Seite:Die Gartenlaube (1864) 719.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

die aufsteigende. Denn der klare und sichere Blick in die Vergangenheit schärft das gesunde Auge für Gegenwart und Zukunft, und wer die politischen und religiösen Zustände des Mittelalters richtig versteht, wird sich in Beurtheilung der Gesetze nicht irren, nach welchen das Leben der Menschheit sich stets umgestaltet.

Habel war Mitglied der nassauischen zweiten Kammer, wo er durch seine consequente Opposition das Mißfallen der Regierung auf sich zog, die nun ein ebenso consequentes als beliebtes Verfahren gegen ihn beobachtete. Der ewigen Chicane müde, gab er seine amtliche Stellung als Archivrath auf, um sich ganz der Ausführung seines herrlichen Planes zu widmen. Und er hat Sorge getragen, daß sein Werk auch nach seinem Ableben nicht untergehe und seine Lieblinge, die von ihm gepflegten Burgen, nicht verfallen. Wir aber dürfen Goethe’s schönes Wort auf ihn anwenden:

„Die Stätte, die ein edler Mensch betrat,
Ist eingeweiht für alle Zeiten.“



Blätter und Blüthen.

Eine Luftpost in Deutschland. Es ist noch nicht lange her, daß diese Blätter eine ausführliche Beschreibung der durch zusammengepreßte und verdünnte Luft in Betrieb gesetzten Paketpost, welche im Postamte von Eversholt-Street in London mündet, brachten, jetzt hört man schon wieder von einer neuen, auf demselben Princip beruhenden Anlage zur Beförderung von Personen. Dieselbe befindet sich im Gebiete des Glaspalastes von Sydenham und scheint nur zu dem Zwecke eingerichtet worden zu sein, um den Besuchern dieses Ortes das besondere und seltene Vergnügen gewähren zu können, statt mit Dampf nun auch ausnahmsweise einmal mit Luft eine Strecke weit befördert zu werden. Bei dieser Gelegenheit gedenke ich eines deutschen Unternehmens, welches als eine schöne und vervollkommnete Anwendung des nämlichen Princips in Berlin zur Ausführung gebracht werden sollte. Dasselbe ist, so viel ich weiß, nur in einem engern Kreise bekannt geworden, und seit einem Jahre etwa ist auch in diesem vielleicht nicht mehr die Rede davon, sei es, daß augenblicklich im preußischen Staate kein Geld für neue Unternehmungen vorhanden ist, sei es, daß der schleswig-holsteinische Krieg nicht Zeit übrig gelassen hat, sich mit andern Dingen als gezogenen Kanonen und Panzerschiffen zu beschäftigen. Die Idee zu diesem Unternehmen ist, glaube ich, von dem um das preußische Telegraphenwesen hochverdienten Director Chauvin ausgegangen und die Unterhandlungen zur Ausführung waren bereits mit einem namhaften Industriellen Berlins bis nahe zum Abschluß gediehen, als man von der Sache wieder Abstand nahm.

