nothwendig war, um den Proviant für die Arbeiter, das Sprengpulver, die verschiedenen Maschinerien und das sonstige Material für den regelmästigen Bergbau nach der wüsten Insel von den Häfen des Sees herbeizuschleppen. Eine oberflächliche Ausbeute, obgleich eine solche ihn ebenfalls zu einem unabhängigen Manne gemacht haben würde, da das edle Metall in leicht zu lösenden Massen vorhanden war, genügte ihm nicht mehr, weil er, von dem allgemeinen Minenfieber angesteckt, nun einmal seinen Kopf daran gesetzt hatte, ein schwerreicher Mann zu werden. Deshalb fing er an, die wohlgemeinten Warnungen Tawanka’s, von seiner Entdeckung nichts verlauten zu lassen, zu vergessen, und sann nur darüber nach, auf welche Weise er sich einen gewandten und bemittelten Compagnon verschaffen könnte, um mit dessen Hülfe und Geld den größtmöglichen Ertrag aus dem Bergwerk zu erzielen und dann bald als reicher Mann nach Deutschland heimzukehren.

Als Werner sich eines Tages, nicht lange nach der Abreise Tawanka’s, in solchen lucullischen Träumen wiegte, trat plötzlich Mr. Jones in sein Bureau ein und drückte seine große Freude darüber aus, daß er schon in Ontonagon, wo er am vorigen Tage angekommen sei, so viel Rühmens von der Thätigkeit des deutschen Bergmanns gehört habe. „Ich konnte,“ sagte er, „der Versuchung, Sie hier zu besuchen, gar nicht widerstehen, da mich meine Reiseroute in Ihre unmittelbare Nähe führte. Im Auftrage einer New Yorker Compagnie bereise ich nämlich dieses Jahr die Mineralgegenden am See zum zweiten Male wieder, um wo möglich einen Minendistrict zu kaufen, der den Wünschen der Herren entspricht. Ich habe deshalb den kurzen Weg nach den Toltec-diggings nicht gescheut, um mir Ihren Rath zu holen, da ich im Voraus annehmen muß, daß die Erfahrung, welche Sie jetzt in Folge Ihrer Stellung gewonnen haben werden, Ihrem Urtheile großen Werth verleihen wird.“

(Fortsetzung folgt.)




Ein todtes Schloß.
Skizze aus Tirol. Von L. M.

„Fahren’s nit nach Amras?“ rief mich ein Lohnkutscher unter der Thür meines Innsbrucker Hotels an und schnalzte herausfordernd mit der Peitsche.

„Nach Amras? ist dort was zu sehen?“ wendete ich mich an die dicke Wirthin, welche die Hände in der Schürze auf die Gasse hinausblickte.

„Nu, was eigentlich zu sehen wär,“ erwiderte sie, „haben die Oesterreicher aus dem Landl nach Wien geschleppt und zurückgeben haben’s die Sammlung nimmer, obschon’s dazumal der Kaiser Franz versprochen hat. Aber z’ Amras hat die Philippina Welser gelebt, das Bürgermädel von Augsburg, das nachher im Bad abgestochen haben, weil sie ein bischen lutterisch gewesen sein soll und ihr Mann ein kaiserlicher Erzherzog war.“

Von Licht und Glanz umwoben schwebte das Bild der schönen Augsburgerin vor meiner Seele, all die Träume jugendlicher Romantik erwachten wieder, ich rief: „Nach Amras!“

Der Wagen sollte mich nach Tisch erwarten. Vorläufig ging ich in das Museum, wo mir ein Freund das Wichtigste zu zeigen versprochen hatte. Die Hallen desselben bargen manchen interessanten Kunst- und Naturschatz; mich fesselte vorzüglich das Portrait Philippina’s, holde, anmuthsvolle Züge, klar und fast mädchenhaft unschuldig, aus dem blauen Auge leuchtete ein keuscher Stolz, der ahnen ließ, daß sich die Tochter des Augsburger Bürgers auch dem Sohne des Kaisers nur als Gattin verloben und nicht zu frechem Spiel hingeben konnte. Ihr gegenüber hing das Bild Ferdinand’s, der dem Zorne des Vaters zu trotzen wagte und sie heimlich heimführte, wie nach ihm Erzherzog Johann mit dem Mädchen des Postmeisters von Aussee gethan. Ferdinand’s Gesicht

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_164.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)