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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Ihr’s sein müsse, und gab mich auf den Lauf, um’s Ihnen zu bringen, weil ich Sie nach Tisch hatte auf Falkenrieth zureiten sehen …“

„Ich danke Dir in der That … wie heißt Du?“

„Ich bin des Waldkaspars Franz … geben Sie mir etwas, gnädiges Fräulein!“

Das gnädige Fräulein griff in eine Falte ihres Reitrockes, und roth werdend zog sie die Hand leer wieder heraus, einen verlegenen Seitenblick auf den Fremden werfend.

„Wir sind so arm,“ sagte der Junge, sich zu dem fremden Herrn wendend.

Der Fremde zog eine Börse hervor, öffnete sie und mit einem unbefangenen Lächeln sagte er: „Mein Junge, ich habe nicht einen rothen Pfennig!“

Die junge Dame sah mit einem Blick, worin etwas von Verwunderung und etwas von Schadenfreude lag, den Käufer von Schloß Falkenrieth an; dann sagte sie mit spöttischem Ton: „Nun, Sie werden Falkenrieth wohl nicht theurer machen.“ Und zu dem Jungen sich wendend: „Mein guter Bursche, willst Du morgen Nachmittag wieder hier sein? Dann werd’ ich Dir einen Gulden mitbringen, hörst Du?“

„Es ist gut!“ sagte der Bursche ein wenig verdrossen und ging, um hinter der Ecke des Gebäudes wieder zu verschwinden.

Sie schwang sich jetzt in den Sattel, während der Fremde das Pferd hielt. Als sie die Zügel genommen hatte, blickte sie auf den jungen Mann mit einer Miene herab, in welcher sich jetzt ein Ausdruck verlegenen Zweifels malte, sie bewegte die Lippe, als ob sie sprechen wolle, und schwieg doch und erröthete dann, als ob sie etwas gesagt, was sie verlegen mache, endlich sagte sie halblaut: „Wie werden Sie denn weiterreisen können, wenn …“

„Wenn Sie Ihren letzten Groschen schon vor zwei Stunden einem Bettler geschenkt haben?“ fiel der junge Mann ein, da sie sich unterbrach; „ich danke Ihnen für Ihre Sorge, mein gnädiges Fräulein; in einer Stunde werde ich daheim sein!“

„Dann leben Sie wohl, ich danke Ihnen für Alles, was Sie an mir und meinem Pferde gethan!“

Mit einem huldvollen Lächeln neigte sie den Kopf und ritt davon. Der Fremde schaute ihr eine Weile nach, als ob seine Blicke ihr magnetisch angezogen folgten; dann, wie aus einem Traum erwachend, sagte er: „Was mag sie von mir denken – keinen Pfennig Geld in der Tasche und große Reden führen – Schloß Falkenrieth kaufen! Welch ein Renommist! Wie boshaft sie mir’s vorwarf! Wie sarkastisch!– Es war abscheulich!“ Er lachte auf, dann fuhr er mit einem tiefen Seufzer sehr ernst fort: „Ach, es ist oft sehr hart, keinen Pfennig zu haben … wir kennen das ja!“

Er schritt voran, den Fußsteig, den er gekommen, nach rechts hin weiter verfolgend, während die Dame einen Fahrweg nach links eingeschlagen hatte. Bevor sie hinter den Waldbäumen, die sie jetzt erreicht hatte, verschwand, blickte sie noch einmal nach dem Wandernden um; er grüßte lebhaft winkend und erröthete dann über das, was er gethan.




3.

Der Weg, den der junge Mann verfolgte, führte aus den Bergen heraus in ebnere Gegend, worin der Anbau vorherrschte. Hier und da lagen kleine Gehöfte; nach einer halben Stunde hatte er einen Weiler erreicht, und durch die einzige breite Gasse desselben schreitend, kam er an ein altes verfallenes eisernes Gitterthor, hinter welchem eine dunkle Ulmenallee auf einen hohen stattlichen Edelhof zuleitete. Das Gitterthor war verschlossen, aber die kleineren Einlässe rechts und links daneben standen offen, und unser Wanderer schritt durch einen derselben und dann unter den dunkeln Wipfeln der Allee dahin. Am Ende derselben lagen zwei kleine Gebäude, achteckig, mit schindelbedeckten Kuppeln versehen; eine brusthohe Mauer verband sie und schloß so einen Hof ab, in dessen Hintergrunde ein altes Herrenhaus mit doppelfluchtiger Treppe und großem Portal sich erhob.

