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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Ein Trommelwirbel verkündete um acht Uhr die Ankunft des Generals. Mit dem Glockenschlage eine Stunde nach Ave Maria blitzten und donnerten fünf Kanonenschüsse vom Berge herab; eine Rakete stieg auf und gab das Signal zum Beginnen. In einem Augenblick prangte auf der Höhe des Berges in blauweißlichem, glitzerndem Lichtgefunkel der ganze Capitolbau; die Wände als breite dichte Sternenflächen, der Thurm, die Säulen, die Portale und alle Einzelheiten in treuer Zeichnung. Unbeschreiblich schön war es, als, von solchen bläulich-weißen Strahlen umflossen, in dunkelstem Rothfeuer eine Krone und ähnliche Embleme hervortraten. Nun flogen Leuchtkugeln und Raketen empor, die gewaltige Sternbüschel hier von dunkelrother, dort von kornblumenblauer, oder weißer, oder gelber, oder grüner Farbe aus sich ergossen in unzählbarer Menge. Wie sie, außer in den Generalpausen, unablässig und in jeder Richtung, zischend und sausend ihre leuchtenden Streifen zogen, während die Hauptfiguren des Schauspiels sich Scene um Scene wandelten, machten sie gleichsam den begleitenden Chorus. Das Ganze verlief ungefähr in zehn Acten, zwischen denen sehr zweckmäßig Pausen eintraten, um den Zuschauer einigermaßen wieder Fassung und Besinnung gewinnen zu lassen. Eine einzelne Rakete und einige Kanonenschüsse gaben jedesmal das Signal einer neuen Abtheilung. Die zweite Scene ließ Feuerräder aufflammen, die in symmetrischer Ordnung vom Fuße des Berges aus bis zum Gipfel hinauf über die ganze Fläche vertheilt waren und mit langsamer Drehung dicke buntfarbige Funkenströme in Halbbogen aussprühten, dann aber, alle zugleich mit einem Male stillstehend, vom Mittelpunkte aus vier breite Feuerhörner in gerader Richtung ausfahren ließen, sodaß das Ganze als ein ungeheueres Kreuz über die Bergwand ausgebreitet war. Auch diese Gestalt ward nochmals umgewandelt. In einer folgenden Scene erschien der Berg sammt dem Capitole und den dunkeln Baumgruppen lange mit einem blauen Duftlichte überzogen, das allmählich in ein dünnes Roth überging, hiernach immer intensiver werdend, endlich sich zu dem brillantesten glühendsten Ton dieser Farbe verstärkte und die Paläste, die Volksmasse, den Berg und den ganzen Horizont davon widerstrahlen machte. Ein anderes Mal schien sich der Berg ganz und gar in Feuer und Krachen entladen zu wollen. Die Raketen, Leucht- und Feuerkugeln fuhren zu Hunderten über der ganzen Breite hervor und knatterten und blitzten im wildesten Tumulte kreuz und quer durcheinander, und noch schossen durch das Gewirr, dem das Auge nicht zu folgen vermochte, von Zeit zu Zeit dicke Feuerballen und Tourbillons hindurch, die sich zu zahllosen Schwärmern und sprühenden Schlangen auflösten und im Zickzack nach allen Seiten zischend und bis an die Zuschauer vordringend mit Knallen verpufften.

Mit solchem betäubenden Höllenlärmen wechselten dann wieder ruhigere Bilder und Scenen. Eine der anmuthigsten war es, als eine Menge Feuerbäumchen aufleuchtete; ihre kugeligen runden Kronen auf schlanken Stämmen gaben ihnen Aehnlichkeit mit Orangen- und Citronenbäumen, deren Blätter wie aus bläulichen Diamanten gebildet schienen. Sie waren zu einem Theil am Fuße des Berges als ein Halbkreis um die Fontainen in gleichmäßigen Abständen gereiht, ein anderer Theil bildete eine Allee den Berghang hinan bis an das Capitol. Diese ruhig strahlenden Baumgruppen umspielten wieder fliegende farbige Lichtsterne.

Beim Schlußacte des ganzen Schauspiels glitten von verschiedenen Punkten unten am Berge in langsamem Zuge nicht gar hoch über den Köpfen der Zuschauermenge und in horizontaler Richtung an geraden Leitfäden zischende Raketen gleichzeitig nach dem Obelisken, der in der Mitte der Piazza del Popolo steht und vom Volke umdrängt war. Beim Zusammentreffen entzündeten sie an diesem Centralpunkte andere Raketen, die nun, wie die Speichen eines großen Rades, ebenso langsam und horizontal über der Volksmasse sich nach außen an die Peripherie des Platzes bewegten, wo rundherum Pfähle mit Leuchtstoffen aufgepflanzt waren, die von den herzufahrenden Raketen entflammt wurden. In einem Momente war der Platz in seiner ganzen Rundung von Rothfeuer übergossen. Einen Augenblick darauf gerieth der Berg noch einmal wie in eine donnernde und Blitze schleudernde Erregung. Wie ein unerschöpflicher Feuerregen flogen Brennstoffe jeglicher Art empor und hernieder, Funken und feurige Schlangenmassen zuckten kaum unterscheidbar in den verschiedensten Windungen ineinander, knatterten, prasselten, pufften, knallten; Kanonenschläge donnerten, die Geschütze gaben Salven darein, der Boden unter den Füßen bebte, über die Zuschauer wurden Feuergarben ausgeschüttet, und so endete betäubend, mit gewaltigem Krachen und blendendem Glanze, dieses Schauspiel der Girandola.

