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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

suchten und fanden sie gegen den übermächtigen höhern Adel einen Schutz, den ihnen ihre kleinen Burgen nicht gewährten. Die adligen Herren waren Stadtbürger geworden, aber sie hatten ihren Ahnenstolz, ihre Herrsucht und ihren Eigennutz nicht draußen vor den Thoren gelassen, sondern mit in die Stadt gebracht, und nachdem sie kaum in das städtische Gemeinwesen aufgenommen worden waren, suchten sie schon sich der Herrschaft über dasselbe zu bemeistern. Die Buchs, Blankenfeldes, Gröbens, Rulhnicks und alle die anderen Edelleute verbanden sich mit den reichsten Handelsherren gegen die gemeinen Bürger und die Zunftgenossen, und so entstand denn ein Stadtadel, der nicht weniger stolz, übermüthig und herrschsüchtig war, als der Landadel draußen.

Die Geschlechter der Städte Berlin und Köln hatten es in jahrelangen Kämpfen dahin gebracht, daß der eigentliche Bürgerstand von ihnen aus dem städtischen Regiment gänzlich verdrängt worden war. Die vier Gewerke, die Tuchmacher, Schuster, Bäcker und Knochenhauer, hatten wenig oder nichts mehr zu sagen, und die gemeinen Bürger, welche keiner Zunft angehörten, durften es vollends nicht wagen, eine Stimme im städtischen Regiment zu fordern. Der große Rath der beiden Städte herrschte unumschränkt; er war in allen seinen Mitgliedern aus den Geschlechtern gewählt, und auch die Bürgermeister gehörten denselben an.

Der Stadtadel stand dem Landesfürsten nicht weniger feindselig gegenüber, als der Landadel; die Geschlechter wachten eifersüchtig über ihre Vorrechte, und selbst in jener schweren Zeit, als der Kampf des Burggrafen Friedrich gegen die Quitzows noch nicht entschieden war, hatten die Geschlechter dem Landesherrn das Recht, mit seinen bewaffneten Mannen nach Berlin einzuziehen, verweigert. Gar manche der edlen Herren vom Stadtadel wären gar nicht unzufrieden gewesen, wenn Burggraf Friedrich in dem Kampfe besiegt worden wäre, denn sie waren durch Banden des Bluts eng mit den Freunden der Quitzows verbunden.

Friedrich hatte damals den Forderungen des Stadtadels nachgeben müssen; er konnte nicht den Kampf mit diesem und den Quitzows zu gleicher Zeit aufnehmen, und auch in den spätern Zeiten seiner Regierung wollte er sein Recht, in die Städte Berlin und Köln mit bewaffnetem Gefolge einzuziehen, nicht durch Waffengewalt erkämpfen, er hoffte mehr von friedlichen Unterhandlungen, als vom Kriege. Seine wichtigen Geschäfte draußen im Reich, die Sorge um den Hussitenkrieg ließen ihn endlich ganz des Zwiespalts vergessen, in den er mit dem Rathe der Städte Berlin und Köln gekommen war.

Die Geschlechter der Schwesterstädte hatten durch die Nachgiebigkeit des ersten Kurfürsten aus dem Hohenzollernhause einen Sieg gewonnen, der sie zu noch stolzerem Uebermuthe anfeuerte. Der Furcht vor dem Landesherrn waren sie ledig, auch der Landadel bedrängte sie nicht mehr so schwer, wie in früheren Jahren, um so drückender wurde das Joch der Herrschaft, welches sie den Bürgern auferlegten, und um so schärfer trat nun auch der geheime Zwiespalt endlich an’s offene Tageslicht, der schön längst zwischen den Geschlechtern von Berlin und Köln geherrscht hatte.

Die beiden Städte waren wohl Schwestern, aber auch unter Geschwistern giebt’s oft Streit und Zank. Die Kölner konnten es den Berlinern nicht verzeihen, daß diese nach dem Statut des Markgrafen Albrecht vom Jahre 1307 zwei Drittel der Rathmänner zu wählen hatten, während für Köln nur ein Drittel blieb, und die Berliner wieder schauten eifersüchtig auf den wachsenden Handelsreichthum der Kölner hin. Im gemeinsamen Rath gab’s deshalb oft schwere Streitigkeiten, die adligen Herren zankten sich und schimpften auf einander, und oft genug glichen die Sitzungen im Rathhaus auf der langen Brücke den polnischen Reichstagen. Die Geschäfte wurden bei diesen kleinlichen Zänkereien vernachlässigt, häufig blieben die wichtigsten Angelegenheiten Monate, ja Jahre lang liegen, weil die Herren im Rath nicht einig werden konnten. Was kümmerte jene stolzen und übermüthigen Adeligen das Wohl und Wehe der gemeinen Bürger; ihr Vortheil allein und ihre Herrschaft lag ihnen am Herzen, deshalb fanden sie auch die verlorene Einigkeit stets schnell genug wieder, wenn einmal die Gewerke es wagten, ihren Antheil am städtischen Regiment zu fordern. Wo es die Unterdrückung der Bürger galt, da waren die Geschlechter stets einig, da reichten die Berliner den Kölnern die Bruderhand, wenn sie auch kurz vorher sich noch so wild und wüthend gezankt und im Rath bekämpft hatten.

