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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

alte, malerische Zimmer, welches er irgendwo – im Renthendorfer Pfarrhause wahrhaftig nicht! – entdeckt, da hinein zeichnete und malte er den alten Herrn, so wie er leibte und lebte. Eine von Heuglin gesandte Vogelkiste ist angekommen; die in ihr enthaltenen Schätze liegen noch auf den Dielen zerstreut; nur der Balaeniceps Rex hat bereits einen Platz gefunden, ein deutsches Blaukehlchen aber einen Ehrenplatz in seiner Hand. Das Bild, welches jetzt im britischen Museum hängt, ist treu und wahr; – nur das reiche Arbeitszimmer ist eine harmlose Lüge des Künstlers.

Soll ich nach diesem auch noch von dem Vater erzählen? Es bedarf der weiteren Worte nicht.

Ein Mann, welcher ein Priester war, wie er, muß auch als Vater und Gatte ein wahrer, voller, ganzer Mensch gewesen sein. Er hat nach meinem Dafürhalten nur einen Fehler gehabt: er war auch gegen uns so mild, so nachsichtig, wie gegen die übrige Menschheit, vielleicht zu mild, zu nachsichtig. Kommt es mir zu, deshalb mit ihm zu rechten?

Der Vater hat viel Schweres erlebt und ertragen. Er hat sein erstes, geliebtes Weib und acht seiner Kinder verloren; er hat von mir Nachricht erhalten, daß sein in Afrika mit mir forschender Sohn Oskar vor meinen Augen im Nile ertrank; er hat meine einzige Schwester in der Blüthe ihrer Jahre hinabsenken sehen in die kühle Erde; er hat den Schmerz ertragen müssen, daß nicht alle seine Kinder genugsam befähigt sind, um sich selbstständig durch’s Leben zu helfen: er hat das Schwere getragen mit der ihm eigenen Kraft und Geduld. Er hat aber auch große Freuden gehabt: Freude an der Natur und ihren Erzeugnissen, Freuden im Schooße seiner Familie und außerhalb derselben. Er ist beglückt worden durch Freundschaften, wie sie selten sind, und hat Ehren empfangen von nah und fern. Ein gewöhnlicher Maßstab ist nicht an ihn zu legen. Seinen Namen hat er sich selbst eingetragen in den Büchern der Wissenschaft, und uns hat er in diesem Namen ein Erbtheil hinterlassen, welches wir uns erst noch einmal verdienen müssen, bevor wir es als unser Eigenthum ansehen dürfen.

Ich weiß nicht, ob ich den Vater so beurtheilt habe, wie meine Pflicht den Lesern vorstehender Zeilen gegenüber es verlangt. Die, welche den Mann kennen lernten, als Geistlichen wie als Forscher, mögen entscheiden, ob ich zu viel über ihn gesagt. Leicht ist es mir nicht geworden, von ihm zu reden: es schreibt sich schwer, wenn das Auge sich trübt über der Arbeit.

A. Brehm. 




Klopf- und Spukgeister in Sachsen.

Alle redliche Arbeit des deutschen Geistes strebt zum Licht. Aus einsamen Werkstätten und Studirstuben traten die Männer hervor, um sich unter Gottes Sonne die Hände zu dem großen Fortschrittsbunde zu reichen, der in den ewigen Gesetzen der Natur die einzig feste Grundlage alles Menschenglücks erkannt hat. Zu diesem aller Welt offenkundigen Bunde gehörten von je Alle, die wir als Wohlthäter der Menschheit verehren und deren Kampf gegen die Bollwerke und das Rüstzeug der Finsterniß gerichtet war, die den Wahn gebar und hegte und schleichend ausbreitete gerade in jenen dichten Massen der Völker, in welche die Sonne der Bildung so schwer eindringt. – Der Kampf war schwer, aber dennoch ist’s Licht geworden in weiten Länderstrichen der Erde, – und mit hoffnungsfrohem Herzen sieht der Menschenfreund auf den Fortschritt der Zeit, und vor Allem der deutsche Patriot auf die gesunde, jedes Hinderniß kräftig überwindende Entwickelung der einzig wahrhaft menschenbeglückenden Bildung im deutschen Volke.

Da – mitten in diese Freude, in diese Siegesgewißheit der rastlosen Ringer nach dem höchsten Bildungsziel wirft im Lande Sachsen ein Mann mit einem Gelehrtentitel uns ein Stück aus der wüstesten Wucherzeit des Aberglaubens als ein Resultat neuester deutscher wissenschaftlicher Forschung vor die Füße – eine so plumpe Satire, einen so lichthaßtriefenden Hohn auf das Streben der erhabensten Geister unserer Nation und den von allen Völkern geachteten Standpunkt deutscher Cultur, daß sich die Faust von selbst ballt, die den Wisch in den Winkel schleuderte. – Aber lange kann der Zorn nicht dauern, wir blicken wieder und wieder in das blaue Heft, und endlich haben wir’s in das rechte Licht gelegt, in welchem wir es unsern Lesern – nicht zu ihrer Beunruhigung, nicht zu ihrer Empörung, sondern zu ihrer Erheiterung – vor Augen bringen können.

