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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

der Vergessenheit oder starben; blos ein Sohn, Heinrich, gelangte zu Ehren unter dem Namen von Kirchberg. Er kannte seine Mutter nicht. Herzog Heinrich gewann nach mancher Prüfung die Oberhand. Aber fast einsam stand er im Alter. Die meisten seiner rechtmäßigen Kinder starben, und in der blutigen Schlacht bei Sievershausen fraß der Tod die zwei herrlichen Söhne des Herzogs vor den Augen des jammernden Vaters. – Von der Staufenburg ist heute kein Stein mehr zu erblicken. – –




Ein hohes Fest der Glaubenstreue.

An dem „Steinthore“ zu Coburg war 1732 eine steinerne Kanzel, nach außen gerichtet, angebaut worden, damit, wie die Chronik erzählt, von ihr aus der Obergeistliche der Stadt jene 6000 „Salzburger Emigranten“ festlich empfangen und mit Gottes Wort trösten und stärken konnte, die ihr Leidensweg aus der Heimath nach Sachsen und Brandenburg vom 21. Juli bis 12. September jenes Jahres zu dieser Stätte führte.

Diese Kanzel gehörte zu den Steinen, welche selber reden. Solche Steine predigen von dem Ernste, der Reinheit und Treue des deutschen Gemüths in allen heiligen Dingen und von der Tapferkeit und dem Opfermuth des deutschen Volkes im Festhalten und Vertheidigen der religiösen Ueberzeugung, zu der es sich einmal bekannt hat.

Die Ueberzeugung aber von dem Heile der Reformation hatte so unaufhaltsam das gesammte deutsche Volk durchdrungen, mit alleiniger Ausnahme der von der Selbstsucht beherrschten Geistlichkeit und der von der Geistlichkeit geleiteten Selbstsucht, daß, ohne die Verbindung der weltlichen Macht mit dem Pfaffenthum, über Deutschland die so oft beklagte Zwietracht im Glauben nicht gekommen sein würde. Die Reformation war ein Fortschritt, dem das ganze deutsche Volk entgegenjubelte. Es ist nicht aus der Geschichte zu vertilgen, daß schon im Jahre 1522 an der Stephanskirche in Wien ein evangelischer Prediger angestellt war und daß Kaiser Maximilian II. seinen Sohn Rudolf vor Angriffen gegen die Protestanten in Wien ernstlich verwarnte, „sintemal fast das ganze Volk und die Handwerksleute in der Stadt lutherisch sind.“

Ja, das Herz des Volkes war hingerissen von der deutschen That des muthigen Mönchs von Wittenberg, das einfache, klare, warme Gotteswort war ihm ein Labsal geworden; vor Allem steht aber als das eigentliche Wesen der Reformation da: das Volk hatte Partei für Gott und Christus genommen, die es von manchen Priestern der herrschenden Kirche durch Prunk und Hoffahrt im Cultus entwürdigt, die Beide es unter dem Marien- und Heiligendienst meist kirchlich vernachlässigt sah, und diese Parteinahme für Gott und Christus war die wahre Quelle jener trotzigen Glaubenszuversicht, die in dem Kampfliede der Protestanten: „Eine feste Burg ist unser Gott!“ sich am herrlichsten ausspricht und die, aller Welt und Gewalt gegenüber auf das Bündniß mit Gott und dem Gottessohn pochend, für dieses Bündniß und seine himmlischen Verheißungen alle Freuden dieses Lebens dahingehen konnte. Mit tiefer Ehrfurcht blicken wir auf jene Menschen zurück, deren Seelen solcher Kraft fähig waren, mit Rührung erfüllt uns ihre fromme Zuversicht in aller Trübsal, mit Wehmuth ihr standhafter Wandel im Elend.

Um so empörender ist die Mißhandlung dieses reinen treuen Volksherzens durch die Gewaltgriffe der Diplomatie, die zu allen Zeiten sich durch ihre Rücksichtslosigkeit gegen das Gefühl der Massen ausgezeichnet. Durch den Passauer Vertrag (31. Juli 1552) schien allerdings die Reformation sicher gestellt und Luther’s weise Mahnung um das, was allein allem Jammer und Unglück der Zwietracht ein Ende machen konnte, um Gewissensfreiheit, endlich erfüllt; aber auf dem Reichstage zu Augsburg, 1555, siegte bei den Bestimmungen des Religionsfriedens die List der Herren über das Volk: die Fürsten hatten vor Allem für ihre politische Machterweiterung über Ritter, Bürger und Bauern gesorgt. „Nur daraus,“ sagt ein deutscher Geschichtsschreiber, „erklärt es sich, wie ein Vertrag geschlossen werden konnte, der unter allen, die jemals in Deutschland verabredet wurden, offenbar der ruchloseste war und der mit Nichts zu vergleichen ist, als mit dem Triumvirat im alten Rom, bei dessen Abschluß die drei römischen Tyrannen sich wechselsweise ihre Anhänger aufopferten und zur Schlachtbank lieferten. Auf diesem ewig mit dem Fluch der Geschichte gebrandmarkten Reichstag wurde der Grundsatz aufgestellt: „cujus regio, ejus religio“, d. h. welchem Glauben der Fürst folgt, demselben Glauben soll auch das Volk folgen. Dadurch wurden nicht nur alle protestantischen Unterthanen katholischer Herren – und auch umgekehrt – der grausamsten Rache preisgegeben, sondern die Religion eines jeden Landes hing von jetzt an von der Laune des jeweiligen Fürsten ab. Gefiel es diesem überzutreten, so mußte das ganze Land mit übertreten, und die Pfalz liefert ein Beispiel, wie auf diese Weise wirklich ein Land seinen Glauben vier Mal wechseln mußte, wobei das Sträuben der Natur und Vernunft durch Kerker, Henker, Brand und Verwüstung besiegt wurde.“

