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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

gleich über die Naturgeschichte des Salm manche Neuigkeit zu Tage förderten. Die schottische Gesellschaft begann ihre Arbeit am 23. December 1853. Man hatte an passenden Orten im Tay-Gebiet 300 Brutkästen aufgestellt und operirte mit 300,000 Eiern.

Da bei künstlicher Zucht die Eier den vielen Gefahren zwischen dem Sande und den Steinen eines unruhigen Flusses enthoben sind, so schlüpfen auch viel mehr Thierchen aus. Am 31. März 1854 kam die erste Brut zum Vorschein, und im Juni hatten die Thiere eine Größe von 11/2 Zoll erreicht. Man fütterte sie nun den ganzen Winter über, bis sie im Mai 1855 3–4 Zoll groß waren. Nur im Frühjahr ist der Salm auf den bläulichen Seiten braungefleckt, und er zieht gleichsam sein silbernes Kleid nur zur Reise an, wenn er sich in’s Meer begiebt. Eine solche Veränderung bemerke man an den schottischen Zöglingen noch nicht, während man in den benachbarten Gewässern bereits wilde einjährige Salmen (Smelts) auf der Wanderschaft antraf.

Erst am 19. Mai färbte sich ein Theil der Brut, und man öffnete die Schleußen ihrer Behälter. Wider Erwarten zeigten aber die Thiere keine Lust zum Fortziehen, bis endlich am 24. Mai ein Schwarm erwachsener nach der See aufbrach. Die Auswanderungen wiederholten sich, und zuletzt blieb nur die Hälfte der Brut zurück. Hierdurch wird auch der Streit gelöst, ob der Salm im zweiten oder im dritten Jahr sein Fell ändere; offenbar geschieht es nämlich bisweilen im ersten, bisweilen im zweiten Jahr. Die ausgewanderte Brut wurde unterwegs zum Theile wieder aufgefangen und etwa 1 Procent der Auswanderer dadurch gekennzeichnet, daß man ihnen die zweite Rückenflosse abschnitt. Im Ganzen geschah die Operation an 1200 bis 1300 Stück. Schon nach zwei Monaten wurden einige dieser Flüchtlinge als Salmen aus der See in ihren Heimathgewässern wieder gefangen, und bei zweiundzwanzig gelang es, genau ihr Gewicht zu bestimmen. Diejenigen, welche am frühesten zurückgekehrt waren, wogen 5 bis 51/2 Pfund; spätere bereits 7 bis 8 Pfund, und ein Stück, welches am letzten Beobachtungstage (31. Juli) gefangen wurde, 91/2 Pfund. In Zeit von zwei Monaten hat also das Seewasser dem Fische dieses Wachsthum verschaffen können. Die interessanteste Enthüllung dieses Versuches besteht aber darin, daß nur zwanzig Monate, von der Laichzeit an gerechnet, nöthig waren, um einen Salm von beträchtlichem Handelswerthe zu erziehen, während man bisher an der Ansicht festhielt, daß derselbe erst in 5 bis 6 Jahren diese Schwere erreiche.

Nach diesem ersten gelungenen Versuch sind in Großbritannien und Irland zahlreiche Etablissements für künstlische Fischzucht entstanden. In Schottland ist namentlich die in Stormontfield, von einem Herrn Peter Marthell begründet, von Bedeutung. Nach dem Muster desselben errichtete man die Brutstellen am Agin in Schottland; ebenso sind an den für sie äußerst günstigen Flüssen der Waliser Gebirge, namentlich dem Severn, derartige Unternehmungen ziemlich zahlreich begründet worden.

Auch in Irland giebt es sehr namhafte Fischzüchtungsinstitute. Schon seit längerer Zeit unterhalten die Gebrüder Ashworth in der Galwaybai ausgedehnte Lachsbrütereien, die bereits einen Jahresertrag von mehr als 300,000 Eiern erzielen, und haben von hier aus die Salmenproduction an mehrere kleine Zuflüsse des in derselben Grafschaft gelegenen Masksees verpflanzt. Nach den uns von den Besitzern selbst gewordenen Mittheilungen haben etwa 600,000 aus den Galway-Anstalten gesammelte Lachseier den Grund zu der Bevölkerung der neuen Lachsgewässer gelegt, die sich ungefähr auf eine Länge von sechs deutschen Meilen erstrecken. Im Augenblicke kann man den jährlichen Gewinn der jungen Colonie schon als einen höchst beträchtlichen und stetig wachsenden bezeichnen; denn der Salm, einmal in das ihm zusagende Wasser gesetzt und vor den ihm drohenden Gefahren vorsorglich geschützt, vermehrt sich gewissermaßen in’s Unendliche.