Wie bekannt, müssen die telegraphischen Depeschen, welche vom Central-Telegraphenamt in Berlin nach irgend einem Orte hin befördert werden sollen, durch Boten nach dem Telegraphenamt gebracht werden; ebenso werden die Depeschen, welche daselbst ankommen, durch besondere Boten an ihre Adresse gesendet. Es ist klar, daß die Zeit, welche diese Beförderungsweise in Berlin selbst in Anspruch nimmt, in keinem Verhältniß zu derjenigen steht, welche die Depesche zum Durcheilen großer Länderstrecken nöthig hat. Durch Errichtung von mehreren einzelnen, über die Stadt zerstreuten Depeschen-Annahme-Stellen trug man wohl der Bequemlichkeit des Publicums Rechnung, aber dem Uebel selbst wurde dadurch nicht gesteuert. Selbst wenn man diese Stellen auch durch den telegraphischen Draht mit dem Central-Bureau verbunden hätte, würde man den Uebelstand noch nicht beseitigt haben; denn jede in Berlin aufgegebene Depesche hätte erst nach dem Central-Bureau und von da aus wiederum nach dem Bestimmungsort, und umgekehrt hätte jede aus dem Central-Bureau von außerhalb ankommende Depesche nach der Bezirksstation umtelegraphirt werden müssen. Daß die auswärtigen Orte nicht wegen einer einzelnen Depesche direct mit der betreffenden Bezirksstation in Berlin in Verbindung gesetzt werden können, sieht Jedermann ein, welcher sich einen Begriff von der Zahl der in Berlin ankommenden und der von dort abgehenden Depeschen machen kann. Mit dem Bau des neuen Berliner Börsengebäudes trat noch ein anderer Uebelstand ein. Wegen des enormen Depeschenverkehrs, welcher während der Börsenzeit von den Börsenmännern mit den bedeutenderen Städten Deutschlands und des Auslands unterhalten wird, sah man sich genöthigt, im Börsengebäude selbst Telegraphenapparate aufzustellen, um von hier aus direct – ohne erst die Central-Telegraphenstation zu benutzen – nach den betreffenden Orten telegraphiren zu können. Während der Börsenzeit müssen also alle Depeschen, welche zur Beförderung nach der Centralstation gebracht werden, warten, bis die Börsenzeit vorüber ist. Diese Benachtheiligung des großen Publikums zu Gunsten der Börsenwelt erheischte eine Abänderung des Verkehrssystems, und man verfiel unter diesem Drängen der Uebelstände auf die Luftröhrenposten. Man wollte die an passenden Orten der Stadt errichteten Bezirksstationen durch Röhrenposten mit der Centralstation verbinden, und das neue Börsengebäude selbst sollte eine Bezirksstation werden. Die auf Papier geschriebenen und auf einer Bezirksstation aufgegebenen Depeschen sollten nun durch das Rohr nach der Centralstation und die daselbst von außerhalb ankommenden Depeschen sollten ebenfalls auf Papier geschrieben und ebenfalls durch das Rohr nach der betreffenden Bezirksstation befördert werden.

Man hatte sich von vorn herein überzeugt, daß, damit dieses Depeschen-Beförderungs-System einer Entwickelung und Ausdehnung dem Wachsthum der Stadt Berlin gemäß fähig sei, jede Bezirksstation durch einen doppelten Röhrenstrang mit der Centralstation verbunden werden müsse. Der eine befördert dann die Depeschen in der Richtung von der Peripherie zum Centrum, der andere in umgekehrter Direktion. Die beiden Röhren, welche auf der Bezirksstation verbunden sind, münden auf der Centralstation mit einer Oeffnung in einen großen Windkessel, welcher zusammengepreßte, und mit der anderen Oeffnung in einen andern großen Windkessel, welcher verdünnte Luft enthält. Eine von einer Dampfmaschine fortwährend in Bewegung erhaltene Pumpe saugt zu gleicher Zeit aus dem einen Windkessel die Luft und drückt sie in den anderen hinein, wodurch ein continuirlicher, im Kreislauf sich bewegender Luftstrom durch die einzelnen Röhrensysteme getrieben wird. Dieser Luftstrom kann in jedem Moment, sowohl auf der Central- als auf der Bezirksstation benutzt werden, Depeschen in kleinen mit vier Rädern versehenen Wagen abzusenden. Wegen der doppelten Röhrenstränge ist keine Gefahr vorhanden, daß ein Depeschenwagen sich mit einem andern treffe, und so können von Secunde zu Secunde immer neue Depeschenwagen den eben abgegangenen nachgesendet werden.

Dieses interessante und schöne Project sollte zuerst zwischen der neuen Börse und der Central-Telegraphenstation ausgeführt werden. Die Entfernung beider Punkte beträgt auf dem in Vorschlag gebrachten Wege ungefähr 3000 Fuß, und bei einer Geschwindigkeit von 30 Fuß in der Secunde hätte der Depeschenwagen noch nicht ganz zwei Minuten gebraucht, um diesen Weg zu durchlaufen. Hätte sich diese Strecke bewährt, dann sollten hierauf die Bahnhöfe mit dem Telegraphengebäude verbunden werden, und so wäre das System nach und nach über die ganze Stadt ausgedehnt worden. Daß man mit der neuen Börse den Anfang machen wollte, daran gerade ist, wie ich vermuthe, das ganze Project gescheitert. Die Börsenwelt steht sich bei dem jetzigen Beförderungssystem zu gut, als daß sie wünschen sollte, eine Aenderung eintreten zu sehen. Die reiche Kaufmannschaft von Berlin besitzt aber eine große Macht, und wer weiß, ob sie nicht Schuld daran hat, daß bis jetzt die Luftpost noch ein – Luftschloß ist! R. H.     


