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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

wenigstens vor deren Angriffen in einer verhältnißmäßigen Sicherheit befinden. Aller Blicke hafteten in höchster Spannung an dem Punkte der Entscheidung.

Ein Ruf der Ueberraschung erschallte plötzlich hinter Napoleon, wie eine Rakete war Platen an ihm vorüber den Abhang hinuntergesaust. Der eine Jäger war durch den unvermutheten Ruck bügellos geworden, der andere hielt mit starren Blicken die leere Hülle in der noch ausgestreckten Rechten. Indeß der Major hatte auf das zur Sicherung des Kaisers weit nach links vorgeschobene Seitenpiket nicht geachtet. Auf den Ruf: „Halt! Haltet auf!“ lösten sich sechs bis acht Reiter von demselben los und verrannten ihm den Weg. Von links und rechts stürmten die Verfolger hinter ihm drein. Einer Jagd galt’s auf Tod und Leben. Wie ein Vogel trug ihn sein schnelles Roß über alle Hindernisse fort, noch einen letzten breiten Graben mit hohem jenseitigen Rande, und keiner wagte es ihm nachzuthun. Die Gebehrde, mit welcher er von den unentschlossen an dem diesseitigen Grabenrande hin- und hergaloppirenden Franzosen Abschied nahm, konnte nicht unanständiger sein, im nächsten Moment war er denselben hinter den Bäumen und Buschpartien des nahen Flußufers vollends aus dem Gesicht verschwunden. –

Es war gegen Mitternacht nach diesem ereignißreichen Tage. Mit dem Abend war erneuter Frost und Kälte eingetreten. Das Corps York’s hatte vor der Fortsetzung des nach Rheims gewandten Rückzugs bei einem kleinen Dorfe an der Landstraße eine kurze Rast angetreten. Die Truppen ruhten um die schnell entzündeten Wachtfeuer auf dem eisigen Boden. Der General weilte, umgeben von den Officieren seines Stabes, mitten unter ihnen.

Als einzige Auszeichnung hatte man dem Feldherrn eine Schütte Stroh als Sitz untergebreitet; nachdenklich schürte er mit der Säbelscheide die Flamme des Feuers.

„Also, Schack,“ kehrte er sich nach einem langen Schweigen zu seinem Adjutanten, „so würden sich unsere heutigen Verluste Alles in Allem auf dreizehn Kanonen und über 2000 Mann belaufen?“

Der Gefragte bejahte. „Aber mindestens ist keine Fahne oder Standarte in des Feindes Hand gefallen,“ fügte er hinzu.

„Ein harter Verlust,“ murmelte York, „mit gestern sind das aber 4000 meiner besten Streiter. Und der tapfere Schon, der Arnim, der Marwitz, wie viele meiner braven Officiere haben mich diese beiden unglücklichen Tage gekostet – der verwundete Oberst von Unruh ist doch in meinem Wagen untergebracht worden?“ fragte er. „Der Platen,“ nahm er nach der bejahenden Antwort sein Selbstgespräch wieder auf, „um den thut es mir zum Meisten leid. Die Armee hat viel an diesem einen Mann verloren. Ob er todt oder gefangen sein mag?“

Ein tobender Jubel hatte dem General die Frage fast von den Lippen genommen. „Der Platen ist wieder da! Der tolle Platen! Hurrah! Hussa!“

„Was?“ York war vom Feuer aufgesprungen. „Platen, seid Ihr’s wirklich? Herr Du mein Gott! Mann, wie seht Ihr aus!“

Der Ausruf des Generals war nur zu gerechtfertigt. Blut überklebte das Gesicht des Majors bis zur Unkenntlichkeit, mit der Kälte der Nacht hatte die unverbundene Wunde sich heftig entzündet und die Geschwulst der durchschnittenen Muskeln verlieh dem ohnehin gerade nicht holdseligen Antlitz einen wahrhaft schrecklichen Ausdruck. Die beim Durchschwimmen der Marne durchnäßten Kleider steiften, starr gefroren, von dem Körper ab, und die dadurch bewirkte Unförmlichkeit der Gestalt erhöhte noch die Ungeheuerlichkeit der Erscheinung des Mannes.

