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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

und da die scharfe Stahlkante, dies feine Sägeblatt, äußerst dünn ist, so werden die Zähnchen bei der jedesmaligen Benutzung und Wiederherstellung der Klinge in ihrer Form verändert.

Das Rasiren besteht also eigentlich aus einem Durchsägen des Barthaares; das Messer wird stumpf durch ein Verbiegen oder Ausbrechen der kleinen Zähne und durch das Abziehen wieder geschärft, indem dadurch die kleinen Zähne wieder gerade gerichtet werden.

Fig. 1 und 2. Alte Art das Rasirmesser abzuziehen.

Nun weiß man aber, daß eine Säge am kräftigsten wirkt, wenn ihre Zähne nach der Stoßrichtung hin stehen; daß sie dagegen ziemlich effectlos über die Unterlage hingleitet, wenn sie die entgegengesetzte Bewegung ausführt. Beim Rasirmesser muß sich’s demnach ebenso verhalten: es muß am besten schneiden, wenn seine Zähnchen nach der Seite hin stehen, nach welcher das Messer geführt wird. Es geschieht dies aber immer nach der Hand hin, das Messer wird durch das Haar gezogen, nicht gestoßen, und wenn es am besten schneiden soll, so müssen also seine Zähne durch das Abziehen nach dem Hefte des Messers zu gerichtet werden.

Fig. 3 und 4. Neue Art das Rasirmesser abzuziehen.

Das ist der Kern der Sache. Er wird aber bei der gewöhnlichen Behandlung der Messer immer verfehlt. Denn gebräuchlicherweise geschieht das Abziehen in der Art, daß das Messer, wie es in Figur 1 und 2 abgebildet ist, von dem Griff nach der Spitze hin über den Riemen geführt wird; die Zähne müssen sich also nach der Spitze zu richten (wie es nebenbei jede Abbildung in vergrößerter Art darstellt) und gleiten beim Rasiren, weil dabei das Messer wieder in derselben Richtung bewegt wird, über das Haar hinweg, wie eine Stoßsäge beim Rückgange. Die volle Kraft des Messers kann so nicht ausgenutzt werden.

Wenn man aber das Messer so streicht, wie es Figur 3 und 4 zeigen, das heißt von der Klinge nach dem Heft zu, so werden die Zähnchen entgegengesetzt gerichtet und so gestellt, wie es für das Rasiren am günstigsten ist. Das Messer wirkt der Natur der Sache entsprechend dann nicht wie eine Stoßsäge, sondern wie eine Zugsäge, und der erste Versuch mit einem der Art abgezogenen Messer wird das Vortheilhafte der neuen Methode zeigen. Es giebt zwar eine alte Regel, nach welcher die letzten Züge über den Streichriemen so gemacht werden sollen, daß dabei das Messer von dem Körper abgeführt wird, allein sie ist wohl wenig bekannt oder wird von Vielen für nichts bedeutend gehalten, weil man keinen Grund dafür anführen konnte. In dem Gesagten liegt derselbe, und wir haben unsere Leser mit einer Theorie bekannt machen zu müssen geglaubt, welche, obwohl sie nützlicher ist als manche großartige phantastische Welthypothese, bisher nur in wenige technische Zeitschriften übergegangen ist.

Wir hoffen, daß mancher Wuthschrei unterdrückt, manche Thräne getrocknet wird, wenn die Messer nicht mehr nach der alten Methode (Fig. 1 u. 2), sondern nach der neuen (Fig. 3 u. 4) abgezogen werden.




Blätter und Blüthen.

