Seite:Die Gartenlaube (1864) 742.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Damit schieden wir. In meinem Herzen lebte fortan der Friede. Auch sie war zufrieden und glücklich geblieben. Der Pater Canisius war nach einem halben Jahre gestorben. Er hatte sein Werk vollbracht. – Das war die Erzählung meines Oheims. Er ist vor drei Jahren gestorben, zweiundachtzig Jahre alt. Ich habe nie einen Mann gekannt, der zufriedener und heiterer war, obschon ich im Uebrigen seine Anschauung nicht theilen konnte.

Von ihm habe ich gelernt, in jedem Schicksale den Frieden der Seele finden und bewahren zu können. Mein Oheim hatte es vom Pater Canisius gelernt.

J. D. H. Temme. 




Deutschlands Herrlichkeit in seinen Baudenkmälern.
Nr. 3. Schloß Hartenfels in Torgau.
(Mit Abbildung.)

Ein interessanter Nachmittag war mir in Graditz vergangen, dem bekanntesten unter den in der Nähe von Torgau, der alten sächsischen Kurfürstenresidenz, liegenden preußischen Gestüten, das geschichtlich dadurch bemerkenswerth ist, daß Karl August von Weimar bei einem Besuche des dortigen Hauptgestütes am 14. Juni 1828 plötzlich vom Schlage getroffen wurde.

Die reichste Abendsonne übergoß die Gegend mit ihrem goldenen Glanze, als ich mich auf einem zum Schutze gegen die Überschwemmungen der Elbe aufgeworfenen hohen Damme der kaum eine Stunde entfernten Stadt näherte. Rechts von dem Wege breitet sich eine fruchtbare, mit Dörfern reich besetzte Niederung aus, zur linken Hand aber hat man den Strom und jenseits desselben eine Ebene, die in einem weiten Bogen von niedrigen Höhenzügen eingeschlossen wird, welche als die letzten Ausläufer des Erzgebirges gelten können. Mit jedem Schritte wurde das Bild der Stadt imposanter; vor Allem bot das an ihrem südöstlichen Ende aufragende mächtige Schloß Hartenfels, das sich mir hier in seiner ganzen Ausdehnung darstellte, einen majestätischen Anblick. Ich erinnerte mich, früher gehört zu haben, daß nächst dem Residenzschlosse in Berlin unter allen ähnlichen Gebäuden Preußens Hartenfels die größten Massendimensionen habe und daß ihm hierin nur das Marienburger Schloß gleichkomme. „Es ist eine recht kaiserliche Burg,“ hatte Karl der Fünfte geäußert, als er, 1547 nach der Mühlberger Schlacht vor Torgau vorbeiziehend, des Schlosses von dieser Seite aus ansichtig wurde.

Je weiter ich an die gerade auf das Schloß gerichtete Brücke herankam, um so gewaltiger traten die Theile des großen Baues mit seinen vielen thurmartigen Vorsprüngen hervor. Am rechten Elbufer, dem Schlosse gegenüber, hatte ich den Brückenkopf mit einem in jüngster Zeit aufgeführten, zu fortificatorischen Zwecken dienenden bombenfesten Gebäude. Vom Mai bis September dieses Jahres – so erzählte mir ein desselben Weges Wandernder waren die Räume dieses stattlichen Gebäudes von dreihundert bei Düppel und später noch von vierhundert auf Alsen gefangenen Dänen bewohnt gewesen. Nur wenige Schritte vom Ende dieser Elbbrücke erheben sich auf dem linken Ufer die Mauern des Schlosses, nach Südwest in gerader Richtung und nur in der Mitte von einem viereckigen Vorbau unterbrochen; an seinen Enden ist dieser Flügel von zwei mit schöner Bildhauerarbeit reich gezierten Erkerthürmen begrenzt, und hohe Fenster in Bogenform bezeichnen die vier Stockwerke, welche er enthält. Nach Norden tritt zunächst ein runder Thurm vor, versehen mit drei Reihen übereinander angebracht Schießscharten.

