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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Fig. I. Der Stock.

Figur I. zeigt den sogenannten „Stock“. Mittelst der zu beiden Seiten angebrachten Charniere öffneten sich durch Auseinanderklappen die schweren Holzbalken. Der Gefangene mußte durch die in denselben befindlichen Löcher seine Beine stecken, welche so, bis zu Anfang der Wade, über den Knöcheln von dem Holze eingeschlossen waren. Alsdann wurden seine Arme durch zwei auf dem obersten Holzbalken angebrachte Eisenreifen geschoben, unmittelbar über den Handgelenken gefesselt und der Geschlossene auf solche Weise in eine gekrümmte Stellung versetzt, welche es bewirkte, daß sein Oberkörper fast die Zehen seiner Füße berührte. In dieser peinlichen, schmerzhaften und furchtbar beängstigenden Lage ließ man ihn bis kurz vor dem Beginn des Verhörs. Die Stöcke wurden dann geöffnet, und der Angeklagte erschien wankend, fast des Gebrauches seiner Glieder nicht mächtig, vor dem Richter.

„Sonderlich gut seind die Stöck wider die, so mit Teuffels-Künsten umgehen,“ sagt der alte Criminalist Döpler. Für leichtere Vergehen bestand die sogenannte „Fiddel“ (Figur II). In dieses Strafinstrument spannte man Hals und Hände.

Fig. II. Die Fiddel.

War nun auch die Situation eine schmerzhafte und peinliche, so standen die Qualen doch in keinem Verhältnisse zu denen des Stockes, namentlich bezüglich der beängstigenden Pressung des Körpers, welche bei dem „Stock“ so arg war, „daß der also zusammengezogene Reus, wie ein Reiffen an die Wand gehänget werden kunnte“.

Die scharfe Frage oder Folter, lief nach peinlicher deutscher (sächsischer und bambergischer, auch Carl’s V.) Halsgerichts-Ordnung durch folgende Grade: 1) Anlegung der Daumenschrauben oder Stöcke; 2) das Schnüren; 3) die Leiter mit Kloben, Corden und Siemen; 4) die Beinschrauben; 5) das Feuer.

Die Anwendung aller dieser Grade wird am anschaulichsten, wenn wir es versuchen einem peinlichen Verhöre beizuwohnen, in dessen Verlauf die gebräuchlichsten Instrumente in Thätigkeit gesetzt werden. Es sei hier noch bemerkt, daß es Verfahrungsarten des 17. Jahrhunderts sind und zwar aus dem letzten Viertel desselben, also durchaus nicht einer altersgrauen Vorzeit entnommen; ferner daß zu jener Zeit an Büchern kein Mangel war, welche Hexen- und Teufelskünstler-Processe erläuterten und jungen Rechtsgelehrten zum Leitfaden bei Folterverhören dienten, etwa so, wie man heutzutage die Lehre vom Wechselrecht, das Verfahren in Exmissions-Klagen nach dem allgemeinen Landrechte und dergleichen juristische Werke angekündigt findet.




Wir betreten also eine Folterstube. Wir versetzen uns in das Jahr 1693, zur Zeit des Juni-Monats. Inquisitin, eine Hexe, ist aus dem Stock entlassen und steht zitternd vor ihrem Richter. Schreiber, Amtsbote und Wächter, zwei Beisitzer und ein Gerichtsdiener sind zugegen. Es ist 3 Uhr Morgens. Die Folterkammer ist nur durch ein Fenster halb erhellt. Eine Lampe brennt auf dem Gerichtstische und beleuchtet nothdürftig den engen Raum, in dessen Hintergrunde sich verschiedene, nicht deutlich erkennbare Gegenstände aufgestapelt befinden. Wenn es draußen heller wird, werden sie schon kenntlich sein! – – Dem Richtertische gegenüber ist eine Thür. –

Es herrscht das Schweigen des Grabes. Fast meint man das Rauschen des Sandes hören zu können, welcher durch die Gläser einer Sanduhr läuft, die vor dem Schreiber auf dem Gerichtstische neben einer Glocke und einem Crucifixe steht. Die Mauern der Kammer sind ungeheuer dick, geschwärzt von Rauch, die Thüren, aus Eichenbohlen mit Eisen beschlagen, lassen keinen Ton hindurch, denn: „die Orthe da die Tortur vorgenommen wird, sollen abgelegen sein, auf daß keine Leuth hinzulauffen, damit der Richter die Urzichten des Hexen-Volckes geheim halten kann. Die Gewölber sollen dick sein: damit der Inquisiten Geschrei und Winseln den Umherwohnenden nicht beschwerlich falle.“

Die Inquisitin schaut sich entsetzt um. Sie klappert mit den Zähnen – Hunger, Angst und Frost, die quälende Gewalt des „Stockes“ haben sie einer Sterbenden gleichgemacht. Der Richter ergreift die Glocke und läutet. Alle erheben sich von ihren Sitzen.

Der Richter: „Es ist drei und ein halb Uhr Morgens nach puncto drei umgewendetem richtigen Stundenglase.“

Der Schreiber: „Es ist so wie Ihr saget, Herr Richter.“

Richter (zur Angeklagten): „Anna Wettermacherin,[1] Du erinnerst Dich, wie Du vor etlichen Wochen auf eingeholtes Erkenntniß, verdächtiger Hex- und Zauberei halber, durch die Du sehr beschrieen Dich gemacht hast, gefänglich gesetzet bist. Ob wir nun schon vermeinet, Du würdest stark bei dem ersten Verhör in Dich gegangen sein, Dein Gewissen erleichtert haben, bekennet wie Du Dich vom Satan verführen lassen, welche Unthaten Du begangen, damit Deine Seele vom ewigen Verderben gerettet und zum Bunde, den Du in der Taufe mit Jesu Christo gemachet, zurückgeführt werde, so haben wir leider doch das Gegentheil verspüret, dieweilen Du alles trotzig leugnest und verneinst, wiewohl alle Indicia der Hexerei wider Dich vorhanden sind. Du bist von dem Amtsdiener in Deinem Hause zu Drachenstädt in Beisein des Schulzen besuchet worden und hat man gefunden 1) in Deinem Mieder einen zusammengewickelten Zettul mit allerlei Charakteres und Kreuzen darauf gemalet; 2) im Querband Deines Rockes drei Pulver, ein weißes, ein rothes und schwarzes in Papier gewickelt, und in Deinem Keller 3) drei Scherben (Töpfe) mit gekochten Kräutern, ferner eine Schachtel mit Knochen von kleinen Kindern und einen zugedeckten Topf, darinnen eine grausame(!) große, rothbunte Kröte lebendig sich befunden, welche das Maul aufgesperret, hernach aber verschwunden.(!)

Fig. III. Die Daumenschrauben.

Es haben nebenbei die eidlich erhärteten Zeugen so viel verdächtige Dinge wider Dich ausgesaget, daß Dich Niemand für unschuldig halten kann(!), welches denn der Schöppenstuhl zu Peinhausen auch wohl überleget und Dir, so Du nicht bekennen willst, die Tortur oder scharfe Frage zuerkannt hat, so Du nicht in Güte Dein Bekenntniß thuest. Wir haben Mitleiden mit Dir, daß Du


  1. Die Namen der Personen und Ortschaften sind fingirt, da das Ganze ein zu jener Zeit gebräuchliches Schema für Protokolle bei Hexenfoltern ist. Die Indicien: Pulver, Kröte, Knochen etc., sind fast stets dieselben.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 540. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_540.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)