Sprechen konnte der Major nicht, der Versuch dazu führte nur zu einer entsetzlichen Grimasse. Auch mit dem Trinken aus einer der zwanzig und mehr ihm zugereichten Feldflaschen wollte es nicht glücken. „Ruft den Doctor!“ hatte York den Befehl gegeben, „der Major muß vor allen Dingen verbunden werden, und dann, lieber Platen, in meinen Wagen.“

Der Verband war unter den Heftnadeln des Arztes leider nicht ohne ein geheimes Kichern abgegangen. Der Teufel hätte bei den seltsamen Verzerrungen dieses schrecklichen Gesichts auch ernsthaft bleiben mögen. Selbst von der verlornen Tabakspfeife und dem „Kiek, kiek!“ seiner Dragoner hatte das feine Ohr des Majors etwas aufgefangen. Und dann, o all ihr gnädigen Götter! saß sein Todfeind, der Unruh, in dem Wagen des Generals! Den entsetzlichen Fluch, der ihm bei diesem Anblick schon auf die Zunge getreten, mußte er bei der Unmöglichkeit die Lippen zu bewegen freilich wieder niederwürgen, allein ausspeien und zu seinem Pferde eilen, um sich wieder in den Sattel zu schwingen, konnte er dennoch. Am nächsten Morgen erst gelang es, den vom heftigsten Wundfieber Geschüttelten in einem hierzu mit Stroh ausgepolsterten Bagagewagen auf ein Lager zu bringen.




Die unterseeische Schifffahrt und W. Bauer’s Küstenbrander.
Nach schriftlichen und mündlichen Mittheilungen des Erfinders.
Von Dr. Friedrich Hofmann.

Nicht zu neuen Kriegesschrecken
Einzig lockt sein Wasserhaus:
Zum Erschließen, zum Entdecken
Ziehet der Erfinder aus.
Hat der Brander seine Wache
Treu gethan am deutschen Strand,
Fährt er mit der Friedensflagge
In der Tiefe Wunderland.
In der Tiefe„Dorfbarbier“ Nr. 33, 1861.

„Seitdem wir gesehen haben, wie man mit dem Dampfe fährt, mit dem Blitze spricht und mit der Sonne malt – was man vor fünfzig Jahren für Wahnsinn erklärt haben würde –, seitdem haben wir nicht mehr das Recht, irgend eine Erfahrung kurzweg abzuleugnen, sondern nur noch die Befugniß, den Beweis durch das Experiment zu fordern.“ Diesen Satz müssen wir, vereint mit dem Ausspruche Humboldt’s Kosmos, I, S. 140): „Eine vornehm thuende Zweifelsucht, welche Thatsachen verwirft, ohne sie ergründen zu wollen, ist in einzelnen Fällen oft noch verderblicher, als unkritische Leichtgläubigkeit“ – an die Spitze dieses Aufsatzes stellen, weil solche Zweifelsucht gerade von wissenschaftlicher Seite her dem Erfinder der unterseeischen Schifffahrt vom ersten Anfang bis in die jüngste Zeit am schroffsten entgegengetreten ist.

Trotz dieser wenig ermuthigenden Thatsache, von der wir Proben, die uns von unserer Theilnahme für die Erfindungen Wilhelm Bauers abzulenken eifrig bemüht waren, in allerlei Form vorliegen haben, ließen wir uns keinen Augenblick in unserer Ueberzeugung von der principiellen Richtigkeit dieser kühnen Versuche eines Mannes aus dem Volke beirren, sondern förderten sie nach unseren Kräften, weil wir dies für unsere nationale Pflicht hielten.

Im Jahrgang 1861 (Nr. 41) machte die Gartenlaube zum ersten Mal ihren großen Leserkreis mit dem „deutschen Erfinder“ bekannt, indem sie den Untergang desselben mit dem ersten (schleswig-holsteinischen) Brandtaucher im Kieler Hafen und seine Rettung aus jener argen Gefahr schilderte und zur werkthätigen Theilnahme für den Mann aufrief.

Bauer hatte sich, durch die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen für die Ausführung seiner unterseeischen Kriegsfahrzeuge zum deutschen Küstenschutz von ferneren Versuchen dafür abgeschreckt, der industriellen Ausbeute seiner Erfindung zugewandt. Die Gartenlaube nahm sich derselben sofort an, und die Gründung des „Central-Comité’s für Bauers deutsches Taucherwerk“, die Sammlung der nöthigen Mittel dazu und endlich die Hebung des baierischen Dampfers „Ludwig“ aus dem Bodensee waren die Erfolge ihrer Bestrebung.

Nach der Hebung des Ludwig, die in den Sommer des erregten Jubeljahres 1863 fiel, sollte in Bremen eine Aktiengesellschaft zur Ausbeute der in England patentirten Bauer’schen Erfindungen über Schiffhebung, Taucherkammer u. s. w. gegründet werden. Da führte der Tod des Dänenkönigs zum jüngsten schleswig-holsteinischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 556. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_556.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)