„Das ist der Hasenthurm; ihn hat Kurfürst Johann Friedrich von Grund aus neu gebaut,“ sagte mein Begleiter, der mit der Geschichte des Schlosses sehr vertraut schien und sich erbot, mich mit den Hauptmerkwürdigkeiten desselben bekannt zu machen. Nicht weit von diesem und mit ihm durch einen Zwischenbau verbunden, bemerkte ich einen zweiten ähnlich gebauten Thurm. „Und da haben wir,“ so berichtete mein gefälliger Cicerone weiter, „den Flaschenthurm, einen gar wundersamen Bau. Anstatt der gewöhnlichen Treppe führt ein breiter gewölbter Fahrweg zu dem sogenannten brandenburgischen Gemache, welches die Breite des ganzen Gebäudes einnimmt. Früher verband eine künstliche Vorrichtung, welche in Gestalt einer hohlen Säule von der Mitte des Fußbodens unter einer Tafel ausging, diesen Raum mit dem tiefen unter dem Thurme befindlichen Keller, zu welchem hinab gleichfalls ein ebenso breiter Fahrweg leitete, so daß unvermerkt Gegenstände im Innern der Säule herauf- und heruntergelassen werden konnten. Als 1711 Peter der Große von Karlsbad aus, wo er den Sommer über zugebracht, seinen Rückweg über Dresden und von da zu Wasser über Torgau nahm, hielt er sich längere Zeit hier auf, um auf Hartenfels die Vermählung seines einzigen Sohnes Alexius mit der am Hofe der sächsischen Kurfürstin Eberhardine erzogenen braunschweigischen Prinzessin Charlotte Christiane Sophie zu feiern. Man tafelte in dem Thurmgemach, und der Czar, der bekanntlich ein wackerer Zecher war, wunderte sich nicht wenig, daß es ihm mitsammt einer Gesellschaft tüchtiger Trinker nicht möglich wurde, das halbe Dutzend Flaschen zu leeren, das unter dem Tische stand. Endlich wurde ihm das Zauberspiel, durch welches an die Stelle der geleerten immer wieder volle Flaschen traten, von seinem Wirthe August dem Starken erklärt.“

Um zu dem Hauptportale zu gelangen, mußten wir einen großen Theil des Schlosses umgehen, so daß mein Geleiter mir noch Manches von dem Schlosse, von seiner Gründung, die sich bis auf das dreizehnte Jahrhundert zurückführen läßt, und von seinem Neubau durch den Kurfürsten Johann Friedrich (1532–1551) zu erzählen Zeit fand. „Während Peter’s Anwesenheit,“ sagte er u. A., „hatte sich auch Leibnitz hier im Schlosse eingestellt und hielt eine lange Unterredung mit dem Czaren darüber, wie Kunst und Wissenschaft in Rußland eingeführt und verbreitet werden könnten. In Folge dieses Gesprächs hat ihn Peter zum geheimen Justizrath mit tausend Rubeln Pension ernannt. – Ueberhaupt hat das Schloß früher gar manche hohe Herrschaften beherbergt. So 1523 den entthronten König der Dänen und Schweden, Christian II., 1547 nach der Schlacht bei Mühlberg den Erzherzog Ferdinand, den Bruder Kaiser Karl’s V., und seine beiden Söhne, auch Gustav Adolph, der vor der Breitenfelder Schlacht auf Hartenfels den 5. September 1631 einen Kriegsrath hielt, und 1692 den Kurfürsten von Brandenburg, Friedrich III., den nachmaligen ersten König in Preußen. Bei diesem letzten Besuche wurde zwischen Friedrich und dem Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg IV., am 10. Juni der Orden ,der guten Freundschaft’ gestiftet – der freilich nicht verhindert hat, daß sich nachmals die Herrscher beider Länder fast immer feindlich gegenüber gestanden haben.

Und wie gar viele fürstliche Vermählungen sind auf Hartenfels gefeiert worden! Da waren denn manchmal Tausende von Fremden in Schloß und Stadt einquartiert. Besonders aber knüpfen sich an die Burg mehrere der bedeutendsten Momente der Reformationsgeschichte. Hier schlossen den 5. Mai 1526 Kurfürst Johann der Beständige und Philipp, Landgraf von Hessen, das erste Schutz- und Trutzbündniß zur Vertheidigung der evangelischen Glaubensfreiheit; nach einer Berathung, die hier 1527 gehalten worden war, setzte Melanchthon die so berühmt gewordenen Visitationsartikel auf, welche von Luther in deutscher Sprache umgearbeitet wurden; hier wurden dem Kurfürsten Johann, ehe er nach Augsburg aufbrach, 1530 die von den Wittenberger Theologen abgefaßten sogenannten Torgauer Artikel vorgelegt, welche die Grundlage bildeten, auf der später Melanchthon die Augsburger Confession errichtete; hier fand das Interim – jene vom Kaiser erlassene Verordnung, wie es in der streitigen Glaubensangelegenheit inzwischen bis zur Entscheidung durch ein allgemeines Concil zu halten sei – als es unter dem Kurfürsten Moritz in Sachsen eingeführt wurde, die meisten und beharrlichsten Widersacher; unter der Regierung August’s, des Bruders von Moritz, entstanden hier bei den Streitigkeiten innerhalb der protestantischen Kirche 1571 die berüchtigten Torg’schen Artikel, eine Anweisung und Vollmacht zu einem Ketzergericht; hier wurde demselben Kurfürsten 1576 das sogenannte Torg’sche Buch übergeben, aus dem durch nochmalige Berathung am 14. März 1577 die leidige Concordienformel hervorging, welche, nachdem sie von drei Kurfürsten, zweiundzwanzig Fürsten, einhundertzweiundzwanzig Grafen, fünfunddreißig Reichsstädten und achttausendzweihundertsiebenunddreißig Theologen unterzeichnet worden war, zum symbolischen Buche der evangelischen Kirche gestempelt und

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 742. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_742.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)