Das künstliche Laichen desselben wird übrigens auf die einfachste Weise von der Welt bewerkstelligt und ohne daß dem Fische selbst dabei die geringste Gewalt oder Qual geschieht. Man hält den weiblichen Lachs über einen mit reinem Flußwasser gefüllten Zuber und drückt den Eiersack sanft mit beiden Händen zusammen, bis die Eier sich in das Gefäß entleeren. Hierauf entpreßt man dem männlichen Fische die Milch in ähnlicher Weise, und sofort läßt sich an dem ausgedrückten Rogen eine merkwürdige Veränderung wahrnehmen. Die vorher hellen und fast durchsichtigen Eier werden mit einem Male trüb und dunkelroth. Die Fische selbst bringt man so rasch als möglich in das fließende Wasser zurück, wo sie sich alsbald mit dem Gefühle offenbarer Erleichterung lustig umhertummeln, was sehr begreiflich scheint, wenn man weiß, daß der Laich in der Regel nicht weniger als den vierten Theil des Gesammtgewichtes des Lachsen ausmacht und demnach für diesen eine schwere Last sein inuß.

Obschon es ein deutscher Naturforscher Namens Jacobi war, welcher um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die erste Anregung zu einer Züchtung der Fische auf künstlichem Wege gab, und sein Verfahren allen den nachmals dabei in Ausführung gebrachten Methoden und Systemen zum Grunde liegt, so ist es mit diesem Ergebniß deutscher Forschung leider gegangen wie mit so vielen anderen unserer Entdeckungen und Erfindungen: die praktische Verwerthung und Ausbeutung ist zunächst von anderen Nationen in die Hand genommen worden. In Deutschland hat die künstliche Fischzucht verhältnißmäßig erst wenig Eingang gefunden, trotzdem daß uns nichts fehlt, was in erster Stelle dazu gehört: wir sind reich an klaren Berg-, Wald- und Wiesengewässern und diese an den mannigfaltigsten Arten wohlschmeckender Fische. Namentlich würde sich die Zucht der Forelle, dieses feinsten aller Süßwasserfische, an hundert Bächen und Orten mit dem sichersten Erfolge betreiben lassen. Mag sein, daß viele Grundeigenthümer, Müller, Fabrikinhaber, Fischer und wer sich sonst im Besitze von fließendem Wasser und Fischereigerechtsamen befindet, den Anlageaufwand scheuten. Im Verhältniß zu den zu erreichenden Vortheilen ist dieser aber gar nicht der Rede werth; wo es sich nicht um ausgedehnte Unternehmungen, wie die schottischen und Hüninger, handelt, genügt vollständig der von dem französischen Gelehrten Coste erfundene bekannte Apparat, der auf einer Art von unter dem Niveau des Baches oder Flusses angebrachten Tische eine Anzahl von Brutkästen in etagenförmiger Abstufung umschließt. Wir wollen darum hiermit nochmals und recht angelegentlich die Aufmerksamkeit des betreffenden Publicums auf einen Wirthschaftszweig gelenkt haben, der neben dem Interesse der Sache selbst so nachhaltigen soliden Genuß in Aussicht stellt.




Verkümmerte Existenzen
Aus den Aufzeichnungen eines alten Wanderers
mitgetheilt von Roderich Benedix.


2. Die Nähterin.

Es war in einer Stadt mittlerer Größe in Thüringen. Ich saß beim Frühstück in der Gaststube eines alten Wirthshauses. Ein tüchtiges Gewitter hatte am Abend des vorherigen Tages die ganze Natur erfrischt, und ein herrlicher Lenz lachte zum Fenster herein, als wollte er mich einladen zur Wanderung in die lieblichen Gegenden, welche die Saale durchströmt. Plötzlich war es mir, als hörte ich ungewöhnliches Geräusch auf der sonst stillen Straße der wenig belebten Stadt. Ich blickte durch’s Fenster und gewahrte, daß gleich mir aus allen Fenstern der Nachbarschaft neugierige Köpfe schauten und daß in den Hausthüren überall Menschen standen, die auf etwas zu warten schienen. Es war nichts Angenehmes, dieses Etwas, wenn es auch nichts Seltenes ist. Dem Wirthshaus gegenüber stand eine Bahre, auf welche eben ein Sarg gestellt worden, und Leichenträger waren beschäftigt, ihn mit dem schwarzen Tuche zu bedecken, das die letzte Hülle für alle Sterblichen ist. Die Männer ordneten sich, hoben die Bahre auf und schritten langsam mit ihr die Straße hinab. Ein schwarzgekleidetes Frauenzimmer folgte ihnen mit langsamem Schritt. Sie drückte ihr Taschentuch an die weinenden Augen, daß ich ihre Züge nicht erkennen konnte. Das Plaudern an den Fenstern und Thüren der Nachbarschaft hörte auf, als der ärmliche Leichenzug vorbeischritt –

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_622.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2017)