Seite:Die Gartenlaube (1864) 793.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

gewesen. Es schmerze ihn wohl, daß er nicht auch eine Nachtigall unter seinen Lieblingen zähle; als loyaler Unterthan suche er aber jeden Conflict mit dem königlichen Landgericht zu vermeiden; denn das Halten der Nachtigallen sei streng verboten. Uebrigens sei die Abwartung und die Beobachtung und namentlich der Gesang seiner gefiederten Pfleglinge ein Genuß, der, ihm wenigstens, durch ein Zweites nicht ersetzt werden könne. Wir sollten nur einmal im Frühjahr in der Morgendämmerung zu ihm kommen; gewiß würden wir, wie seine Arbeiter aus den unteren Dörfern, schon von Weitem stehen bleiben und seinem Morgenconcerte lauschen. Die schönste Cadenz einer Opersängerin und das beste Orchester einer Hofcapelle seien gegen diese vielen und verschiedenartigen Natursänger in keinen Vergleich zu stellen.

Als ich die Frage aufwarf, ob die eingesperrten Vögelchen nicht auf irgend eine Weise den Verlust ihrer Freiheit merken ließen, entgegnete mir der Factor, daß man hierbei wohl unterscheiden müsse, ob blos ein Vogel in einer Stube eingesperrt sei, oder ob zu gleicher Zeit mehrere Vögel die Gefangenschaft theilten. Im letzteren Falle wollte unser Ornitholog die Beobachtung gemacht haben, daß die neuen Bewohner eines Käfigs sich leicht und schnell an die Stube gewöhnten. Er habe z. B. Schwarzamseln eingefangen, welche schon am zweiten Tage gesungen hätten. Nur die Finken zeigten in der Gefangenschaft fort und fort einen bestimmten Grad von Wildheit; doch sei ihm auch der Fall begegnet, daß einige Finken, denen er die Freiheit zurückgegeben habe, immer wieder zum Fenster hereingeflogen seien oder so lange an das Fenster gepickt hätten, bis es ihnen geöffnet worden wäre.

Wie wir schon angedeutet haben, hatte unser Stubenvögelfreund seine Lieblinge auch selbst eingefangen. Aus seinen Mittheilungen ging hervor, daß die verschiedenen Fangarten im Frankenwalde ganz dieselben sind, wie auf dem Thüringerwalde, dem Harze und im Erzgebirge. Auch im Frankenwalde ist das Finkenstechen zu Hause. Hat ein Vogelsteller irgendwie Kunde erhalten, daß sich da oder dort im Freien ein Finke aufhalte, der einen ganz besonders werthvollen Schlag hat, so macht er sich mit zwei Finken auf den Weg, von denen der eine ein Schläger sein muß, während der andere als sogenannter Läufer in einem kleinen ledernen Geschirre steckt, an welches ein anderthalb Fuß langes Drahtkettchen befestigt ist. Ist der fragliche Ort ermittelt, wobei eine Entfernung von acht, ja selbst von zwölf Stunden kein Hinderniß bietet, so wird in dem vier bis acht Morgen umfassenden Standquartier des zu fangenden Finken, in welchem dieser wohl andere Vögel, aber keinen zweiten Finken duldet und welches er wie jeder andere Vogel alljährlich wieder von Neuem bezieht, an einer freien Stelle der sogenannte Läufer an einem eingeschlagenen Nagel mit seinem Kettchen befestigt, ihm auch etwas Futter vorgestreut und einige Zoll außerhalb der Peripherie, welche der Läufer mit seiner Kette beschreiben kann, ein Ring von Leimruthen hergerichtet. Einige Fuß von dieser Stelle entfernt setzt man alsdann den kleinen Bauer nieder, in welchem – jedoch verdunkelt – der Schläger steckt, wobei man sorgfältig über sein Behältniß grüne Zweige breitet, um keine Spur von seinem Dasein aufkommen zu lassen. Während nun der Läufer an seinem Kettchen hin und her flattert und sein Futter frißt, beginnt der Finke im verdeckten Bauer zu schlagen. Der Insasse des Standquartiers, hierdurch eifersüchtig gemacht, eilt herbei, fliegt auf den höchsten Baum seines Reviers, erspäht von da den Läufer als den vermeintlichen Schläger und stößt schnell auf diesen herab. Hierbei muß er aber den den Läufer umgebenden Ring von Leimruthen durchbrechen, wobei er natürlich hängen bleibt, so daß seine Freiheit unvermuthet und schnell ihr Ende erreicht.

Die meisten der uns gezeigten Vögel hatte unser freundlicher Factor „auf der Tränke“ gefangen. Zur Tränke eignet sich am besten eine rings von Wald umgebene sonnige Stelle, wo sich etwas Quell- oder Regenwasser ansammeln läßt. Nachdem alle übrigen Wassertümpel in der Nähe sorgfältig mit Reisig zugedeckt worden sind, legt man über die Fangstelle oder die Tränke kreuzweise Leimruthen, auf welche die Vögel hierauf geflogen kommen, um ihren Durst zu stillen und zugleich ihre Freiheit einzubüßen. Hie und da bedient man sich auch auf der Tränke eines Garnes. In einer einzigen Stunde hatte unser Factor einmal sechsundsiebenzig Vögel auf der Tränke gefangen. Die Zeit der Tränke beginnt erst dann, wenn die letzten jungen Vögel die Nester verlassen haben.

