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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

lebhaft discutirt. Ein Unterlassen wäre wie ein Fall des Papstthums selbst empfunden worden. Aber der Fels St. Peter’s stand noch fest und ließ sein Licht leuchten.

Am Sonntag nach Ostern, den 15. April, wogte des Abends ein dichter Menschenstrom über Ponte St. Angelo nach dem St. Petersplatze. Von der Brücke aus sah man gen Westen nur die Kuppel und Laterne des Domes leuchtend emporragen, indem eine zwischenliegende Höhe und dunkle Häusermasse den Unterbau verdeckte. Durch die Straße Borgo nuovo vom Gedränge fortgeschoben, gelangte ich bis an den ägyptischen Obelisk, der, aus Heliopolis durch Caligula nach Rom gebracht, jetzt im Mittelpunkt jener in der Welt einzigen Piazza di S. Petro aufgerichtet ist; zur Rechten und Linken das Oval der Colonnade von 284 Säulen und 84 Pfeilern in einem Längendurchmesser von 804 Fuß, gegenüber die Façade der Peterskirche mit der Loggia, aus welcher der Papst den Segen ertheilt, 372 Fuß breit, 150 Fuß hoch, über der dann die weiteste Kuppel, welche einen irdischen Raum überspannt, mit der Laterne, dem Knopfe von 18 Fuß Durchmesser und dem 14 Fuß hohen Kreuze, bis zu einer Höhe von 413 Fuß emporsteigt. Dieser ganze Wunderbau stand jetzt sammt der Säulenhalle in allen seinen Haupttheilen und Nebengliedern und architektonischem Schmucke von viertausend und vierhundert Lampen bis in die äußersten Spitzen beleuchtet in ruhiger Grandiosität vor mir, in strahlender Pracht sich auf dem schwarzblauen Hintergrunde des unbewölkten Sternenhimmels abhebend. Am hellsten waren die Laterne und die Rippen der Kuppel von oben an der Wölbung herab beleuchtet; hier einigten sich die Lichtpunkte fast zu allen Linien, und wieder umzog die Kuppel da, wo sie auf dem Unterbaue aufsitzt, eine dichte Lichtguirlande. Niemals sonst wird man so wie in dieser Beleuchtung sich der Immensität jener wundervollen Bauschöpfung bewußt.

Mit ungeduldiger Spannung erwartete die Menge die Verwandlung. Beim ersten Glockenschlage der zweiten Stunde nach Sonnenuntergang flammte plötzlich auf der äußersten Spitze des Kreuzes über der Kuppel ein blauweißes Brillantfeuer auf und bedeckte blitzschnell die ganze Kreuzesform mit blendendem Glanze. Im Nu bewegten sich Fackeln zugleich auf allen Stellen des Baues und nach allen Richtungen durcheinander wimmelnd, auf dem Dach des Haupt- und der Nebendome, an der Façade, auf den Gängen, am Frontispize, an den Säulen umher, und in ungefähr einer halben Minute strahlte wie durch einen Zauberschlag das Ganze von etwa siebenhundert Fackeln und Feuerbecken in einem Glanze großer Flammensterne von so intensiver Stärke, daß die vorige Beleuchtung kaum schwach flimmernd noch und schattenartig durchdämmerte. Das ganze ungeheure Bauwerk war wie mit lauterstem, hellstem Golde übergossen. Großartigeres, Imposanteres von überwältigendem Lichtglanze in den schönsten Bauformen kann ein menschliches Auge nicht sehen!

Die unglaublich schnelle Umwandlung wird folgendermaßen ausgeführt. Auf den Dächern der Peterskirche und in anderen ihrer Räume haben fünfzig Familien Wohnungen, von denen zweihundert und einundfünfzig Personen an bestimmten Stationen über den ganzen Bau vertheilt werden und mit Fackeln bereit stehen; auf das gegebene Zeichen entzündet ein Jeder mit größter Geschwindigkeit vier große Feuerpfannen, die ihm zugewiesen sind.

Michel Angelo soll der Urheber dieses Staunen und Bewunderung erregenden Schauspiels sein. Seine Wirkung erneut sich dem Beschauenden, so oft er sich einige Minuten mit dem Gesicht abgewendet hat und dann dem Feuertempel und Flammenglanze wieder zukehrt.

Als letzter zugehöriger Schlußact ist die Girandola zu betrachten, ein Feuerwerk, das vormals auf der Engelsburg abgebrannt wurde, an demselben Abend mit der Kuppelbeleuchtung. Die Lichtreflexe in der unmittelbar an jener Veste vorüberströmenden Tiber müssen die Pracht eines solchen Schauspiels bedeutend gehoben, verdoppelt haben. Seit etlichen Jahren, seitdem die päpstliche Citadelle durch die französischen Occupationstruppen besetzt gehalten wird, hat man es, wie man sagte, wegen der Gefahr der dort aufgehäuften Pulvervorräthe in einen andern Stadttheil, einige Male auf das Capitol, verlegt. In dem Jahre 1860 war der Monte Pincio am nördlichen Ende der Stadt nächst der Porta del Popolo, durch welche wir Nordländer gewöhnlich einziehen in der ewigen Stadt, zum Schauplatze gewählt worden.

