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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Aus der Mitte der Fluth aufwogt zu dem Spiegel den Flusses,
Wenn der verborgene Schwung sich verräth auf der friedlichen Fläche;
An umpanzerter Brust mit Schuppen versehn, an der Stirne
Schlüpfrig, ein leckres Gericht im verwirrenden Speisegewühl du!
Langer Verwahrung Zeiten durchdauerst du, immer genießbar,
Ausgezeichnet durch Flecken des Kopfes, der stattliche Bauch wogt
Hin und her, und der Leib schwillt auf von gefeisteter Wampe.“

Offenbar enthält für einen Fisch diese Schilderung viel Schmeichelhaftes, und wir wundern uns nun nicht, daß auch heute noch Könige von ihren Schlössern am Rhein mit Wohlgefallen auf denselben Salmfang blicken, der ihren Vorgängern in anderen Jahrhunderten eine so hohe Passion gewesen. Noch heute kann man, von der Stätte jenes verschwundenen Frankenkönigsschlosses hinüber nach Leudesdorf blickend, desselben Anblicks theilhaftig werden, wie jene alten Herren vor dreizehnhundert Jahren, denn die Fangstellen sind gar wohl gemerkt worden, sie haben ihre festen Grenzen, ihren Werth und ihre Abgaben, sie sind ein geschätztes Besitzthum, wie es nur irgend ein trefflicher Acker oder Wald sein kann. Leider haben diese Fangstellen mit den Wäldern nur zu viel Schicksalsähnlichkeit, denn wie diese sind auch sie im Laufe der Zeit und durch die Hast der Industrie auf immer geringere Ausdehnung zusammengeschmolzen.

Ja, die schönen Salmzeiten sind vorüber, wo das Gesinde am Rhein bei seiner Verdingung sich die Zusicherung geben ließ, nicht öfter als drei Male in der Woche Salmen essen zu müssen. Damals waren auch noch Verträge möglich, wie der des St. Swibertsstifts zu Kaiserswerth mit dem Trierer Erzbischof, der für die ihm jährlich gebührenden acht Gänse und 416 Pfd. Salmen, die ihm auf die Burg Hammerstein geliefert werden mußten, die Abgabe von jährlich 45 Florin vorzog. Denn, das wollen wir hier nur beiläufig erwähnen, die Salmfänge gehörten ursprünglich, wie alle Fischerei in großen Flüssen, zum Regal der Könige, von denen sie, gleich den Rheinzöllen, an einzelne geistliche und weltliche Reichsstände überlassen wurden. Das mag in frühe Zeiten zurückgehen, denn wenn die Salmfänge urkundlich auch erst im 13. Jahrhundert vorkommen, so haben wir doch oben gesehen, daß man schon tausend Jahr früher den Salm des Rheins kannte, dem außerdem bereits Plinius den ersten Heimathschein sammt Signalement ausgestellt hat. – Während aber in der Mitte des 15. Jahrhundertn noch immer neue Fangstellen entdeckt wurden und die fürstlichen, geistlichen und sonstigen herrschaftlichen Besitzer wie die Pächter der Fänge sich guter Einnahmen freuten, gingen später allmählich viele Stellen ein, und daran trug nicht immer ungünstiger Wasserstand, sondern auch unredliches Verfahren der Fischer die Schuld. Welche Werthschwankungen im Pachtertrag möglich waren, zeigte sich am überraschendsten während der französischen Herrschaft am Rhein: damals wurden die sehr bedeutenden Fänge, der sogenannte Klatt, um 30 Franken verpachtet, während sie 1817 dem Pächter über 8000 Gulden eintrugen. Noch rascher nahm der Verfall von Fangstellen seit dem Aufblühen der Dampfschifffahrt zu. Der Fisch, der Ruhe vor dem Menschen in den tiefsten Stellen des Stroms sucht, fand jetzt bei dem wogenaufwühlenden Räderbrausen viele alte Lieblingsplätzchen nicht mehr tief genug und zog sich in tiefere zurück, zu denen wir uns nun ebenfalls begeben wollen.

Außer den großen Salmfängen in den Niederlanden beschränkt sich die Reihe der ergiebigsten Fangstellen auf die Rheinstrecke von Mainz bis Coblenz, und von dieser Strecke zeichnet sich wieder das Stückchen Rhein zwischen St. Goar und Oberwesel als das Salm-Paradies aus.

Für die ältesten Salmfänge am ganzen Mittelrhein gelten die bei St. Goar und am sagenreichen Lurleifels. Es interessirt gewiß unsere Leser, eine Anschauung von der Wichtigkeit, die man dem Besitz einer solchen Fangstelle im Alterthum beilegte, und einen geschichtlichen Rückblick auf eine derselben zu gewinnen. Wir wissen z. B., daß König Ludwig der Deutsche, der 876 starb, durch eine Urkunde vom 25. Februar 871 den Aebten von Prüm das Recht der Fischerei zwischen St. Goar und Bacharach gestattete. Der Salmfang ist zwar in dieser Urkunde nicht ausdrücklich genannt, daß er aber darunter mit verstanden war, geht daraus hervor, daß bei den späteren Erneuerungen dieser Gerechtsame in Betreff des Salmfangs stets auf dieselbe Bezug genommen wird. Nach einem Weisthume des Schöffengerichts zu St. Goar vom Jahre 1385 über die Rechte der Abtei Prüm besaßen die Aebte die Salmfänge noch zu jener Zeit, überließen sie aber 1449 dem Grafen Philipp von Katzenellenbogen auf Widerruf mit ihren übrigen Besitzungen für die Summe von 4500 Gulden. Von diesem Grafenhaus gelangten 1480 die Salmfänge der linken Rheinseite an die Landgrafen von Hessen-Cassel, von diesen 1794 an Frankreich und 1815 an Preußen, das sie noch besitzt.

