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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

hier tagtäglich die erquickende Betrachtung aufstieg, daß es bald bergab gehe, wo der Milchjunge sich lustig aufsetze und der Wagen für sich laufe und sie sich einmal nach Herzenslust aufspringen könnten. Und wie freuen sie sich immer auf das wohlbekannke Ziel! Denn dort kommt dann die alte gute Frau, welche die Wursthaut für sie sammelt, und warten gewiß schon des Nachbars Kinder, die sie streicheln und ihr Butterbrod mit ihnen theilen. In so friedlichen Gedanken waren sie ihre Straße dahin getrollt, die beiden braven Karrenhunde. Und Altes war gekommen genau nach ihrer Betrachtung: der Weg bergab, der Milchjunge auf dem Wagen – da rannte das Schicksal in Gestalt eines gejagten Hasen quer über ihren Lebenspfad!

Welcher ehrliche Hund kann einen gejagten Hasen sehen, ohne ihm nachzuspringen? Diese Frage legen wir der ganzen Menschheit vor, und sie wird antworten: Keiner, es müßte denn ein fetttriefender Schoosmops sein – und der ist kein Hund mehr, sondern ein Damenmöbel, das den ganzen Tag getragen wird und die Füße nur zum Flohjucken hat. Wer nicht ein richtiges Flinkbein ist, soll sich keinen Hund nennen. Die Berechtigung der beiden Karrenzieher zu ihrem ursprünglichen Beruf ist somit dargethan; nur ungerechtes Pochen auf menschliche Satzungen ist es, welche diese Jagd mit so bedeutenden Hindernissen eine „unbefugte“ nennt.

Wer hat aber den Vorfall so eifrig belauscht und so getreu wiedergegeben? Unsere Leser werden einen so sinnigen Künstler kennen lernen wollen, und so gestatte er denn, ihn hiermit vorzustellen.

Otto Eberlein ist ein geborener Göttinger, der vor nunmehr achtunddreißig Jahren das Licht der Welt erblickte. Sein Vater war ein geschickter Landschafts- und Figurenzeichner, der besonders durch seine Illustrationen zu den naturwissenschaftlichen Werken von Blumenbach und Langenbeck bekannt geworden ist; er war auch der erste Lehrer des Sohnes, der wiederum im Jahre 1845 als Zeichenlehrer am Göttinger Gymnasium sein Nachfolger wurde. – Was des Vaters Hand an Otto Eberlein glücklich begonnen, bildete Professor Oesterley weiter aus; namentlich in der Oelmalerei.

Die Hauptschule für die Ausbildung seiner eigenthümlichen humoristischen Begabung fand er in Düsseldorf, wohin ihm, mit Unterstützung des königl. hannöverschen Ministeriums, zweimal, in den Jahren 1851 und 1853, zu längerem Aufenthalt zu reisen gestattet ward. „Die Zeit,“ – schreibt er uns – „die ich in Düsseldorf verlebte, war mir sehr kurz zugemessen, weshalb ich sie nach Kräften zu benutzen suchen mußte, da mich außerdem der an meine Fersen geheftete Schulmeister oft genug daran erinnerte.“ Er verbrachte sie mit eifrigen Studien, bald auf der Akademie, bald im Atelier, aber auch vernünftigenveise im Malkasten, wo bekanntlich der Thron des Düsseldorfer Künstlerhumors steht. – Hier fand er einen Kreis kunstfördernder und das Leben erfrischender Freunde; vor Allem aber erhielt sein Studium unter Hildebrandt’s Leitung die wahre Weihe, die seitdem aus allen seinen Werken hervorschimmerte, wobei er jedoch nichts weniger, als purer Nachahmer ist, sondern seine Originalität allezeit zur Geltung bringt.

Noch in Düsseldorf hatte er den „Lotterie-Juden“ vollendet; diesem folgte nun eine Reihe größerer Compositionen, wie „Großvaters Leibgericht“, „der kleine Kanonier“, „Er ist nicht so bös, wie er aussieht“, „Großvaters neue Brille“, „die Wiedergefundenen“ etc. Die „Sonntagsjäger“ wurden durch die Kunstausstellungen, auf denen sie allgemeine Heiterkeit verbreiteten, zuerst in weiteren Kreisen bekannt. Somit ist diese tüchtige, gesunde, frische Kraft noch in ihrer vollsten Blüthe und läßt uns noch manches Herzerfreuende auf dem jetzt so sterilen Felde des Humors hoffen.

Fr. Hfm.




Das schwarze Buch der Sclavenjunker.
(Schluß.)
Verbot sich zu waschen. – Schmutzüberzug und Sechsfüßler. – Noch widerlichere Qualen. – Luftverpestung und Kothlache. – Das Hospitalzelt. – Holzblöcke als Kopfkissen. – Beispiellose Unsauberkeit im Lazareth zu Richmond. – Die Hölle von Camp Sumter. – „Fütterung“ der Gefangenen – Ekelhaftes Trinkwasser. – Täglich einhundetundfünfunddreißig Todte! – Blödsinn in Folqe der Leiden. – Briefentziehung. – Verwundetentransport auf der Eisenbahn. – Systematische Absichtlichkeit der Barbarei.