Die Jesuiten – immer die alten. Als Eugen Sue seinen „Ewigen Juden“ veröffentlichte, hielten Manche dessen Schilderungen von den Jesuiten für Dichtungen und zwar für Ausgeburten der gehässigsten Verfolgungssucht gegen eine Gesellschaft sehr ehrenwerther Männer. Sue hat aber nur zu wahr gezeichnet, die Jesuiten von heute sind von genau demselben Schlage, wie vor hundert Jahren, die Störer des confessionellen Friedens und darum die Schädiger und Verwirrer der bürgerlichen Gesellschaft. Zu ihrer Thätigkeit bedürfen sie ungewöhnlicher Geldmittel, und darum sieht ihr Sinn vor Allem nach den irdischen Gütern ihrer Pflegebefohlenen. Wie der römische Kaiser, als er die Urinsteuer empfing, sagte: „Dem Gelde riecht man es nicht an,“ so sagen sie: woher und wie das Geld kommt, ist gleichgültig, wenn wir es nur bekommen; unser heiliger Zweck heiligt unsere Mittel, wenn diese auch etwas unheilig sein sollten.

Im Mai des Jahres 1864 ereignete sich zu Brüssel eine von den Jesuiten selbst ausnahmsweise einmal höchst unvorsichtig herbeigeführte Gerichtsverhandlung, welche gerade eine solche Schaudergeschichte, wie sie nur von Romandichtern erfunden sein sollte, an das helle Tageslicht brachte.

Ein kürzlich von den Galeeren entlassener Mann war Seitens mehrerer Jesuiten denuncirt, sie mit dem Tode bedroht zu haben. Und was ergaben die Verhandlungen? Um eine grandiose Erbschleicherei an einem Millionär zu Antwerpen ausführen zu können, hatten die Jesuiten einen der zunächst berechtigten Erben, den Neffen des reichen Mannes, unter ihre Flügel genommen. Ein alter Jesuiten-Pater hatte ihn so erfolgreich behütet, daß der junge Mensch schon im siebenzehnten Jahre auf die Bahn des Verbrechens gerieth. An dem langen Faden, von dem schon der Groß-Inquisitor in „Don Carlos“ spricht, durch die frommen Väter geleitet, kam er nacheinander in eine Irrenanstalt, dann auf die Galeere. Einen gemeinen Verbrecher zu enterben, konnte der reiche Onkel natürlich leicht veranlaßt werden, und für alle Fälle sagte man den Neffen todt, denn er lebte ja im Bagno unter einem andern Namen. Aber die Strafzeit des Erben erreichte ihr Ende; wenn er frei blieb, konnte er sehr gefährlich werden; also es galt, ihn auf’s Neue unschädlich zu machen. Der alte „Erzieher“ hatte aber auch diesen Fall längst vorgesehen, er hatte sich von seinem folgsamen Zögling schon vor Jahren ein schriftliches Sündenbekenntniß, angeblich für den Onkel, geben lassen; dieses unter dem Siegel der Beichte empfangene Schriftstück übergab er nun der Justiz in dem Moment, als der arme entlassene Sträfling wegen Vagabondage vor Gericht stand – und erreichte dadurch eine neue Verurtheilung zu zehn Jahren Galeere. Der Onkel starb, die Jesuiten bekamen das große Vermögen; aber auch die neue Strafzeit verging, und um den rechtmäßigen Erben nun für den ganzen Rest seines Lebens unschädlich zu machen, erfolgte eine neue Denunciation auf Grund eines Briefes, worin der Neffe den Jesuiten den Tod angedroht haben sollte. Die Jesuiten hatten sich den Ausgang des Schwurgerichts anders gedacht, als er kam. Der von ihnen Angeklagte wurde freigesprochen, sie aber schlichen als Verurtheilte vor Gott und den Menschen aus der Gerichtshalle heim.

Hinterher sagen jetzt die Jesuiten, sie seien zu gutmüthig und schonend, ihre Zeugen zu dumm und die Sachwalter ihres Angeklagten zu verschlagen gewesen; der Präsident habe die Fragen an die Geschworenen absichtlich verkehrt gestellt, und die Geschworenen seien Schufte, und an dem Ganzen seien die Freimaurer schuld. Das Alles beten die ultramontanen Blätter in Deutschland gehorsamst nach; und als die deutsche Presse die Verhandlungen übertrug und damit das Volk in den Stand setzte, sich selbst ein Urtheil über diese belgische Geschichte zu bilden, da mußten die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_687.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)