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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

1852 eine Commission aus den angesehensten Bürgern der Stadt, um das Project zu prüfen. Dasselbe ward gebilligt, Geld zusammengeschossen, Preise für die besten Modelle ausgesetzt und ein Aufruf an alle Künstler Europas erlassen. Darauf hin wurden, vierundfünfzig Modelle eingesendet: aus Paris, Neapel, Brüssel, Köln, Speier, Straßburg, Lyon etc. Den ersten Preis erhielt der Bildhauer Bonnassieux aus Paris, den zweiten Rimm aus Speier, die folgenden vier Montagny, Ramus, Fabisch und Lavigne. Also unter Sechs doch zwei Deutsche! Bonnassieux’s Entwurf ward zur Ausführung gewählt.

Die Stadt Le Puy in Frankreich.

Inzwischen hatte der Bischof einen Aufruf zu Beiträgen an alle Gläubigen erlassen und selbst 10,000 Francs gezeichnet. Der Kaiser Napoleon der Dritte war der nächste Subscribent. Er zeichnete für sich und die Kaiserin 12,000 Francs, bemerkte aber nebenbei sehr richtig: es werde zu kostspielig und langaussehend werden, wenn man das Werk in Bronze ausführen wolle; auch sei dies Metall zu werthvoll, daher z. B. in Kriegs- oder Revolutionszeiten der Plünderung ausgesetzt: er schlage daher Gußeisen vor und werde für das Material sorgen. Wirklich schenkte er der Stiftung unterm 20. April 1856 eine Masse von den inzwischen bei Sebastopol eroberten eisernen Kanonen, 150,000 Kilogramm (= 300,000 Zollpfund) an Gewicht, zur Ausführung des Gusses. Und damit stempelte er das Werk zu einem Siegesdenkmal für den Krimfeldzug, während es im Sinne seiner Stifter zur Verherrlichung der inzwischen von den Kirchenfürsten proclamirten unbefleckten Empfängniß dienen sollte. „Durch diese Nationalisirung des Unternehmens,“ wie mein klericaler Gewährsmann Franciske Maudet in seinen „Monuments historiques de la haute Loire etc.“ ausdrücklich zugesteht, „hat der kluge Kaiser dasselbe möglich, leicht und volksthümlich zu machen gewußt.“ Er hat es verstanden, mit einem Federzug die zwei wichtigsten Factoren des heutigen französischen Staatslebens zu befriedigen: die Geistlichen mit ihrem Anhang und die nationale Partei. Er hat damit den Glanz des ausgeführten Riesenwerkes abgelenkt von dem theologischen Dogma auf die nationale Glorie, von dem Vatican auf die Tuilerien.“ – Die Unterzeichnungen nahmen nun einen raschen Gang. Bald überstieg die Summe der Beisteuer 300,000 Francs, wovon ein Drittel allein aus dem Departement der oberen Loire.

Am 16. Mai 1856 schloß die oben erwähnte Commission einen Vertrag mit einem der größten Eisengießer Frankreichs, Herrn Prenat zu Givors bei Lyon, wodurch derselbe sich verpflichtete, für eine Summe von 190,000 Francs (etwa 50,000 Thaler) die Statue zu formen, zu gießen und auf dem Felsen Corneille aufzustellen. Am 15. September schickte Bonnassieux sein zwei und zwei Drittel Meter hohes Modell ein. Nach diesem ward die Riesenstatue erst in Thon bis in die feinsten Details ausgeführt; über den Thon ward dann eine Gypsmasse geschlagen, alsdann der Thon herausgegraben und so eine gypserne Hohlform gewonnen, in welche wieder Gyps gegossen wurde. Letztere stellte nun das eigentliche Modell (40,000 Kilogramm –= 80,000 Zollpfund schwer) dar, welches nach abermaliger sorgfältigster Ausarbeitung jeder Einzelnheit in soviel (etwa hundert) Theile zersägt wurde, als einzelne Stücke gegossen werden mußten; darüber wurden wieder Hohlformen gemacht und in diesen der Guß vollzogen. In allen diesen Operationen mußte die größte Umsicht und Genauigkeit angewendet werden, wenn nicht das Ganze verunglücken sollte. Fast noch mehr Schwierigkeiten machte der Transport dieser schweren Eisenmasse nach Puy und auf den Felsen hinauf. Ungeheure Gerüste mußten errichtet, gewaltig kräftige Maschinen in Gang gesetzt werden, um solche kolossale Massen aus dem Abgrund hinauf auf die schwindelnde Höhe längs der zackigen Felswandungen emporzuziehen. Der steinerne Sockel, auf welchen die Statue zu stehen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_812.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)