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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Kriege, jenes Unternehmen mußte verschoben werden, die unterseeischen Kriegswerkzeuge traten wieder in den Vordergrund.

Der Charakter jenes Kriegs, der die Nation zu keiner opferfreudigen Begeisterung für denselben erheben konnte, drückte hemmend auch auf Bauer’s Plan, jetzt der anfänglichen Schutzlostgkeit der deutschen zur See mit seinem Küstenbrander abzuhelfen. Desto deutlicher hatte sich die Machtlosigkeit der Deutschen zur See herausgestellt; es bedurfte der äußersten Anstrengung der beiden deutschen Großmächte, um, und zwar erst am Ende des Kriegs, eine Seewehr aufzustellen, welche der des kleinen Dänemark im offenen Kampf die Spitze zu bieten vermocht hätte. Jeder stärkeren Seemacht gegenüber liegt Deutschland mit seinem blühenden Seehandel, mit der drittgrößten Handelsflotte der Welt, schutzlos da.

Zu dieser traurigen Aussicht tritt die Lehre für uns, die der nordamerikanische Krieg für den künftigen Seekampf giebt. Die Holzkolosse der alten Marine, aus denen größtentheils noch die deutsche Seemacht besteht, sind ohnmächtig geworden den Panzerschiffen gegenüber, und diese erkennen bereits in dem geschützteren Thurmschiffe, dem Monitor, den Stärkeren an. Wie viel Milionen würde Deutschland aufwenden müssen, um nur mit diesen gleichmächtigen Seewaffen seine Küsten gegen einen großen Feind schützen! Und doch kann nur wiederum ein Stärkerer uns den Sieg sichern.

Und dieser Stärkere ist’s, den Bauer’s kühne Erfindung uns bietet. In dem Küstenbrander kann Deutschland die Seewaffe gewinnen, die ihm, um den zehnfach geringeren Aufwand, die zehnfach stärkere Macht giebt, eine Uebermacht über jeden Gegner, und darum nehmen wir auch dieser Erfindung uns mit allem Eifer an.

Mögen nun unsere Leser uns gestatten, sie in das Wesen der in unterseeischen Schifffahrt von Bauer selbst einführen zu lassen, indem wir hinsichtlich der Persönlichkeit und Schicksale desselben auf das verweisen, was wir in frühern Artikeln (namentlich 1862, Nr. 36 und 39) der Gartenlaube über ihn mitgetheilt haben.

Die hohe Schule unsers Erfinders war die Natur; Forschungstrieb und glückliche Auffassung führten ihn, oft auf mühevollem Pfade, oft auf leichten Wegen, zu Resultaten, welche dem Gelehrten seine Bücher bieten. Erst viel später griff auch er zu diesen Büchern, und er mußte darnach greifen, weil er die Pflicht fühlte, die Lücken, die sein Bildungsgang in seinen Kenntnissen gelassen, auszufüllen. Immer aber blieb die Natur seine hohe Schule, sie allein hat ihm den Weg zu seiner Erfindung, der unterseeischen Schifffahrt, gezeigt. Folgen wir einer seiner originellen Auseinandersetzungen hierüber. Er sagt in seiner drastischen Weise:

„Die Natur hat uns keine Thiere in die Meere gegeben, welche, ähnlich wie unsere Schiffe, gehalten sind, lediglich auf der Oberfläche des Wassers ihr Leben zu führen, sondern hat sie strenge zertheilt, indem die einen als Wasserthiere ihre freie Bewegung zwischen Oberfläche und Grund der See, die andern als Luftthiere zwischen der Wasseroberfläche und dem Aether angewiesen erhielten, selbst in diesem Bewegungskreis sind wieder Räume von bestimmten Größen den einzelnen Arten der Thiere angewiesen; der Sperling steigt nimmermehr zur Höhe des Adlerfluges auf, ein flachgebauter Fisch nimmermehr in die Tiefe der Grundfische hinab. Der Einwurf, es gebe fliegende Fische und tauchende Vögel, fällt von selbst, sobald die Frage des ständigen Verhaltens dieser Thiere zu den kleinen Ausschreitungen ihrer Fähigkeit aufgeworfen wird; ist diese erweiterte Ausrüstung ihrer Bewegungsfähigkeit ein Naturspiel, aber kein absolutes Bedürfniß für dieselben und uns.

Alle Seethiere, von der Qualle bis zum Walfisch, entziehen sich bei Eintritt des Sturmes der schlagenden Wirkung der Wellenbewegung, weil diese auf ihren Mechanismus erschütternd und schädlich einwirken würde. Aber auch der Adler zieht sich in seinen Horst, der Sperling unter sein Dach, der Waldvogel geht herunter auf die sturmgeschützten Aeste und Sträucher.

Nur der Mensch als schaffender Geist versuchte es, die von der Natur nicht sehr benützte Oberfläche der See zu seinem Arbeitsfelde zu erheben. Er schuf schwimmende Schiffe und vertraut diesen seine Werthe im Handel und Leben; – aber schwach, wie er selbst, hinkt sein Machwerk nur langsam dem Naturvorbild nach, es ist der Spielball der Wellen und des Windes, es ist kaum eine Sandkorngröße den Gewalten der Natur gegenüber, es zerstäubt am Felsenriff wie Meeresschaum, und doch ist es trotz all seines Nichts und seiner Gebrechlichkeit eine menschlich große werthe Schöpfung. Doch wie der Geist des Menschen sich höher und höher schwingt, so dringt er auch immer tiefer ein in die Naturkräfte der Thiere wie der Welten.

