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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Ulmerköpfe neben andern von Porcellan, auf welchen deutsche Landschaften den Raucher an die geliebte Heimath erinnern; prächtige glatte oder mit kunstvollen Gebilden gezierte Meerschaumköpfe, wie sie nur Wien und Nürnberg liefern, neben umfangreichen Tschibuks, wie sie kein Pascha schöner besitzt, gar nicht zu erwähnen der verschieden gestalteten Thonköpfe, die bescheiden neben kostbaren Bernsteinspitzen oder schlichten Rohren liegen. Die deutsche Holzpfeife wird übrigens von ihrer jüngern amerikanischen Rivalin bereits übertroffen; denn letztere hat ein viel zweckmäßigeres, doppelt gebohrtes Rohr, welches in den Augen vieler Raucher angenehmer und gesünder, als das deutsche ist, dem diese Verbesserung fehlt. Die amerikanischen Holzköpfe und Rohre werden beiläufig in kaum entstandenen Fabriken mittelst Dampfmaschinen erzeugt, während die Deutschen die ihrigen heute noch wie vor fünfzig Jahren durch Handarbeit herstellen. Millionen dieser Pfeifen gehen jährlich in alle Theile des großen Landes, sowie nach den britischen Besitzungen von Nord-Amerika, und nicht minder nach den westindischen Inseln, Central- und Südamerika, welche eine Segelschiff-Verbindung mit Baltimore haben. Die Sutler (Armee-Marketender), welche hier ihre Tabakvorräthe einkaufen, vergessen nicht, sich mit einer gehörigen Anzahl von Holzpfeifen zu versehen, welche nicht selten, wenn die Vorposten beider kriegführender Theile einige Zeit ganz unsinnig auf einander geschossen haben, angezündet werden und dann wie die Friedenspfeife der Indianer wirken, indem nun beide Theile ihre Gewehre auf den Boden legen, zu einander hinübergehen und ein Stündchen mit einander über Krieg und Frieden, Abraham Lincoln und Jefferson Davis, sowie über die gegenseitigen Generäle schwatzen. So bewirkt, wer sollte es glauben? die kleine billige Pfeife Waffenstillstände, die, so kurz sie sind, mancher Mutter Sohn das Leben retten, was dem stolzen Meerschaum keineswegs nachgerühmt werden kann. In der Nähe dieses Pfeifensaals befindet sich das Musterzimmer mit Proben von allen Tabaken, die im Hause fabricirt werden. Von allgemeinerem Interesse aber ist auf der anderen Seite des Hauptgebäudes ein großer Mustersaal, wo rohe Tabake der verschiedenen Staaten der Union sowohl als Südamerikas und der Türkei in übersichtlich ausgelegten Proben zu sehen sind.

Zum Schlusse sei noch den Besitzern des großartigen Etablissements, dessen getreues Bild die Illustration zeigt, den Herren Gail und Ax, der Tribut der Achtung gezollt, die sie sich nicht nur als Fabrikanten und Handelsherren, sondern auch durch ihre Menschenfreundlichkeit erwarben. Beide Herren stehen bei allen philanthropischen Unternehmungen mit an der Spitze. In die vielen Militärspitäler von Baltimore gingen von ihrer Fabrik tausende von Päckchen Tabak, da es den braven Invaliden, denen oft Tabak mehr als Brod ist, daran fehlte; auch reichliche Geldunterstützungen gewährten sie ihnen, wie sie jetzt eben den großen Bazar, den Maryland zum Besten kranker und verwundeter Krieger und ihrer hilfsbedürftigen Familien veranstaltet, auf großmüthige Weise unterstützen. Die Regierung in Washington, welche ihre Erfahrungen im Tabakverkehr schätzt, hat sie neulich wiederholt über die zweckmäßigste Methode, diesen so wichtigen Artikel zu besteuern, zu Rathe gezogen, und das Schriftchen, das sie bei dieser Gelegenheit in englischer Sprache veröffentlichten, zeichnet sich durch Richtigkeit der Ansichten, wie durch lichtvolle Darstellung aus. Damit schließen wir diesen Artikel, überzeugt, daß die Leser der Gartenlaube mit Antheil von dem Wirken ihrer Landsleute im fernen Lande hören werden.




Aus den letzten Stunden einer Monarchie.
Von Johannes Scherr.
(Schluß.)

Nachdem der König sich zur Abdankung bereit erklärt hatte, war er mühsam von seinem Lehnstuhle aufgestanden und hatte die Thüre zu dem Salon geöffnet, in welchem sich die Königin, die Herzogin von Orleans und die übrigen Prinzessinnen befanden. Aufgeregt und angstbeklommen kamen die Frauen heraus. „Ich danke ab,“ sagt der Greis.

