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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Ein Wechsel, der in der Besetzung des Festungscommandos erfolgte, milderte später die harte Behandlung des unglücklichen Trenck. Sein bisheriger Peiniger, General Bork, wurde durch den menschenfreundlicheren Oberstlieutenant von Reichmann ersetzt, und am Schlusse der in jener Bibel enthaltenen Erzählung des mißglückten Fluchtversuches giebt Trenck, in der Hoffnung auf bald erfolgende Begnadigung, sogar umständlich die Mittel an, wie sein Gefängniß verwahrt werden müsse, um jede Flucht unmöglich zu machen.

In dieser Hoffnung auf die Gnade des Königs hatte sich Trenck indeß getäuscht, und obgleich er am Schlusse seines im Jahre 1759 abgefaßten Berichtes den Vorsatz ruhiger Ergebung in sein Schicksal ausspricht, so versuchte er doch später noch einige Male, sich aus seiner schweren Kerkerhaft zu befreien, bis endlich das Weihnachtsfest des Jahres 1763 ihm die Freiheit brachte.

Außer der merkwürdigen Erzählung seiner verunglückten Befreiungsanschläge enthält die Gefängnißbibel Trenck’s noch eine Menge der verschiedenartigsten Aufsätze, sowohl in Prosa als in Versen, und auf dem Schlußblatte des alten Testamentes giebt der unglückliche Verfasser ein genaues Verzeichniß seiner Arbeiten, von denen wir nur einige noch kurz erwähnen wollen. Der erste Artikel ist ein Brief in Versen an den „Durchlauchtigsten Gouverneur der Festung“, den Erbprinzen von Hessen-Cassel. Trenck bittet denselben auf das Rührendste um Schonung und Milde. Später finden wir eine „Danksagungs-Ode bei Erhaltung einer Flûte traverse. Ein Schäfer-Gedicht“. Trenck hatte um die Vergünstigung gebeten, sich die traurigen Stunden seiner Kerkerhaft durch Musik verkürzen zu dürfen, und der Gouverneur war menschenfreundlich genug gewesen, diese bescheidene Bitte zu erfüllen. Ein Gedicht unter dem Titel: „Brief einer Seele aus dem Fegefeuer an den Gott Zebaoth“, bezeichnet Trenck selbst als „im doppelten Verständniß“ aufzufassen. Der Gefangene ruft darin die Gnade des erzürnten Königs an; indeß hatte auch diese Bitte, die wohl gar nicht in die Hände Friedrichs des Großen gelangte, keinen Erfolg.

An mehreren Stellen sagt Trenck selbst von sich, daß er recht eigentlich „für die Feder“ geboren sei, und in seiner Selbstbiographie erzählt er, wie er nach seiner Befreiung während eines Aufenthaltes in Leipzig „seinen Freund Gellert“ aufgesucht und diesem verschiedene literarische Arbeiten in gebundener und ungebundener Sprache zur Beurtheilung vorgelegt habe. Von allen diesen wären nun Trenck’s Fabeln ganz besonders von Gellert gelobt und der Verfasser zur Fortsetzung dieser Gattung Gedichte aufgefordert worden, wogegen der ängstliche Herr Professor die politischen Abhandlungen Trenck’s als der persönlichen Sicherheit ihres Urhebers gefährlich bezeichnete. In Trenck’s Bibel befinden sich eine Anzahl Fabeln, welche zum größten Theile Gellert’s Lob rechtfertigen. Fast immer aber hat der Inhalt auch dieser Gedichte mehr oder weniger Bezug auf das unglückliche Verhängniß des Verfassers.

Auch Aufsätze satirischen Inhaltes weist Trenck’s Bibel auf. Ein Gedicht: „Geschichte des Major von Mops“, geißelt unbarmherzig einen feigen Maulhelden, wie Trenck in der Einleitung sagt: einen russischen Officier Namens von Mohr, den er 1749 in Petersburg als Knutmeister kennen gelernt habe. In der von uns mehrfach angeführten Biographie dagegen versichert Trenck, daß unter diesem Major von Mops kein Anderer als der Landmilizmajor von Bruckhausen gemeint sei, welcher den armen Gefangenen während dessen schwerer Haft auf das Unerhörteste gepeinigt habe. Dieser Satire folgt eine „Arie des Major Mopsen bei Betrachtung seines Stockes“.

Natürlich gebot ihm die Vorsicht, sich die Verspotteten durch genauere Bezeichnung nicht noch mehr zu Feinden zu machen, denn es ist unzweifelhaft, daß die zu den poetischen Ergüssen benutzte Bibel oft genug von seinen Wächtern revidirt wurde. Aus diesem Grunde führt auch Trenck in der Erzählung seiner Fluchtversuche nur diejenigen ihm behülflich gewesenen Mannschaften der Besatzung namentlich an, von denen er wußte oder annehmen konnte, daß sie inzwischen verstorben waren. Mit wahrer Dankbarkeit und Rührung spricht er besonders von einem Grenadier Namens Gebhardt, der sich ihm als der treueste Freund und Helfer erwiesen habe. Gebhardt und dessen Frau vermittelten lange Zeit die Correspondenz Trenck’s mit der Außenwelt, und jene Beiden waren es, welche dem Gefangenen wiederholt das aus Wien bezogene Geld verschafften. Gebhardt verlor gleich zu Anfang des siebenjährigen Krieges sein Leben und Trenck dadurch die bisherige Hülfe bei dem Verkehr mit seinen auswärtigen Freunden. Manche andere Verse Trenck’s zeigen, daß derselbe trotz aller seiner Leiden sich im Ganzen seine heitere Stimmung zu bewahren wußte, während andere Gedichte in französischer Zunge seine bekannten ungewöhnlichen Sprachkenntnisse darthun. Freilich läßt der Anblick des Blutes, mit dem auch diese heiteren Verse geschrieben sind, im Leser keine frohe Laune aufkommen.