Wer, der in Rom gelebt hat, kennte nicht jene luftige, breite Berghöhe, zu der man durch die lange Via delle quattro Fontane und Via felice, oder von der Piazza di Spagna oder Piazza del Popolo, dort allmählich, hier steiler, hinansteigt? Ein Lieblingsort der heutigen Römer, die frequenteste Promenade für die zu Fuß Lustwandelnden sowohl, wie für die in stolzen Carossen. Schon im alten Rom trug diese Höhe den Namen des Hügels der Gärtner, und bis heute hat sie, Dank der Fürsorge der Stadtverwaltung, ihren Charakter bewahrt. Ich möchte jedem Fremden rathen, wie es dem Erzähler zu Theil ward, zuerst nach seiner Ankunft dorthin seine Schritte zu wenden. Man genießt von da eine der herrlichsten Aussichten über die ewige Roma. An eine breite, nach Seite der Stadt offene Ebene reihen sich weiter zurück prachtvolle Park- und Gartenanlagen mit Blumenbeeten, wo Veilchen und Rosen den größten Theil des Jahres hindurch duften, die Südgewächse Aloe und Cactus, Lorbeer und Palme im Freien, auch während des Winters, gedeihen und die weißen Marmorbüsten der berühmtesten Dichter und Künstler Italiens, jede von einem Lorbeerstrauch umwölbt, in mäßigen Entfernungen von einander aufgestellt sind.

Auf jenem erhabenen und großen Freiplatze war für die Aufführung der Girandola eine sorgfältige Nachbildung des Capitols in seinen architektonischen Formen und in einer der Höhe dieses Standpunkts entsprechenden, beträchtlichen Größe aus Gebälken, Latten und anderem Holzwerke aufgebaut, mit der Front der Stadt, genauer der Piazza del Popolo, zugekehrt. Der Bau stand dem Abhang nahe, welcher in terrassenförmigen Absätzen von der Höhe des Monte Pincio zu dieser Piazza allmählich abfällt, jedoch steil genug, daß dem unten auf dem Platze Befindlichen eine am Berghange verlaufende Darstellung als ein volles, durch nichts verdecktes Bild vor Augen tritt. Denn der Berg ist vorn offen. Indem aber noch zu beiden Seiten, für den Beschauenden zur Rechten und Linken, die freie Fronte durch dunkelgrüne Pinienbäume umschlossen ist und unten, am Fuße, springende Fontainen ihre perlenden Wasserstrahlen emporwerfen, ist durch Statur und Kunst eine Bühne geschaffen, wie sie nur irgend gewünscht werden kann.

Als Raum für die Zuschauer diente die Piazza del Popolo, ein weiter, ebener Platz in Form einer Ellipse, von dem drei Hauptstraßen, die Via del Babuino, der Corso und die Ripetta, fächerartig auslaufen, groß genug für viele Tausende. An der Nordseite die schöne Porta del Popolo mit Palästen daneben, deren einer der Garde-Gensdarmerie als Kaserne und Hauptwacht diente; im Rücken, der Bergbühne gerade gegenüber, eine Gartenanlage, deren Myrthen- und Pinienbäume eine Mauer überragen, welche in halbrunden, weiten Bogen und mit eisernen Gitterthüren den Platz nach Westen abschließt. Auf der Mauer lagern steinerne Sphinxe; in den Zwischenräumen waren Tribünen aufgerichtet, die, durch Wände von rothen und weißen Zeugen umfaßt und überdeckt, zu Zelten oder nach vorn offenen Nischen hergerichtet und mit Wachskerzen erleuchtet waren. In ihnen nahm die vornehme Welt Platz; in der Ecknische nach der Stadt zu der französische commandirende General Goyon mit Damen und etlichen Cardinälen. An der Südseite endlich wieder hohe Häuser und Paläste, die von den drei genannten Hauptstraßen durchbrochen wurden.

So war gewissermaßen die Anschauung eines alten Circus geboten, nur mit umgekehrten Verhältnissen. Die Arena, den Schauplatz der Kämpfenden, nahmen hier die Zuschauer ein, und wo diese dort ihre Sitze hatten, war hier an dem etagenförmig aufsteigenden Berge der Ort der Handlung.

Mit anbrechender Dämmerung am Sonntage nach der Kuppelbeleuchtung zogen zuerst einzeln, dann in immer dichteren Schaaren Roms Bewohner zu der beschriebenen Stelle. Der weite Raum füllte sich mehr und mehr, und immer schwieriger wurde es während der Stunde, die dem Beginn der Feier vorherging, auch nur einige Schritte sich hin und her zu bewegen. Die Volksstimmung galt als nicht recht geheuerlich. Darum war nicht nur die Gensdarmerie mit ihren hohen Bärenmützen und weißen Lederhosen vor ihrer Wacht, sondern im Hintergrunde und an den Seiten des Platzes waren auch Infanterie-Bataillone aufgestellt, vor deren Fronten stehende Posten den Andrang der Menge an das Militär verhinderten, und noch hatte man Soldaten truppweise, mit dem Seitengewehr bewaffnet, aber nur Franzosen, unter die Volksmasse vertheilt. Drei Militär-Musikchöre im Garten und auf dem Platze spielten abwechselnd bis zum Anfange der Girandola.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 825. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_825.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)