Ich bin in diesem Dränge zunächst den Seethieren gefolgt und fand, daß es möglich sei, durch die heutigen Mittel der Technik ein vom Menschen beseelbares Gebäude zu schaffen, welches uns gestattet, gleich dem Fisch der sturmgepeitschten Woge und ihren Schlägen uns zu entziehen; ich fand, daß es möglich sei, dieses vom Menschen beseelte Thier in allen Richtungen auf und unter der Oberfläche des Wassers zu bewegen, und wagte es, das schwächliche Geschöpf der Welt zur Ausbildung und Erstarkung, ,dem Freund zu Wehr und Nutz, dem Feind zu Schad’ und Trutz’, zu übergeben. Ich lernte durch eigene praktische Erfahrung den Werth eines solchen Seegebäudes immer mehr und mehr erkennen, und aus der kleinen Puppe von 1849 (wie sie in der Erzählung vom Untergang des ersten Brandtauchers im Hafen von Kiel – Gartenl. Nr. 41. 1861 – geschildert ist) entwickelte sich als ein strammer Knabe der Küstenbrander, der, an des Vaters Hand erstarkend, der Schrecken der alten Tante Flotte werden wird, denn auf seiner Stirn ist der Todespfeil gezeichnet, den er als Mann ihr in das Herz drückt. Aber mächtig, wie der Mann im Kampfe ist, schützt er sein Haus und dessen Wohlfahrt im Frieden. Jedes Glied an seinem Körper ist dann dem Dienst des Fortschritts geweiht, er leiht seine Arme der Industrie für Perlen-, Gold- und Korallenfischen, für Telegraphie und baut sein unterseeisches Haus, die Taucherkammer, zur Erforschung der Natur in den noch undurchschauten Tiefen der Meere. Naht aber mit feindseliger List die alte zänkische Tante Flotte dem deutschen Strand, dann tritt er ihr mit seinem eisernen Leib als Küstenbrander entgegen, während er dem Freunde sich erschließt und ihm die Seele öffnet, die ihn schützt und nährt, wenn Sturm und Graus den Wogenbusen der See hebt und senkt zum frühen Grab für Tausende.“

In dieser Erklärung Bauer’s ist die unendliche Tragweite der unterseeischen Schifffahrt greifbar klar vor unser Auge geführt. Wir haben aber von den vielen Richtungen, nach welchen hin die Submarine auszubeuten ist, hier vor allen die des Küstenbranders näher zu beschauen. Unsere Illustration stellt uns denselben in seiner doppelten Thätigkeit dar.

Der Küstenbrander, sagt Bauer, ist in der Form annähernd der des Walfisches und aus Eisen gebaut, besitzt eine Maschine von circa 100 Pferdekraft, welche das Fahrzeug so lange auf der Oberfläche der See mit großer Schnelligkeit fortbewegt, bis es in die Kanonenschußweite zum feindlichen Schiff gelangt. Dort angekommen, oder auch bei Nacht ganz nahe an dem Schiff, taucht es bis unter den Tiefgang desselben, d. h. bei Linienschiffen bis 30 Fuß Tiefe, fährt dann unter demselben entweder längs dem Kiel oder auch quer hin, ohne sich selbst mit dem feindlichen Schiff in Verbindung zu setzen. Ist der Brander nun an der gewünschten Stelle angekommen, so entzündet der im Kopf desselben durch die Fenster schauende Führer die Explosionsladung des im Vordertheil ersichtlichen Geschützschwimmers, durch welchen nun ein ungeheueres Sprenggeschoß von unten auf in den Schiffskörper eingetrieben und ein Loch von circa 1½ bis 2 Fuß Durchmesser eingebrochen wird. Dem Wasser ist somit ein so geräumiger Zutritt gestattet, daß an ein Verstopfen des Lecks oder Auspumpen des Schiffs kaum gedacht werden kann.

Die Eigenthümlichkeit der hier angewendeten Triebkraft und Maschinen gestattet, daß der Küstenbrander in Fällen, wo sich die feindlichen Schiffe entweder nahe an seichtes Land legen oder unterseeische Sandbänke aufsuchen, um gegen die gefürchteten Angriffe von unten geschützt zu sein, erst recht gereizt gleich einem Raubfisch die Macht seiner Bewegungs- und Angriffsfähigkeit entwickelt, indem er in solchen Fällen durch seine verlicalwirkenden Schrauben sich aus der Tiefe in die Höhe schwingt, hierdurch mit seinen Geschützen, welche nach vorn, seitwärts und rückwärts angebracht sind, bis hoch über die Oberfläche des Wassers auftaucht und während dieser parabolischen Bewegung wie ein schießender Walfischrücken seine Geschosse nach dem feindlichen Schiff in ganz directer Nähe absendet. Im nächsten Zeitraum schon wieder unter die Wogenfläche verschwunden, besorgt er das Laden seiner Geschütze, ohne dem Feind auf dem überseeischen Schiff Gelegenheit zu bieten, seine üblichen Vertheidigungsmittel gegen ihn in Anwendung zu bringen. Schutzlos steht der Koloß der alten Marine dem neuen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_558.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)