Seite:Die Gartenlaube (1865) 157.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

zu Talmesch weit geöffnet. Mit freudigen Mienen kamen uns die guten Pfarrersleute entgegen; er, der Herr Pfarrer, ein alter Jenenser, sein Pfeifchen „Fogarascher“, der besten Siebenbürger Tabakssorte, schmauchend und so Vielen von uns, wie da wollten, die Hände drückend, sie, die Frau Pfarrerin, sogleich bereit das Beste, was Küche und Keller bargen, uns anzubieten. Nur den lebhaftesten Vorstellungen seitens der Turnerschaar, welche ja just nach alter Jahn’scher Sitte bei einfachem Mahle, in der Wanderlust und in dem Naturgenuß allein ihre Befriedigung suchte, gelang es, die Hühner vor dem Schicksale, desselbigen Abends noch als „Backhähndel“ auf dem Tische zu paradiren, zu retten und die besorgte „Frau Mutter“ zur Bereitung der einfachen Kandesspeise, des „Palukes“, eines aus

Der Rothenthurmpaß in Siebenbürgen.

Wasser und Welschkorn- (Kukurutz-) Mehl bestehenden Breis, zu veranlassen. Doch wie wir so im Genusse der herrlichen Abendluft im Garten des Pfarrhofes Turnlieder sangen, nahte sich uns noch einmal der Versucher in Gestalt von derben Mägden mit Dutzenden von Weingläsern und gestillten Maßflaschen voll köstlichen Siebenbürger Weins in den Händen, um uns zum Bruche unseres Mäßigkeitsgelübdes zu bewegen, aber auch er wurde glücklich abgeschlagen, und bald daraus lagen wir Alle auf dem bei Turnfahrten üblichen Strohlager, der Nachtruhe pflegend.

Turner satteln früh, also thaten auch wir. Als die ersten Sonnenstrahlen das Thal zum Eingange des Rothenthurmpasses erleuchteten und der erste Widerschein von dem Wasserspiegel des Zood, eines in den Alt einmündenden Flüßchens, uns traf, befanden wir uns schon aus der Höhe hinter Talmesch. Hier hielten wir, und im Anblick der herrlichen Landschaft beim Eingange in den Rothenthurmpaß versunken, angeregt durch die prächtigen Burgtrümmer der um 1350 erbauten Landskrone zur Linken, sangen wir nach der Weise „An der Saale fernem Strande“ das erst kürzlich von einem der Unsrigen gedichtete Turnlied:

„Laßt uns zu der Burgen Trümmer,
      Zu der Väter Stätten gehn,
Und auf ihrem Grabe schwören,
In der Lieder lauten Chören,
      Groß im Kampf, wie sie, zu stehn.“

Ein lauter Jubelruf erscholl uns nach Beendigung des Gesanges von der Höhe der Burg entgegen, und in demselben Augenblicke sahen wir von einem der alten Thürme unsere Vereinsfahne wehen, mit welcher einige tüchtige Turner rasch vorausgeeilt waren, um sie oben aufzupflanzen.

Wenn man, das nach dieser Richtung bin gelegene zweite walachische Grenzdorf Boitza hinter sich, dem alten, erst in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts wieder stärker befestigten Rothenthurmcastell naht, ist man einigermaßen enttäuscht. Von großartigen Befestigungen ist nichts zu sehen und nur der rothe, stärker befestigte Hauptthurm deutet auf die Absicht, einem feindlichen Heere Widerstand zu leisten. Auch hat die Neuzeit bewiesen, daß die Lage des Thurmes nicht hinreicht, den Engpaß zu sichern. Als im März 1849 Bem die Russen aus Hermannstadt und durch den Rothenthurmpaß zum Lande hinausgetrieben, vermochten diese ebensowenig sich in dem Castell einen Rückhalt zu sichern, wie einige Monate darauf die Ungarn den nun zur Vergeltung wieder auf sie andringenden Russen daselbst einen dauernden Widerstand entgegensetzen konnten. In früheren Jahrhunderten, in den Zeiten der Türkenkriege, da mochte es anders gewesen sein. Lange bevor die Türken Constantinopel erobert, schwärmten ihre verheerenden Schaaren schon aufwärts bis zur siebenbürgischen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_157.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)