– Ja, wäre in Deutschland an jeder Stätte, wo eine Gräuelthat an einem Menschen um des Glaubens willen verübt worden ist, ein Denkstein errichtet, wir schauderten vor dem Säulenwald, der von den Verbrechen der Deutschen gegen sich selbst zeugte.

Desto höher ehren wir die Denkmale und Erinnerungsstätten, wo die Standhaftigkeit des Volkes einen Sieg des Glaubens feierte. Solcher giebt es nicht viele mehr, die meisten sind vergessen oder verschwunden, wie die steinerne Kanzel in Coburg mit sammt ihrem Thore. Wo aber das Volk ihr Gedächtniß erhalten hat, da feiern noch heute die Enkel die Ehre der tapfern Altvordern. Vor eine solche Stätte wandern wir heute an der Hand der Kunst, die uns zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs in den Hof des Kollegiums zu St. Anna in Augsburg führt.

In dem großen deutschen Glaubens- und Verheerungskriege gehörte Augsburg zu denjenigen freien Reichsstädten Süddeutschlands, die am schwersten zu leiden hatten. Augsburg war ohne seine Schuld in der katholischen Welt zu dem Rufe eines Hauptsitzes der Reformation gekommen, weil es durch den Reichstag von 1530 gleichsam der Taufpathe des neuen Bekenntnisses geworden war. Mehr als in irgend einer andern Reichsstadt, wie in Nürnberg, Frankfurt, Ulm, Reutlingen, Hall, ging die Bürgerschaft in Augsburg mit großer Rücksicht bei der Aufnahme der kirchlichen Bewegung zu Wege; ihr drohten zu mächtige Feinde in nächster Nähe, zudem war die Stadt nicht nur ein Bischofssitz, sondern sie erfreute sich zugleich als eine Lieblingsstätte des Kaisers Maximilian der einträglichen und glanzverbreitenden kaiserlichen Hofhaltung. Wenigstens trat man hier nicht mit wilder, sieglustiger Hast gegen die Verehrer der alten Kirche auf. Denn obwohl die Bürger und ihr Magistrat seit Jahrhunderten mit dem Domcapitel, bischöflichen Ansprüchen und geistlicher Gerechtsame im Kampfe lagen, so hatte ein ganz besonderes Glück gerade damals der Stadt in dem Bischof Stadion einen milden und friedliebenden Mann gegeben. So ging denn die Ausbreitung der neuen Lehre still, aber doch so rasch vor sich, daß schon 1530 der beim Reichstage von Kaiser Karl V. angeordneten Frohnleichnams-Procession nicht hundert Bürger von Augsburg folgten. Wie bewegt aber auch sonst diese Zeit in Deutschland war, hier herrschte zwischen den Anhängern der alten und der neuen Kirche ziemlicher Friede. Selbst die ersten zehn Jahre des Dreißigjährigen Kriegs erschütterten ihn wenigstens äußerlich nicht.

Das Alles ward plötzlich anders, als im Jahre 1629 jener Kaiser Ferdinand II., der in der Geschichte den Beinamen „Deutschlands Unglück“ führen sollte, die Brandfackel seines „Restitutionsedicts“ auch in diese Stadt schleuderte. Die kaiserliche Commission, welche in allen Kreisen des Reichs die Bisthümer, Abteien, Propsteien, Klöster, Hospitäler und sonstigen geistigen Stiftungen, die seit dem Passauer Vertrag, also seit 1552, in den Besitz der Evangelischen übergegangen waren, zu verzeichnen hatte, um sie der alten Kirche zurückzugeben, trat in Augsburg mit besonderer Schärfe auf. Kaiser Ferdinand soll damals gelobt haben, gerade diese Stadt dem römischen Glauben wieder ganz zu unterwerfen, und die Maßregeln der Commission entsprachen einem solchen Gelübde. Am 8. August 1629 wurden sämmtliche (14) evangelische Prediger abgesetzt und die acht fremden darunter mit Weib und Kind in die Verbannung geschickt, alle evangelischen Kirchen gesperrt, mehrere niedergerissen, die Schulen geschlossen und die Lehrer abgedankt.

Damit nicht genug, mußten alle Kinder katholisch getauft werden,

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