Der theuerste Farbstoff der Welt. Im Alterthum hielt man den Purpur dafür, jenen Saft einer Schneckenart, mit welchem ein Schäferhund sich zuerst die Schnauze gefärbt hatte. Purpurkleider durften nur die Edlen tragen – heut zu Tage vermag sich das ärmste Spinnermädchen, Dank der Chemie, ein schönes, gefärbtes Sonntagskleidchen zu erzeugen. Im Mittelalter, als der fromme Sinn die Riesenbauten gothischer Kirchen aufführte, lernte man mittels Gold in der Glasmalerei jenes glühende Roth hervorbringen, dessen Geheimniß nachher Jahrhunderte lang verloren war, bis neuere Forschungen das Recept wieder zu Tage brachten. – Das echte Ultramarin, aus dem Lapis-Lazuli dargestellt, der weit hinten aus der Mongolei in den Handel kam, wurde im vollen Sinne des Wortes mit Gold aufgewogen. Heute kauft man für denselben Preis, den früher ein Loth kostete, einen ganzen Centner des künstlich aus Thon, Soda, Eisen und Schwefel erzeugten, aber ebenso schönen Farbstoffes.

An und für sich sind diese Farben also kaum von einem nennenswerthen Preis, sie erhalten aber einen Werth durch die Art ihrer künstlerischen Verwendung. Es giebt kleine Gemälde, kaum von der Größe einer Schiefertafel, die für viele tausende von Thalern verkauft werden – des Künstlers Genie hat den ursprünglichen Werth der Farbenkörper vermillionenfacht.

Alles Können, alles Genie aber und aller Geist vermögen nicht bei der Menge die höchste Stufe der Werthschätzung zu erklimmen. Das vermag allein die Curiosität, die Seltenheit – sie wird höher bezahlt (darin liegt für die Menge ja der Maßstab) als die erhabensten Schöpfungen des Genius.

Wenn die Möglichkeit geboten werden könnte, ein Werk der Tonkunst, etwa eine Beethoven’sche Symphonie, der Menschheit nur mit einer Summe von Hunderttausenden zu gewinnen oder zu erhalten, andernfalls solle es unwiederbringlich verloren sein – die Mittel dazu, man kann die Behauptung wagen, würden nicht aufzubringen sein. Wir haben ja genug dergleichen Musik! Dagegen reißen sich die Menschen um einen Diamant, der ihnen nichts ist als ein Stück Kohle, um Rubine, die aus schlechtem Thone bestehen. Die Edelsteine insgesammt sind ihren Bestandtheilen nach durchaus nichts besonders Werthvolles. Einzelne ihrer Eigenschaften, bedeutende Härte zum Beispiel, geben manchen zwar einen wirklichen Werth, insofern dieselben dadurch zu technischen Verwendungen geschickt werden, – allein das besonders an den Edelsteinen Geschätzte ist ein eingebildeter Gehalt, der durch die Seltenheit vervielfacht wird.

Glanz, Durchsichtigkeit und Farbe machen den Kiesel zum gesuchten Amethyst, die Thonerde zum kostbaren Sapphir. Der gewöhnliche Beryll, welcher in centnerschweren Krystallen vorkommt, wird in erbsengroßen Stückchen mit ungeheuren Summen bezahlt, wenn er schön rein und grün und durchsichtig ist. Die Hauptbestandtheile aller sind so häufig in der Natur, daß sie für nichts geachtet werden. Bergkrystall und Amethyst sind in Allem gleich, nur enthält der letztere eine unwägbare Spur Mangan, welches die Ursache seiner violetten Farbe und seines vielmal höheren Preises ist. Mangan aber wird im Harz in ungeheuren Massen gewonnen, und alle Amethysten der Welt enthalten zusammen nicht soviel davon, als dort ein einziger Bergmann in einem Tage fördern kann.

Der Smaragd ist durch Chromoxyd gefärbt, welches man in der Porzellanmalerei anwendet; der Spinell verdankt seine Farbe demselben Körper, der Granat ist durch Eisen oder Mangan, der Rubin wieder durch Chrom, der Türkis durch Kupfer gefärbt etc. Durch diese an und für sich werthlosen Stoffe erhalten die Edelsteine ihr Aussehen und ihren hohen Preis, denn farblos würden sie oft kaum beachtet werden. Eisen, Mangan, Chrom und Kupfer treten hier also als die theuersten Farbstoffe auf. In einzelnen Beispielen steigert sich dies bis in’s Unglaubliche. Was man aber auch davon erzählen kann, – Alles wird übertroffen durch einige

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 719. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_719.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)