Dem Kurfürsten Friedrich I. war im Jahre 1440 sein Sohn Friedrich II. in der Regierung gefolgt, ein junger kraft- und muthvoller Mann, der sich die Lebensaufgabe gestellt hatte, das von seinem Vater so schön begonnene Werk zu Ende zu führen, die Herrschaft des Rechtes und der Gesetze in den Marken aufzurichten. Friedrich II. hatte eine stürmische Jugend verlebt, in den wilden Hussitenkriegen war ihm Gelegenheit geboten worden, sich als Fürst und Feldherr zu bewähren, und er hatte gezeigt, daß er vor keiner Gefahr zurückbebe, daß er kraftvoll und energisch die Zügel des Regiments zu führen wisse; deshalb nannte ihn das Volk Friedrich den Eisernen oder auch wohl Friedrich mit den eisernen Zähnen.

Die Bürger von Berlin und Köln schauten mit Hoffnung und Liebe auf den jungen Kurfürsten; von ihm erwarteten sie eine Abstellung der alten Mißbräuche im städtischen Regiment, von ihm ein kraftvolles Eingreifen in die unheilvolle Adelswirthschaft, die seit dem Jahre 1432 kaum zum Ertragen drückend geworden war; denn seit jenem Jahre wählte der Rath jährlich die Rathmänner und Bürgermeister für das folgende Jahr, und diese wichtigen Aemter waren dadurch das ausschließliche Eigenthum einzelner Adelsfamilien geworden, welche mit frechstem Uebermuth ihre bevorrechtigte Stellung mißbrauchten.

Die Bürger thaten sich zusammen, so lebendig war’s seit Jahren nicht in Berlin und Köln gewesen, wie gerade damals. Selten verging ein Tag, an dem nicht eine oder die andere Zunft sich versammelt hätte, um Berathungen zu pflegen. Immer lauter forderten die Gildenmeister und die Aelterleute, die an der Spitze der Zünfte standen, im Namen der Bürger das alte Recht derselben zurück, Theil zu nehmen an den Rathswahlen und von den Ihrigen Einige in den Rath zu küren, – aber ihre Worte fanden taube Ohren, die Herren von den Geschlechtern ließen draußen vom Lande her von ihren Gütern die bewaffneten Knechte kommen, besetzten mit ihnen Wälle und Thore und drohten den Bürgern höhnisch gegen jedes Gesetz und gegen die Ordnung der Stadt mit Waffengewalt.

Das war zu viel! Solche Willkürherrschaft des Adels mußte gebrochen werden; aber nur einen Mann gab es, der konnte sie brechen, dessen Aufgabe war es, die Bürger zu schützen in ihrem Rechte, und an diesen Mann, an den Kurfürsten Friedrich den Andern, wendeten sich die Zünfte, ihm übersendeten sie eine Beschwerdeschrift, in welcher sie mit kurzen, bündigen, kräftigen Worten die Uebergriffe der Geschlechter schilderten und den Landesherrn aufforderten, ihnen Recht gegen die adligen Herren zu verschaffen.

Er hatte versprochen, zu kommen und zu richten. Deshalb waren am Montag den 24. Februar 1442 die Rathmannen von Berlin und Köln schon in aller Frühe nach dem Rathhaus auf der langen Brücke geeilt, deshalb drängte sich jubelnd und singend das Volk durch die Gassen, deshalb heulten von den Thürmen herab die Sturmglocken und wirbelten auf den Plätzen die Trommeln, welche die Bürger zu den Waffen riefen.

„Die Freiheit der Städte ist bedroht, wenn wir dem Kurfürsten gestatten, mit seinen Rittern einzuziehen in die Thore Berlins,“ so hieß es auf dem Rathhaus, denn Freiheit der Städte, so nannten die Herren vom Stadtadel ihr eigenes Willkürregiment; das Volk aber jubelte und schaute von den hohen Wällen herab nach Spandau hin, von dort her mußte ja der Kurfürst kommen.

„Keine Unterwerfung! Kampf bis zum letzten Blutstropfen!“ so rief der wilde Buch den Rathmannen zu; und sie jubelten laut die Worte nach, die Mauern und Wälle waren ja fest, die Gräben tief genug, Berlin und Köln konnten sich lange halten gegen den Kurfürsten, wenn dieser ja es wagen sollte, an der Spitze eines Heeres vor den Thoren zu erscheinen.

Vor dem Spandauer Thore schmetterten die Trompeten, ein Jubelruf des Volkes beantwortete die Fanfare. An der Spitze von 600 Reitern hielt der Kurfürst vor dem Thore und begehrte Einlaß in die Stadt, um sein Richteramt als Landesfürst zu üben; aber das Thor war geschlossen und blieb geschlossen, die Herren von den Geschlechtern hielten es mit ihren Knechten besetzt.

Finstern Blicks schaute Friedrich der Eiserne nach den geschlossenen Thorflügeln, dann wieder musterte er die glänzende Ritterschaar, welche ihn umgab. Er war wohl unschlüssig, ob er den Kampf mit dem widerspenstigen Stadtadel beginnen solle oder nicht, denn wie seinem Vater, Friedrich den Ersten, widerstrebte

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