Noch ist in diesen Kirchenfesten etwas von der alten römischen Größe und Herrlichkeit zu spüren. Wann aber werden solchen physischen Lichtspenden die geistigen gleichen?




Menagerie-Bilder.
Nr. 7. Die junge Schwedin mit ihren Schülern.

Vor allen Dingen sei mir zum Beginn der das nachstehende Bild erläuternden Zeilen die Versicherung gestattet, daß in demselben Nichts übertrieben ist; Alles, nicht blos das muthvolle und herausfordernde Auftreten des kühnen Mädchens, sondern auch die verschiedenen Arten, sowie die Gesammtzahl der dargestellten Bestien und deren Auftreten, ist streng wahrheitgemäß. Einmal scheint mir diese Versicherung nicht überflüssig, weil sich dem Beschauer des Bildes, der diesen Glanzpunkt der Kreutzberg’schen Menagerie noch nicht in Wirklichkeit gesehen hat, leicht Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Küstlers aufdrängen möchten. Sodann giebt sie mir aber auch Gelegenheit, eine Lanze einzulegen gegen Die, welche, oft dazu am wenigsten berufen, die üblich gewordene Redensart von den „grämlichen, faulen, halbtodten, sich selbst nicht mehr ähnlichen Löwen“ der Menagerien immer von Neuem wiederkäuen. Weil sie vielleicht den Löwen in seinem Käfig gähnend oder schlafend antrafen und er so vernünftig war, sich nicht stören zu lassen, so müssen nun alle Menagerielöwen verkommene Geschöpfe sein. Mit einem Gerard, der allein und oft auf wenige Schritte Entfernung dem Löwen der Wildniß entgegengestanden und ihn erlegt hat, ließe sich über diesen Punkt streiten, mit jenen Leuten nicht. Ich verweise einfach auf das Bild.

Dies vorausgeschickt, will ich nun mich gleich der Hauptperson des Dramas, der kühnen Thierbändigerin, zuwenden. Fräulein Cäcilie Nicolai aus Stockholm, in den Ankündigungen der Menagerie nur „die junge Schwedin“ genannt, arbeitet, ohne sich vielleicht dessen selbst bewußt zu sein, mächtig mit an den Aufgaben der Zeit. Jedermann weiß, daß unter die Zeitströmungen der Gegenwart auch das Bestreben gehört, der Frauenthätigkeit neue und größere Bahnen anzuweisen. Man hat Mädchen und Frauen zum Schriftsetzen empfohlen, leider aber wollen die Herren Schriftsetzer Nichts davon wissen; in den Telegraphenstationen will man sie beschäftigt sehen, allein die Telegraphisten sind nicht damit einverstanden, und nur die edlen Künstler empfangen die Künstlerinnen stets mit offenen Armen.

Unserer Künstlerin muß das große Verdienst zugeschrieben werden, sich und andern ihres Geschlechts durch eigene Kraft eine neue Bahn gebrochen zu haben. Gleich den großen Künstlern der Vergangenheit und Gegenwart, welche ohne die jetzt oft unentbehrlichen Kunstkritiker ihren Weg fanden, hat sie nicht erst einen Hinweis auf das Thierbändigen abgewartet, sondern ist kühn dem Fingerzeig des Schicksals gefolgt. Zwar ist sie keineswegs die erste Dame, welche Zahmheitsproductionen mit wilden Thieren zeigt, aber in der Vorführung von Wildheitsvorstellungen dürfte sie denn doch noch keine Nebenbuhlerin haben. Wie es geschehen ist, daß gerade sie berufen war, bei den in solcher Weise noch nicht dagewesenen Vorstellungen der Kreutzberg’schen Menagerie eine so bedeutende Rolle zu spielen, soll hier, soweit mein Wissen reicht, mitgetheilt werden.

Schon seit einer Reihe von Jahren haben Damen bei den Vorstellungen in dieser Menagerie mitgewirkt und Herr Kreutzberg scheint den Schwedinnen eine besondere Anziehungskraft zugetraut zu haben. Die erste Frau des Menageriebesitzers, welche zunächst mit auftrat, führte diese Bezeichnung nicht, wohl aber ein mehrere

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 826. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_826.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)