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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

rührigen und doppellebigen Kämpfer gegenüber, bis das Untertauchen auch an ihn kommt, aber zum Nimmerwiedererscheinen.

Weil der Küstenbrander, gleich der von Bauer in Rußland 1857 im Modell ausgeführten Corvette von 24 Kanonen, auch einen weitvorragenden Vordersteven und Sporn besitzt, so dürfte den bei Nacht oder Tag ausgesendeten Patrolbooten nicht allein ein Kartätschengruß aus den hart am Niveau hinstreichenden Geschützen, sondern auch der wuchtige Anprall dieses Sporns eine unliebsame Begegnung auf offener See sein.

So lange die unterseeischen Kriegsfahrzeuge nicht gleich den Fischen auch zum unterseeischen Kampf gegen einander ausziehen, sondern nur zum Angriff mit der oberseeischen Flotte verwendet werden, so lange ist es eben ein Kampf zwischen einem mächtigen Fisch und einem gebundenen Schwimmvogel. Doch bald genug wird sich das unterseeische Turnier eröffnet zeigen, und die eisernen Ungeheuer werden nach dem deutschen Vorbild weiter und weiter vordringend in allen Meeren sich bekämpfen, zerfleischen und begraben. – Die Furchtbarkeit der Waffe wird zunächst für viele Jahre den Seekrieg in begrenzte Räume führen, Deutschland aber kann durch energisches Erfassen dieser neuen Marine sich zum Herrn der Meere aufschwingen, wenn es endlich einmal sich zu dem Willen dazu ermannt.

Soweit Bauer. Wie groß sind nun die Ansprüche, welche er auf die Opferfähigkeit der deutschen Nation erhebt? Die Summe von 100,000 Thalern würde genügen, um wenigstens ein in allen Theilen vollendetes Probeschiff dieser neuen Art herzustellen.

Kein Mann, dem für die Ehre und Macht der Nation das Herz noch warm schlägt, wird der Meinung entgegen sein, daß eine solche Erfindung wohl werth ist, daß an ihre Erprobung jene für das große Deutschland so geringe Summe gewagt werde. – Um diese Summe durch Sammlungen in ganz Deutschland aufzubringen, hat sich in Leipzig ein Comité gebildet, das seine Aufrufe dafür mit der vollen Ueberzeugung von der Tüchtigkeit der Sache erließ, nachdem der Erfinder einem Kreise von wissenschaftlichen und technischen Fachmännern (zunächst in Leipzig, Dresden und Breslau) die eingehendsten Eröffnungen über die ganze innere Einrichtung des Schiffs gemacht, namentlich das Geheimniß seiner neuen Motionsmaschine ihnen entschleiert hatte, und von den Mitgliedern der in Leipzig zusammengetretenen Prüfungs-Commission über W. Bauers Küstenbrander einstimmig das Zeugniß ausgestellt worden war: „daß sie von der technischen Ausführbarkeit desselben vollständig überzeugt seien, auch einen Verstoß gegen irgendwelche ihnen bekannte Gesetze der Physik darin nicht gesunden hätten.“

Wie von allen ursprünglichen Zweifeln gegen die unterseeische Schifffahrt der letzte noch der der Möglichkeit genügender Fortbewegung war, so ist es eben gerade die neue Motionskraft, mit welcher wir der großen Erfindung erst ihre letzte Vollendung gegeben sehen. Ueber Bauer’s Sicherheit in der Beherrschung seines Submarineboots im Sinken, Steigen und besonders in dem anfangs vielangefochtenen Beharren in einer bestimmten Tiefe ist man jetzt beruhigt; man glaubt auch an die Möglichkeit des beliebigen Inclinirens und des Wendens mittelst der im Brandtaucher ersichtlichen Steuerschraube. Alle Zweifel darüber sind überwunden.

Ein öffentliches Zeugniß der Wissenschaft für die principielle Nichtigkeit und ein Gutachten von Männern der Technik für die Ausführbarkeit der Erfindung stellte sich aber dennoch um so mehr als Nothwendigkeit heraus, als die Presse sich hie und da bereits arg an ihr versündigt hatte. Wir erwähnen u. A. nur ein schlesisches Blatt, in welchem ein angeblicher „Sachverständiger“ ein wahrhaft entsetzliches Zerrbild der Erfindung gab. Ohne die geringste Kenntniß vom innern Bau des Brandtauchers construirte er aus eigener Phantasie ein Seeungethüm, dessen innere Einrichtung aus den wunderlichsten Unmöglichkeiten bestand, das unterm Wasser nicht nur mit Kanonen schoß, sondern sogar mit Dampf fahren sollte! Und nachdem der Mann solchen Unsinn als Hauptsache von Bauer’s Erfindung aufgethürmt, geht er alles Ernstes daran, gegen diesen die bittersten Vorwürfe über das Verfehlte seiner Erfindung zu erheben, ihm den Rath zu geben, sich mit dem Dampfmaschinenwesen erst etwas vertrauter zu machen, und schließt mit der Warnung an das Publicum, für derlei schwindelige Spekulationen das schöne Geld nicht herzugeben.