Leider werden aber wie anderwärts so auch im Frankenwalde nicht blos nordische Zugvögel wie Krammetsvögel, Grünlinge, Zetscher etc., sondern auch die höchst nützlichen heimischen Singvögel massenweis weggefangen, obschon sich’s die Forstpolizei hat angelegen sein lassen, dieser Unsitte zu begegnen. Schon am anderen Tage hatte ich Gelegenheit, mit einem Vogelsteller eine „Schneis“ zu begehen. In einem nach Nordosten zu gelegenen und mit Fichten und Kiefern bestandenen Gelände hatte der Mann wohl gegen zwanzig Schock Bügel in zwei Reihen in Brusthöhe in die Bäume befestigt; in die aus Pferdehaaren bestehenden verschiedenen Schlingen waren als Locke Vogelbeeren gelegt. An einigen Stellen hatten Eichhörnchen die Beeren unberufen weggenommen, hie und da kam auch eine Amsel geflogen, welche, die Schlinge vorsichtig vermeidend, im Fluge ein Paar Beeren erhaschte. Wo „ausgebeert“ war, mußten frische Beeren eingehängt werden. Außer einigen Quäkern, Finken und Grünlingen hatten sich vorzugsweise auch Weindrosseln gefangen, welche in dieser Jahreszeit, wo sie aus den Weinbergen zurückkommen, besonders gut schmecken sollen. Man unterscheidet vier Perioden in der Schneis; die erste ist diejenige der Zippen, die zweite die der Weindrosseln, nach diesen kommen die Meeramseln, und ihnen wieder folgen die Krammetsvögel. Auch einen Nußhäher trafen wir an und zwar noch lebend. „Sein Fleisch ist durchaus nicht zu verachten“, meinte der Mann, und so wurde ihm die Freiheit nicht zurück gegeben. In der Schneis selbst waren hie und da – natürlich ganz versteckt – auch Laufschlingen angebracht; in einer derselben, am Ausgange des Waldes nach dem Felde zu, hatte ein Rebhuhn seinen letzten Athemzug gethan.

So lange sich im Walde noch Heidel- und Preißelbeeren finden, ist indessen die Schneis im Ganzen nicht sehr ergiebig. Auf die „Kluppe“ werden zwei Krammser und zwei Schnerren, vier Zippen und ebenso vier Weindrosseln gerechnet, während von den kleineren Vögeln, wie z. B. den Buchfinken, zwölf Stück, und von den allerkleinsten vierundzwanzig Stück eine Kluppe ausmachen. Die Kluppe wird gewöhnlich mit sieben bis neun Groschen bezahlt. Die Krammetsvögel werden auch, wenn sie sich auf Wachholderbüschen oder auf Vogelbeerbäumen niederlassen, oft massenweise im Spätherbst geschossen. Auch die Staare, welche die Gegend schon Ende August verlassen und gegen Michaelis aus den Weinbergen zurückkehren, sollen vielfach als leckeres Mahl verspeist werden. Die Zeisige loben sich den Erlensamen; deshalb legt man über die Bäche, an welchen Erlen stehen, kreuzweise einige Stecken, auf welchen Leimruthen befestigt sind.

Für den Vogelsteller von Profession ist namentlich auch der Meisenfang von Wichtigkeit. Die Finkmeisen, bekanntlich äußerst neugierige Vögel, kehren in manchen Jahren in ungemein großen Schaaren nach dem Süden zurück. Um sie zu fangen, baut man aus Fichten- und Tannenreisig eine Hütte von der Größe, daß ein Mann bequem in derselben stehen kann. Der Eingang zu derselben muß jedoch, sobald der Vogelsteller in die Hütte eingetreten ist, vollständig mit grünem Reisig bedeckt werden, so daß die herbeigelockten Meisen nichts von dem Innern der Hütte gewahr werden können. Sobald der Vogelsteller hierauf aus einem kleinen Loche der Hütte den „Kloben“ oder das Fangholz herausgesteckt und mit der Lockpfeife, die aus dem Rohre eines Gänseflügels besteht oder auch aus Messing gefertigt ist, zu locken begonnen hat, kommen die Meisen herbeigeflogen und setzen sich auf den Kloben. Hat eine hinreichende Zahl Vögel Platz genommen, so wird der Kloben „gerückt“, wodurch die Vögel mit den Füßen zwischen den zwei Hölzern des Klobens gefangen und hierauf eingezogen werden. Alsdann werden die Meisen getödtet, was am besten von einem zweiten Steller in der Hütte besorgt wird, und der Fang beginnt sofort von Neuem. An besonders nebeligen Morgen ist schon oft von einem einzigen Vogelsteller von fünf bis zehn Uhr in guten Jahren ein ganzer Korb voll Meisen gefangen worden. Nur hat sich der Vogelsteller zu hüten, daß nicht beim Zuziehen des Klobens eine Meise, die mit auf dem Kloben stand, entschlüpft. Die einmal Geprellte schwirrt nämlich von diesem Augenblicke an ununterbrochen um die Hütte herum, fliegt jedem neuankommenden Zuge ihrer Colleginnen entgegen und zeigt diesen durch besondere Töne und unruhiges Umherfliegen die Gefahr an, so daß sich keine einzige Meise mehr dem Kloben nähert.

Am großartigsten wird der Vogelfang aber auf den Vogelheerden betrieben. Meist sind industrielle Anlagen, z. B. Hammerwerke, Glashütten etc., auch Forsteien und selbst Pfarreien mit dem Privilegium eines Vogelheerdes ausgestattet. Wer auf dem Vogelheerd

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 793. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_793.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)