Aus dem heimlicherweise vielbesuchten Schmollwinkel des deutschen Büchermarkts, in welchem neben den alten schielenden Weibern, welche das „wahrhaftige Traumbüchlein, gedruckt in diesem Jahr“ feil bieten, die Tractätleinverkäufer in ihren langen Angströcken stehen, die Augen gen Himmel verdrehend, und hinter schmutzigen Tischen voll „Geheimmitteln“ runde Reclamegesichter lächeln, aus diesem düsteren Schmollwinkel der gruseligen, windigen und lichtscheuen Literatur drängt sich, angethan mit dem Loyalitätsfrack der „Schriftgemäßheit“, der Herr Doctor K. A. Berthelen aus Zittau bis auf des Marktes Mitte, das erste Heft einer Schrift emporhaltend, welche den Titel führt: „Die Klopf- und Spukgeister in Oderwitz und Herwigsdorf bei Zittau, mit ähnlichen Erscheinungen der Vergangenheit und Gegenwart verglichen und ganz einfach erklärt.“ In dem Vorwort zu derselben sagt er wörtlich: „Ich erkläre diese wunderbare Geschichte von meinem eigenthümlichen wissenschaftlichen Standpunkte aus und nach den Erfahrungen und Studien, welche ich mir auf dem Gebiete der Geisterkunde erworben; denn ich bin mir bewußt, daß ich bei der wissenschaftlichen Erforschung dieser geheimnißvollen Geschichte den höchsten und vielseitigsten Standpunkt eingenommen, der sich überhaupt erklimmen läßt!“

Wir lassen ihn nun „die Thatsachen“ – jedoch, um nicht gegen seine Clausel: „Nachdruck und Uebersetzungsrecht ist vorbehalten“ zu verstoßen, nur im Auszuge – selbst erzählen.

„Es war um die Zeit vor der heiligen Weihnacht des Jahres 1863, daß in dem Häuschen des Webers Biehayn zu Nieder-Oderwitz ein heimliches, und eben deshalb unheimliches Klopfen und Pochen sich hören ließ, ohne daß es den Bewohnern des Hauses gelang, zu entdecken, wer oder was es war, das da klopfte, obgleich es sich alltäglich, besonders Abends wiederholte. Weil man nun diese Erscheinung nicht anders als menschlich und von einem Menschen ausgehend sich denken konnte, so warf man den Verdacht auf die sechzehnjährige Louise Steudner aus Herwigsdorf, welche seit einem halben Jahre bei Biehayn als Webermädchen (Wirkmagd) diente. Man traute diesem einfachen Kinde so viel Geschicklichkeit zu, daß, während sie an ihrem Webstuhl wirkte, sie auch das Klopfen zuwege brächte, was bald an die untere, bald an die obere Stubenwand immer wie von außen erfolgte und so laut war, daß es das Geräusch des Wirkstuhles übertönte. So befremdend nun auch dieses sonderbare Klopfen den Hausgenossen anfangs war, so gewöhnten sie sich doch mit der Zeit daran, wie sich der Mensch an Alles gewöhnt, selbst an das Unangenehmste. Dann und wann kam wohl ein neugieriger Nachbar und frug an, ob es denn immer noch klopfe, forderte wohl auch das Klopfeding oder klopfende Wesen durch Klopfen mit dem Finger auf den Tisch gleichsam zur Antwort heraus, was auch wirklich manchmal gelang, dergestalt, daß das Wesen mit derselben Anzahl Schlägen zu antworten pflegte, mit der es gefragt und aufgeweckt wurde. Manchmal antwortete es aber auch gar nicht. Der Wirkmagd war aber dies Klopfen nicht so kurzweilig, wie jenen Leuten, da sie es natürlich verdroß, daß man just sie im Verdacht hatte, als ob sie das Klopfen künstlich erzeuge, während sie sich doch nichts Böses bewußt war, noch darüber Rechenschaft geben konnte, wie es zuging. Klopfte es ja doch, gleichsam um ihre Unschuld zu beweisen, unverändert fort in demselben Hause, während sie einmal wegen einer Halsentzündung nach Hause gegangen und dort zehn Tage geblieben war. Aber auch dieser Umstand änderte die Gedanken der Mißtrauischen nicht, sie verfolgten nun einmal das Mädchen mit ihrem Argwohn. Diesem zu entgehen, floh dasselbe zunächst wieder zu seinen Eltern[1] Da es aber diesmal dort nur einen Tag lang mit der Klopferei verschont blieb, weilte es nur vier Tage daselbst, suchte ein neues Unterkommen als Wirkmagd bei einem Weber Lorenz wieder in Nieder-Oderwitz, und als es auch hier den andern Tag ebenfalls von diesem Spuck heimgesucht ward, nahm es seine Zuflucht wieder zu den Eltern nach Herwigsdorf. Als es nun dort bei dem Klopfen nicht blieb, sondern anderer viel gröberer Unfug sich hinzugesellte, es unter anderm sogar mit Steinen warf, so


  1. Dies war am 2. Januar 1864.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_664.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)