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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

„Aber Sie wußten ja, Herr Allmer hatte Ihnen ja gesagt, daß es mein sehnlichster Wunsch, mein seit Jahren gehegtes Verlangen sei, Falkenrieth zu besitzen, daß ich eine Summe dafür geboten, für welche es mein geworden wäre, wenn kein Anderer, wenn Sie nicht gekommen …“

„Davon weiß ich keine Silbe!“

„Allmer hatte es Ihnen nicht gesagt, Ihnen den Kauf nicht widerrathen?“

„Widerrathen? … er hat mir den Kauf gerathen … nur sich geweigert, Theil daran zu nehmen, d. h. mich bei dem wirklichen Abschluß zu unterstützen.“

„In der That?“

„So ist es!“

Eugenie schien aus einer Ueberraschung in die andere zu gerathen.

„So sind Sie allerdings gerechtfertigt in dem, was Sie wider meinen Vetter und mich unternommen – aber wider meinen Vater …“

„Auch wider Ihren Vater habe ich ein Verbrechen begangen?“ rief Horst aus.

„Sie wissen, er hat eine kindliche Freude an seinen Sammlungen, und das Juwel dieser Sammlungen …“

„Habe ich … doch nicht etwa geraubt, zerstört?!“

Eugenie antwortete nicht; sie sah ihn nur mit ihren großen, verwunderten Augen an.

„Nennen Sie es mir, das Juwel … und ich will Boten nach allen vier Weltgegenden aussenden, um es wieder herbeischaffen zu lassen und es Ihrem Vater zu ersetzen!“

„Nein … in der That … Sie sind kein böser Mensch,“ sagte Eugenie mit einem plötzlich eigenthümlich veränderten Wesen, ihre Gestalt aufrichtend, mit lächelndem Antlitz und mit Wimpern, in die Thränen schossen, und dabei Horst ihre Rechte entgegenstreckend „… wir haben Ihnen viel, viel abzubitten und ich am meisten!“

„Nichts, nichts, was ich Ihnen nicht verzieh,“ rief Horst, ihre Hand ergreifend, „nichts, was ich nicht vergäße über dem Glück dieses Augenblickes, der alle meine schönen Hoffnungen wieder aufleben läßt, die Träume, die ich hegte, nachdem ich Sie zum ersten Male hier in Falkenrieth gesehen …“

„O, lassen Sie uns nicht von Träumen reden,“ fiel hastig und dunkelroth werdend Eugenie ein, „die harte Wirklichkeit umschließt uns zu eng, uns arme Gefangene; ich hoffe, Sie denken jetzt an nichts Anderes, als an unsere Befreiung.“

„Unsere Befreiung – Sie haben Recht … soll ich Ihnen mein Mittel nennen?“

„Muß ich denn gestehen, daß ich seit einer halben Stunde brenne, es zu erfahren?“


(Schluß folgt.)




Leipzigs Wasserpionier.


Ein Industriebild. Von Friedrich Hofmann.


„In der großen Seestadt Leipzig –“

so beginnt ein altes Scherzlied, welches ohne Zweifel die ausgedehnten Sümpfe verherrlichte, mittels deren es einst Leipzigs schöner Gegend gelungen war, hier Osten und Westen unnahbar zu trennen. Es gehörte der hohe Dammbau der Leipzig-Lindenauer Chaussee dazu, um die deutschen Brüder diesseits und jenseits der Sümpfe zueinander zu bringen. Und wenn die drei Ströme dieser Ebene, die tückische Elster, die verdächtige Pleiße und die gemüthliche Parthe den ihnen eigenthümlichen Uebermuth des Ueberflusses entwickelten, so mochte Leipzig zu einer temporären Seestadt wohl Wasser genug haben, aber weiter nichts.

Anders ist es heute, ja gerade umgekehrt. Die ehemalige Macht der Ueberschwemmungen ist gebrochen, üppiges Wiesengrün wurde Herr über die Sumpflächen, der prahlerische Spiegel weiter Wasserflächen heuchelt kein Seebild mehr in die Ebene der Weltschlachten, – aber ein viel überraschenderes Wunder fesselt Dich, reisender Mann, der Du von Lindenau des hohen Weges her Dich der alten Stadt der Messen, Buchhändler und Lerchen nahest: der schrille Pfiff der Dampfpfeife schreit, Du blickst hinüber zur Rechten, und Du traust Deinen Augen kaum – ein Dampfschiff fährt zwischen dem grünen Meer der Wiesen dahin! Es ist wahrhaftig so! Die Dampfsäule steigt auf und legt sich zwischen die Erlen, Hainbuchen und Eichen, welche den Weg des Schiffs beschatten, und auch die Schiffsglocke ertönt – eine andere Dampfsäule kommt dieser von der Stadt her entgegen, Wimpel flattern, es kracht der Böller – Dein letzter Zweifel schwindet, und Du eilst in die neue Seestadt, um mit eigenen Augen zu sehen, welch Leben sich in ihrem Hafen entwickelt.