Von Tag zu Tage stieg die Noth auf Belle-Isle, von Tag zu Tage wuchs der Hunger, so daß die Gefangenen die Knochen zerbissen, die sie etwa im Kehricht fanden; daß sie froh waren, wenn sie eine Ratte erjagen und verspeisen konnten; daß sie sich der Lumpen entäußerten, mit denen sie noch ihre Blöße deckten, um dafür einen Bissen Brod einzutauschen und dann nur um so mehr zu frieren und zu hungern. Blos noch Haut und Knochen, konnten sehr Viele nicht mehr gehen; bis auf’s Aeußerste entkräftet, fielen sie schwindelnd um, so wie sie sich zu erheben versuchten. Diarrhöe, Scorbut, Hungertyphus begannen furchtbar zu grassiren und Woche um Woche zahlreichere Opfer zu fordern. Welche Hungerqualen die Gefangenen erduldet haben müssen, zeigt u. A., daß sie, nach ihrer Auswechselung in den Hospitälern der Föderirten untergebracht, oft flehentlichst baten, ihnen nur den Anblick eines Apfels oder eines Stückes Fleisch zu gönnen, damit ihnen wenigstens im Gedanken ein Genuß zu Theil würde, welchen die Aerzte den Leidenden vorläufig noch versagen mußten.

Wo Tausende von Menschen auf so engem Raum zusammengedrängt und dazu noch aller Mittel zur gehörigen Reinigung beraubt waren, mußten sich zu den geschilderten Qualen bald noch andere gesellen, die von Vielen am Peinlichsten empfunden werden mochten, Qualen der abschreckendsten Art, die sich eigentlich der Beschreibung entziehen, aber hier doch nicht unerwähnt bleiben dürfen, damit der Leser das volle Bild der südstaatlichen Barbarei erhalte.

Der St James floß zwar in nächster Nähe der Station, aber die Grausamkeit der Aufseher verbot den Gefangenen selbst die Benutzung des Wassers. Von den vielen Tausenden, die auf Belle-Isle schmachteten, durften täglich nicht mehr als einige siebenzig sich der Wohlthat eines Bades theilhaftig machen, so daß auf diese Weise der Einzelne etwa alle sechs Wochen einmal zu der heißersehnten Reinigung und Erfrischung gelangte! Was die Folgen solcher Entbehrung waren, kann man sich denken.

In kurzer Zeit gab es nicht Einen, dessen Körper nicht dick incrustirt war mit Schmutz und Ungeziefer, nicht einen Einzigen, an und auf dem es nicht wimmelte von Läusen; überdies waren Alle wund und blutrünstig von den scharfen Sandkörnern, die ihre Lagerstatt bildeten. Zu welchem Grade das Ungeziefer von ihnen Besitz ergriffen hatte, – davon nur ein Beispiel. Einer der gefangenen Soldaten war ausgewechselt und wurde nun vor allen Dingen gebadet. Man wusch ihn mit möglichster Gründlichkeit, schor ihm den Kopf bis auf die Haarwurzeln, zog ihm frische Wäsche an, aber kaum lag er zehn Minuten in einem reinen Bette, und Laken und Decken und Kissen waren schwarz von sechsfüßigen Ungethümen. Und – auch das darf nicht verschwiegen werden, ekelhaft wie es ist – trotz des herrschenden Durchfalls durfte während der Nacht Niemand die Latrinen aufsuchen. Jeden Morgen war der Erdboden mit Koth überzogen und zur Jauchenlache geworden, welche die Luft verpestete und die Brunnen vergiftete. „Nur dann und wann war uns erlaubt, zu den Abtritten unsere Zuflucht zu nehmen,“ heißt es in einer der beschworenen Zeugenaussagen; „ja, es kam vor, daß sie uns drei volle Tage, einmal sogar sechs Tage lang, verschlossen blieben! Wir wälzten uns Alle im Unflathe und allmorgentlich trug die ganze Umgebung von Belle-Isle einen Charakter, der sich anständiger Weise nicht einmal andeuten läßt. Wagenladungen von Unrath wurden tagtäglich vom Erdboden abgefahren; dessenungeachtet blieb dieser noch immer ein Sumpf von Schmutz und Unflath.“

Eine Art von Hospital befand sich allerdings auf der Insel, das nie leer wurde von Patienten, allein es war nichts weiter als ein großes Zelt ohne Dielen, ohne Betten, ohne alle und jede Bequemlichkeit, wie sie für Kranke unerläßlich sind. Holzscheite und Holzblöcke waren die einzigen Kopfkissen, die man den Leidenden unterbreitete. „Wenn Sie einen Gaul sterben sähen,“ bemerkte einer der Vernommenen zu dem ihn fragenden Commissar,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_135.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)