Darauf die Königin ungestüm: „Nein. Sie werden nicht abdanken!“

Er läßt sich wieder in seinen Fauteuil neben dem Fenster fallen und stützt die Hände lässig auf seine Kniee. Die Damen umringen ihn, und diesen kleinen Kreis umgiebt ein größerer, ein bunter Mischmasch von Officieren, Deputirten und Hofleuten. In trübem Schweigen starrt diese Menge auf das schmerzliche Schauspiel. Die Königin allein bewahrt und manifestirt ihren Muth. „Man will Dir,“ sagt sie zu ihrem Gemahl, „das Scepter entreißen, und doch hat Niemand als Du die Kraft, es zu tragen.“ (Hierbei schleudert die Sprecherin einen Zornblick auf ihre Schwiegertochter Helene) „Es ist besser, muthig zu sterben, als abzudanken! Steige zu Pferde, die Armee wird Dir folgen!“ Dann wendet sie sich zu den Anwesenden und wirft denselben die Worte zu: „Ich begreife nicht, wie man den König in einem solchen Augenblicke verlassen kann. Ihr werdet es bereuen!“

Die Herzogin von Orleans kniet vor ihrem Schwiegervater nieder und bittet ihn schluchzend, ein Scepter zu behalten, welches für ihre Hände viel zu schwer sei. Ihre Schwiegermutter und ihre Schwägerinnen betrachten die Weinende mit Blicken voll Zorn, Eifersucht und Neid. Denn in diesem Gemälde menschlichen Jammers darf auch ein solcher specifisch-weiblicher Zug nicht fehlen. Sehr begreiflich jedoch, daß derselbe erschien: es handelte sich dabei nicht allein um „diese kindischen weiblichen Eifersüchteleien“, sondern darum, daß die weiblichen Mitglieder der königlichen Familie die Herzogin von Orleans schon seit längerer Zeit beargwohnten und bezichtigten, sie stände mit der Opposition in ehrgeizigen Beziehungen. Die Töchter Louis Philipp’s hegten noch zur Stunde den Wahn, dieser 24. Februar sei nur das Resultat höfisch-parlamentarischer Intriguen, und deshalb auch faßte jetzt eine der Prinzessinnen Herrn von Lasteyrie heftig beim Arm mit den Worten: „Sie sind nur hier, um uns zu verrathen!“

Etliche der anwesenden Hofmänner fühlen sich durch die Aneiferung von Seiten der Königin getrieben, ihre ritterliche Loyalität sehen zu lassen.

„Danken Sie nicht ab, Sire,“ sagt Herr Piscatory.

„Ja, Sire, danken Sie nicht ab,“ wiederholt Herr von Neuilly.

„Meinen Sie?“ entgegnete der schwankende Mann. „Nun, ich habe ja meine Abdankung noch nicht unterzeichnet.“ Aber indem er das sagt, glaubt er zu hören, daß die Gewehrsalven sich nähern, und Bestürzung malt sich auf seinem Gesichte. Wie um ein Auge zu suchen, das ihm Muth einspräche, schaut er sich um; allein alle die Herren Thiers, Duvergier, Remusat, Cousin und wie sie sonst heißen, selbst den alten Marschall Soult nicht ausgenommen, blicken zu Boden und bleiben stumm. Inzwischen haben die beiden Prinzen drunten auf dem Hofe erfahren, der König scheine Willens, seine Abdankung zurückzunehmen. Sie eilen heraus, und der Herzog von Montpensier drängt eifrig seinen Vater, das gesprochene Abdankungswort zu halten. Mit schwacher Stimme richtet der König an die anwesenden Säulen des Juste-Milieu-Königthums die Frage: „Ist es möglich, die Tuilerien zu halten?“

„Ja,“ antworten zwei oder drei Stimmen zögernd.

„Nein!“ ruft eine ganze Menge ungestüm.

Darauf Louis Philipp: „Wenn also die Tuilerien unhaltbar, will ich kein unnützes Blutvergießen. Ich danke ab.“

Bei der Wiederholung dieses Wortes erscheint der Marschall Gérard auf der Schwelle des Cabinets. Die Königin eilt ihm entgegen: „Mein lieber Marschall, retten Sie uns! Steigen Sie zu Pferde!“ Der alte Krieger neigt sich gehorsam. Er soll dem Volke die Thronentsagung Louis Philipp’s verkündigen und das Gewicht dieser versöhnenden Concession durch seine Persönlichkeit verstärken.

Zu spät! Alles und Alles zu spät!

Man setzt den durch Alter, Kummer und Krankheit gebrochenen Eroberer der Citadelle von Antwerpen drunten am Palastthor auf ein Pferd, giebt ihm einen grünen Zweig in die Hand und läßt ihn der herangrollenden Revolution als Friedensboten entgegenreiten. Er gelangt vom Tuilerienhof auf den Carrouselplatz,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_391.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)