Auch mit politischen Abhandlungen beschäftigte sich Trenck in seiner Haft, und seine Bibel enthält in dieser Beziehung einen höchst merkwürdigen Aufsatz, der einen überaus verheißungsreichen Titel führt. Es sind dies die: „Gedanken über die mögliche Mittel zu gäntzlicher Veränderung der sogenannten Politic oder Staats-Klugheitsgrundsätze und dem daraus folgenden und sicher ohne Unterbrechung zu erhaltenden Frieden der ganzen Chrystenheit.“

Obgleich Trenck den unbedruckten Raum auf mehr als sechshundert Seiten seiner Bibel dazu verwandte, um diese Aufgabe zu lösen, so ist er dennoch, wenigstens so weit uns das Manuscript vorliegt, damit bei weitem nicht fertig geworden, sondern nur bis zum zweiten Capitel gekommen. Das Vorhandene läßt allerdings noch keine klare Darlegung von den Mitteln erkennen, die schließlich den ewigen Frieden der Welt verschaffen sollen. Trotzdem zeigt sich Trenck im ersten Capitel jener Arbeit als erfahrener Menschenkenner, indem er die Temperamente in ihren Kennzeichen und Aeußerungen auf das Ausführlichste beschreibt und dann immer angiebt, zu welchen Staats- und andern Verrichtungen Menschen dieses oder jenes Temperaments geeignet sind. Das zweite Capitel dieses Fragmentes handelt von der Seele, und hier tritt Trenck als ein scharfer Gegner der damals so verbreiteten Ansichten des Halleschen Philosophen Wolff auf. Dieser Abschnitt beweist zugleich, daß Trenck seine Bibel nicht blos benutzt hat, um darin allerhand Gedanken und Einfälle aufzuzeichnen. Er belegt vielmehr seine Behauptungen, die allerdings ziemlich freidenkerischer Art sind, mit einer Masse von Citaten aus den Schriften des alten und neuen Testaments. Das Muckerthum und den Pfaffentrug greift er mit den schärfsten Waffen an, doch darf man hieraus nicht schließen, daß Trenck ein sogenannter „Freigeist“ war, denn von seiner wahrhaft gläubigen Gesinnung zeugen in jener Bibel eine Menge geistlicher Lieder, die er während seiner Gefangenschaft verfaßt hat und welche von ihm oft zu seinem eigenen Trost, wie er selbst sagt, in schweren Leidensstunden gesungen worden sind.

Wahrhaft unbegreiflich erscheint es, daß man Trenck nach seiner eigenen Versicherung wohl die Erlaubniß zum Schreiben gewährte, aber ihm dabei keine Tinte zukommen ließ. Um sich eine Flüssigkeit zum Schreiben zu verschaffen, stach sich Trenck in die Finger und fing das Blut in einem Scherben auf; war es darin geronnen, so erwärmte er es wieder in der Hand und warf die „fibrösen“ Theile fort. Eine genaue chemische Untersuchung der Schriftzüge in seiner Bibel hat bestätigt, daß Trenck sich stets des Blutes zum Schreiben bediente; nur zuweilen findet sich etwas Ruß dem Blute beigemischt.

Trenck erzählt, daß er acht ganze Bände auf solche Weise während seiner Haft geschrieben habe. Auf dem Museum zu Berlin befindet sich unsers Wissens noch ein derartiger Band nebst zwei von Trenck gravirten Zinnbechern. Diese letztere Arbeit bildete ebenfalls eine Zeit lang die Unterhaltung des Gefangenen. Als Werkzeug hatte er nichts Anderes, als einen fein gespitzten Nagel und vermittelst dieses dürftigen Instrumentes versah er die Becher, welche man ihm bald von allen Seiten brachte, mit wirklich kunstvollen Gravirungen. Nicht nur die Figuren waren von größter Regelmäßigkeit und Naturtreue, auch die auf den Bechern vielfach angebrachte Schrift war vorzüglich schön und dabei ohne alle optischen Hülfsmittel so außerordentlich fein ausgeführt, daß auf dem schmalen Rande eines Bechers oft zwei Zeilen Schrift unter einander standen, die nur mittelst eines Vergrößerungsglases gelesen werden konnten.

Mit Trenck zugleich war der ehemalige Gouverneur der Festung Reisse, General Wallrabe, Staatsgefangener in Magdeburg, weil er die ihm anvertraute Festung an die Oesterreicher verrathen hatte. Er genoß zwar eine weit bessere Behandlung als Trenck, mußte aber bis zum Tode Friedrich’s des Großen, vierzig Jahre lang, in Haft bleiben. Auch Trenck’s fernere Schicksale waren abenteuerlich genug und der vielgeprüfte Mann beschloß sein Leben 1794 zu Paris auf dem Schaffot durch Robespierre’s tyrannisches Machtwort.



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