Solche Thorheit ist leider nicht zum Lachen; die Unkenntniß über unterseeische Schifffahrt ist noch so groß, daß selbst Verzerrungen dieser Art ihre Gläubigen finden; die Kritik der Presse ist nicht immer scharf genug, um so „pikanten“ Artikelchen, wie der angedeutete, nicht zur Verbreitung zu helfen, und – das Vertrauen des deutschen Volkes hat namentlich hinsichtlich des deutschen Flottenwesens schon so harte politische Stöße erlitten, daß es sehr leicht für Dinge lahm zu legen ist, die seine Theilnahme mit dem besten Rechte fordern.

Gerade bei dieser Erfindung ist es mehr, als bei der früher von der Nation unterstützten, nöthig, daß das Volk dem Urtheile der Fachmänner sein Vertrauen schenke. Bei dem „Taucherwerke“ konnte und mußte das ganze Verfahren, mit bildlicher Darstellung, der Oeffentlichkeit preisgegeben werden, um die allgemeine Theilnahme für dasselbe zu erwärmen. Der Erfolg rechtfertigte dies. Allein seitdem ist diese Schiffhebungsweise auch außer Deutschland Gemeingut geworden, Deutschland hat nicht mehr den Alleinvortheil davon, den es ohne die damalige Nothwendigkeit solcher Preisgebung für längere Zeit hätte ernten kennen. – Anders muß es jedoch mit dem Küstenbrander und der von ihm ausgehenden industriellen unterseeischen Schifffahrt gehalten werden. Hier gilt’s, das Geheimniß, das die Seele des Ganzen bildet, so lange als möglich für Deutschland allein zu bewahren, – und darum müssen wir unsere deutschen Landsleute bitten, ja, wir müssen von ihnen erwarten, daß ihre Vaterlandsliebe und ihr Vertrauen zu den namhaften Männern der Prüfungscommissionen größer sei, als der verzeihliche Trieb der Neugierde und das Streben der Wißbegierde nach dem Wesen jenes Geheimnisses. Ist es erst gesetzlich gesichert und ein erster Küstenbrander erprobt, so wird es sammt den großartigen Früchten desselben bald genug Eigenthum der gesammten Nation werden.

Sollte endlich Jemand die Frage aufwerfen: „Wenn nun die 100,000 Thaler für ein solches unterseeisches Kriegsfahrzeug aufgebracht werden und der Bau desselben gelingt: was dann damit anfangen?“ – so fehlt auch dafür die beruhigende Antwort nicht. Als Bauer sich an mehrere deutsche Regierungen mit seinem Antrag um Uebernahme seiner Erfindung wandte, bedeutete man ihn, daß die betreffenden Staaten mit ihren Finanzen nicht so gestellt seien, um Kriegsapparate anzuschaffen, so lange sie noch den Charakter des Experimentalen an sich trügen. In diesen Motten liegt bereits der Hinweis, daß man einen erprobten, des experimentalen Charakters entkleideten Seekriegsapparat wohl für den Staat erwerben werde. Vielleicht hilft unserem Küstenbrander auch folgender bekannte Ausspruch mit zur Empfehlung. Mitte Juli dieses Jahres sprach Kaiser Napoleon III. zu dem italienischen Admiral Vacca: „Ihre Marine ist bereits die drittstärkste in Europa. Sie haben viele gepanzerte Fregatten. Das wird Ihnen bei einem künftigen Kriege mit Oesterreich zu Nutzen kommen.“ – Wenn Napoleon spricht, so spricht er, um in ganz Europa gehört zu werden. Wenn aber die Regierungen der Deutschen Küstenstaaten nicht blos diesen Drohwink, sondern ebenso aufmerksam die Gutachten und dringenden Empfehlungen der Prüfungscommissionen des Bauer’schen Küstenbranders hören, so besitzen sie bis zum Ausbruch des nächsten Krieges, vor dessen Nahen schon heute mitten in der industriellen Emsigkeit die Völker beben, das Seemachtmittel, mit dem sie gegen keine europäische Flotte mehr den Kampf zu scheuen brauchen.

Und somit empfiehlt die Gartenlaube allen ihren Lesern dieses Unternehmen auf das Angelegentlichste. Mögen sich in allen deutschen Städten, auch wenn die directe Aufforderung des Leipziger Comité nicht an sie gelangen sollte, Local-Comités bilden, welche sich mit dem Leipziger Comité in Verbindung setzen. Ihre Zuschriften richten sie an den Verfasser dieses Artikels, als Vice-Vorsitzender des genannten Comité, etwaige Geldsendungen an Herrn Ernst Keil, den Herausgeber der „Gartenlaube“. – Es wird dem Unternehmen nur zum Vortheil gereichen, wenn sie auch dem „geschäftlichen Zusatz“ des Aufrufs Gehör schenken wollen. Nach diesem „sendet jedes Local-Comité, nachdem in einer öffentlichen Versammlung Art und Zweck des Unternehmens erörtert ist, Männer aus seiner Mitte oder dazu herbeigezogene ortskundige Männer mit Zeichnungsbogen von Haus zu Haus, denn die Aufbringung der zur Ausführung des ganzen Baues erforderliche Summe soll durch Zeichnung eines womöglich einmaligen, wohl den Verhältnissen des Beisteurers, aber auch der Wichtigkeit der Sache entsprechenden Beitrags geschehen. In größern

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 559. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_559.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)