Als der junge Mann durch das Staketthor in jener Mauer den Hof betreten hatte, hielt er seine Schritte an und überschaute mit einem ernsten, sinnenden Blick die Scene. Sein Auge glitt über das Ganze, als ob er längst Gesehenes wiederzuerkennen suche, oder als ob seine Erinnerung den abendstillen, verlassenen Hof mit entschwundenen Gestalten bevölkern wollte. Dann trat er an eines der achteckigen Gebäude und blickte durch ein vergittertes Fenster in das Innere. Es war zu einer Kapelle eingerichtet; sein Auge haftete auf dem im Schatten liegenden Altar, auf den Stufen, wie das eines Mannes, der die Stelle erblickt, wo er vor Jahren gekniet und die ersten Gebete seiner kindlich gläubigen und reinen Seele gesprochen. Dann wandte er sich ab und näherte sich dem Herrenhause. Aus dem Portal trat eine Magd und kam ihm die Treppe niedersteigend entgegen; hinter ihr aus der geöffneten Hausthüre stürzte ein großer Hühnerhund hervor und bellte den Fremdling an.

Die Magd hatte Mühe, das Thier zu besänftigen, und die Frage des Fremdlings nach dem Herrn Administrator beantwortete sie dahin, der Herr sei nicht daheim, auf den Feldern irgendwo, aber er werde gleich heimkehren, da es Zeit zum Abendessen sei.

„Ich will auf ihn warten,“ sagte der junge Mann und schritt in’s Innere des Hauses. In dem Corridor, der ihn umfing, öffnete das Mädchen eine Seitenthür, die in das Empfangzimmer des Herrn führte.

Der Fremde warf seinen leichten Tornister vom Rücken und auf den runden Tisch inmitten des Zimmers; dann setzte er sich auf ein hartes Roßhaarkanapee und überblickte die Einrichtung des Gemachs: altfränkische Möbel, schlechte Lithographien in schwarzen Rahmen an den Wänden und schäbige werthlose Nippsachen auf der geschweiften Commode unter einem großen venetianischen Spiegel. Nachdem der junge Mann eine Weile ausgeruht, sprang er, wie unruhig bewegt, wieder auf. Er suchte aus einem Bündel Cigarren, das auf der Commode lag, die bestgearbeitete heraus, entzündete sie mit dem Feuerzeug, das daneben stand und ging dann hinaus, um im gegenüberliegenden Raume das Mädchen wieder aufzusuchen, das darin verschwunden war; es war eine große dunkle Küche, die er betrat, das Mädchen stand neben einem andern am Heerd und hantirte mit Teller und Schüsseln.

„Du kannst auf einen Gast mehr zählen,“ sagte er zu der ländlichen Schönen, „aber jetzt komm mit mir und schließ mir den oberen Stock auf, ich will die herrschaftlichen Zimmer sehen.“

Das Mädchen warf ihm einen erstaunten, ihrer Küchencollegin einen fragenden Blick zu; in der Annahme, daß der Fremde, der so befehlend auftrat, ein genauer Freund des Herrn sei, gehorchte sie jedoch. Sie nahm ein Schlüsselbund von der Wand und schritt voran.

(Fortsetzung folgt.)




Behüt Dich Gott!

Das ist im Leben häßlich eingerichtet,
Daß bei den Rosen gleich die Dornen steh’n,
Und was das arme Herz auch sehnt und dichtet,
Zum Schlusse kommt das Voneinandergeh’n.

5
In Deinen Augen hab’ ich einst gelesen,

Es blitzte drin von Liebe, Glück und Schein:
Behüt Dich Gott! es wär’ zu schön gewesen,
Behüt Dich Gott, es hat nicht sollen sein.

Leid, Neid und Haß, auch ich hab’ sie empfunden,

10
Ein sturmgeprüfter müder Wandersmann.

Ich träumt’ von Frieden dann und stillen Stunden,
Da führte mich der Weg zu Dir hinan.
In Deinen Armen wollt’ ich ganz genesen,
Zum Danke Dir mein junges Leben weih’n:

15
Behüt Dich Gott! es wär’ zu schön gewesen,

Behüt Dich Gott, es hat nicht sollen sein.

Die Wolken flieh’n, der Wind saust durch die Blätter,
Ein Regenschauer zieht durch Wald und Feld,
Zum Abschiednehmen just das rechte Wetter,

20
Grau wie der Himmel steht vor mir die Welt;

Doch wend’ es sich zum Guten oder Bösen,
Du schlanke Maid, in Treuen denk’ ich Dein!
Behüt Dich Gott! es wär’ zu schön gewesen,
Behüt Dich Gott, es hat nicht sollen sein.
Behüt Dich Gott, es hat nicht sollen sein.Victor Scheffel.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_628.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)