Eile nur, Du bist gerade zurecht gekommen – zum denkwürdigen 25. Juni 1864, dem Feste der Einweihung eines Canals, welcher die Elster mit der Pleiße verbindet und einen directen Schifffahrtsverkehr zwischen den Bahnhöfen der Stadt und dem großen Canal ermöglichen soll, der einst die Gewässer Leipzigs mit der Saale verbinden wird. – Wir begeben uns zum ehemaligen durch die Messen weltbekannt gewordenen Gerhard’s Garten. Dort sehen wir deutsche, sächsische, leipziger und schleswig-holsteinische Fahnen von Gebäuden und Bäumen lang herabwallen, Dampf qualmt auf, und vieler Menschen Stimmen murmeln und schreien durcheinander. Dort ist der Hafen; aber sie bauen ihn erst; auf schwankem Stege überschreiten wir die Pleiße, vor uns dringt der neue Canal in Gerhards Garten hinein, und jenseits drängen Hunderte von Männern durcheinander, trotz des beginnenden Regens Alle mit frohen Festgesichtern, aus denen der Stolz strahlt, Zeugen der Krönung eines gelungenen schweren Werkes und Gäste eines Mannes zu sein, der die Krone des Tages trägt.

Da steht er, der Doctor Carl Heine, jener „Leipziger Bürger“, welchem die Gartenlaube schon 1856 ein Denkmal der Anerkennung in ihren Spalten setzte. Carl Heine gehört zu den thatkräftigen Geistern unserer Nation, aber nicht zu denen, welche fruchtverheißende Gedanken über weite Länder ausstreuen und ganze Völker fernen Zielen entgegenführen, sondern zu den energisch-praktischen, welche auf beschränktem Gebiete Großes leisten, ihre engste Heimath zu ihrem Wirkensfelde ausersehen und hier die widerstrebende Natur mit dem Aufwande aller Kraft zwingen, eine andere Gestalt anzunehmen und die Mittel, die sie bisher zum Schaden für Tausende in Ueberfluß hatte, in den Nutzen für Hunderttausende zu verwenden. Darin besteht die Größe des Mannes, in ihr ist er ein Muster deutscher Bürgertugend und darum ein würdiger Gegenstand nochmaliger Besprechung in diesem Weltblatte.

Im neuen Canal und in der Pleiße liegen die Fahrzeuge bereit. Ein neues Dampfschiff von 15–18 Pferdekraft, für hundert Personen, nach Art der Alsterdampfschiffe von Schlick in Dresden erbaut, macht heute seine erste Fahrt. Zwei ältere Dampfschlepper stehen bereit, mächtige Boote, von 120 Fuß Länge, 16 Fuß Breite, mit Kajüten versehen und festlich geschmückt, in’s Tau zu nehmen; diese drei Fahrzeuge und viele kleinere Boote und Barken nehmen die fünfhundert besonders geladenen Gäste des Festgebers auf. Ein Boot mit Musik begleitet sie, ein zweites dergleichen führt einen zweiten Zug von Booten, in welchem die fünfhundert Arbeiter Heine’s Platz finden. Die Musik ertönt, Böller krachen, ein Hoch erschallt, beantwortet von Tausenden an den Ufern und an den Fenstern der Gebäude, ein Blumenregen fällt auf Heine’s Festgondel, und die Fahrt beginnt.

Wenn Männer einer Stadt in erhöhter Stimmung vor den Werken eines Mannes stehen, der Bürger ist, wie sie, so reißt das Herz sie über die Rücksichten des Alltags fort, und sie fühlen es in solchen Augenblicken ihrer eigenen Ehre schuldig, der Wahrheit allein die Ehre zu geben. Darum lauschen wir in stiller Freude, wie hier, weß das Herz voll ist, der Mund übergeht.

Wir fahren den Schleußen des Canals entgegen.

„Mag’s auf meine alte Glatze regnen, den Hut zieh’ ich ab vor einem Bau, der unsern Vätern im Traum zu kühn gewesen wäre. Und das ist eines Mannes Arbeit, wir fahren durch ein neues Land, das ein Mann aus Sumpf und Oede geschaffen hat!“

„Wenn wir ihn recht bewundern sollen, müssen wir von ihm

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 692. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_692.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)