Von dem Salmenwasser auf der rechten Rheinseite von St. Goarshausen bis Oberwesel hatte sich noch 1418 ein Theil als Reichslehen erhalten und wurde von Kaiser Sigismund dem Johann von Schönenberg zu Ehrenberg zu Lehen gegeben. Von einem Fange, Long bei St. Goarshausen, hatte das Stift zu St. Goar von jedem aus den Salmen gelösten Gulden 16 Heller zu beziehen. In der Mitte des 15. Jahrhunderts waren die Grafen von Katzenellenbogen auch Herren dieser sämmtlichen Fangstellen; von ihnen kamen sie später an Hessen-Cassel und Nassau.

Gegenwärtig sind zwischen St. Goar und Oberwesel auf der linken Rheinseite sieben Salmenfänge, welche die Namen Werbe, Klatt, Lützelstein, Entenpfuhl, Welleswage, Lückersörtchen und Kaumerswage führen, und zwischen St. Goarshausen und Oberwesel auf der rechten Rheinseite drei Fänge: Long, Saun und Lichern. Alle bieten dem Salm, was er vor Allem sucht: ein tiefes überschattetes Strombett. Daher kann auch auf dieser Rheinstrecke, der wildromantischsten des ganzen Stromes, und besonders am Lurleifelsen, dessen dämonische Bewohner, die Kobolde und Nixen sammt der verzaubernden Jungfrau, in jüngster Zeit durch den Tunnel der rechtsrheinischen Eisenbahn vertrieben worden sind, wo das Bett des Rheins eine Tiefe von 94 Fuß bei gewöhnlichem Wasserstande hat, der Fang des Salms das ganze Jahr hindurch betrieben werden, während dies anderswo nur bei hohem Wasser möglich ist.

Der Salmfang wird auf verschiedene, durch die Beschaffenheit des Flußbettes bedingte Art ausgeübt. Am Niederrheine, wo das Bett nicht felsig und das Ufer nirgends steil ist, gebraucht man ein 1000 bis 1500 Fuß langes Netz, an welchem sich in kleinen Entfernungen viele Sacknetze befinden. Mit diesem wird die ganze Breite des Stromes abgesteckt und auf 500 bis 800 Schritte weit stromabwärts abgetrieben. Am Haltepunkte bleibt der rechte Flügel stehen und der linke schwenkt sich mit Kähnen in einem Halbmonde nach der rechten Seite, wo am Ufer mehrere Pferde bereitstehen und das Netz rasch auf’s Land ziehen, damit den Salmen keine Zeit zum Zurückgehen oder Durchbrechen bleibt.

Am Mittelrheine, wo der Salm die engen Stromstellen passiren muß, wird er in kleinen Hebenetzen oder in Sackkörben gefangen. Im Rheingau gebraucht man Wurfgarne, weil die dortigen Fischer die Stellen kennen, wo der Salm, wenn er nicht steigt, ruhig steht und wo er bei dem klaren Wasser genau sichtbar ist. In den kleinen Nebenflüssen und Bächen wird der Salm Nachts bei Fackelschein, während er versucht, auf die 4–5 Fuß hohen Wehre zu springen, mit Stangen getödtet. In denselben Gewässern wird er auch am Tage von Jagdliebhabern geschossen.

Eine ganz eigenthümliche Fangart findet zwischen St. Goar und Oberwesel am Lurlei statt. In dieser Felsenregion ziehen die sonderbaren Anstalten, welche dazu getroffen werden, die Aufmerksamkeit der Reisenden ganz besondern auf sich, weshalb wir unsern Lesern eine bildliche Darstellung davon geben. Es sind dies die Schiffe und Kajüten, in welchen die Fischer den Salmen Tag und Nacht auflauern. Sie liegen quer im Rheine, und stromaufwärts von ihnen ist ein großes Wehr von Steinen errichtet, um die starke Strömung des Flusses zu brechen, weil der Salm es liebt, im stillen Wasser zu steigen.

Zwischen dem Schiffe und dem Wehre ist ein dreißig Fuß im Quadrat großes Netz ausgespannt und mittels Gewichten in seiner Mitte vierzehn Fuß tief so eingesenkt, daß es einen stumpfen Winkel bildet. An diesem Netze befinden sich mehrere Hebel, welche der Fischer, sobald er durch die Bewegung des Netzes wahrnimmt, daß ein Salm hineingegangen ist, mit einem Zuge aufschnellen lassen kann, wodurch dasselbe bis zur Oberfläche gehoben und der Fisch gefangen wird. Diese Vorrichtungen sind von einer solchen Stärke, daß 300 bis 400 Pfd. Stöhre auf einmal darin gefangen werden können.

Der Ertrag der Salmfänge, welcher sich durch die Dampfschifffahrt um mehr als ein Viertel vermindert hat, hängt, wie bereits bemerkt, viel von günstigem Wasserstande und noch mehr von der Thätigkeit und Redlichkeit der Fischer und der herrschaftlichen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 620. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_620.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)