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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Schon ziemlich häufig vorgefallen.
Hier kennt man Rache wirklich nicht.
Und wenn ein Ritter Dummes spricht,
Zahlt er zwei Kreuzer Unsinnsteuer,
Dann ist er, nach wie vor, uns theuer.
Du bist in Mußestunden Jäger,
Bist Waidsackschlepper, Flintenträger,
So Einer, der im Wald verknöchert,
Mit grobem Schrot die Luft durchlöchert!
Ich kenne das [1] – in meiner Nähe
Erschrecken auch gar oft die Rehe,
Und wenn ein Hase mich nur wittert,
So flieht er weit davon und zittert!
Sei, Bruder Nimrod, uns willkommen,
Ein Jäger wird gern aufgenommen.
Hier ist das Wild: Humor und Witz,
In diesem Sinn’ sei Insel-Schütz.
Du bist ja endlich, wackrer Gauch,
So wie wir wissen, Doctor auch;
Und noch dazu ein Mediciner,
Von Aeskulap ein flücht’ger Diener,
Der weislich vorzog, brav zu singen,
Statt Menschen künstlich umzubringen.
Die Insel dankt Dir feierlich,
Denn dieser Tausch war ritterlich!
Somit bist Du mit Glanz und Ruhm
Qualificirt zum Ritterthum!
Und weil gegeben das Capitel
Von Hatto Dir den Rittertitel,
Schlägst in mein Fach Du offenbar,
Dieweil der Hatto Bischof war!
Daß den die Mäuse einst gefressen,
Das hast Du Sohn wohl nicht vergessen.
Nun denke Dir, welch’ saft’ge Speise
Du selber wärest für die Mäuse.
Das wär’ ein Speck, wenn Dich und mich
Die Mäuse theilten unter sich!
D’rum laß fromm leben uns auf Erden,
Damit wir nie gefressen werden!
Erfülle Deine Ritterpflicht,
Und heißt es: Sing’, so spreiz Dich nicht!
Sonst ist die Strafe Dir gewiß
Und Du brummst dann im Burgverließ!
Ihr aber, Inselritter all’,
Quält ihn mir nicht in jedem Fall;
Glaubt nicht, daß, weil er ein Bassist,
An ihm nichts zu verderben ist.
Treibt nie mit einem Sänger Scherz,
Denn glaubt: er fühlt wie Ihr den Schmerz.
Und selbst ein Riesenbaß wird toll,
Der trinken will, und singen soll!
Und nun, mein Sohn, stärk Deine Glieder,
Geh hin in Frieden, setz’ Dich nieder,
Sei brav als Ritter, lieb’ die Damen,
Zeig Dich der Insel würdig. Amen!

Nach dieser Amtshandlung folgte eine Scene heiteren Blödsinns der anderen. Das kleinere Bild veranschaulicht uns eine solche in der Production einer Bande herumwandernder böhmischer Musikanten und erklärt sich von selbst. Nicht schildern aber läßt sich, ohne es gehört zu haben, der überaus komische Vortrag des von Suppé componirten Musikstückes, in welchem Beckmann als Flötenvirtuose die erste Stimme spielt. Ströme von Lachthränen, ein seltener Artikel in unserer „ernsten Zeit“, werden vergossen, und nicht eher legt sich der brandende Applaus, bis die Künstler ihre Leistung wiederholen.

Der Großmeister und der Narr (Otto Prechtler und Grandjean[2] brachten nun eine parodirende Scene „nach Anregungen in Schiller’s Don Carlos“ durch Ernst und Würde im Vortrag zur vollen Geltung. Großmeister Philipp ruft dem Posa Zeitungsschreiber vergebens zu:

 „Dies Feuer
Ist lobenswerth. Ihr möchtet Gutes stiften.
Wie Ihr es stiftet, kann dem Patrioten,
Dem Narren gleichviel heißen. Suchet Euch
Den Posten aus in meinem Inselreiche,
Der Euch berechtigt, diesem edlen Triebe
Genug zu thun.“

Dieser antwortet kühnen Muthes:

„Ich finde keinen.
Die Zeitung in der Hand hier Spaß verbreiten
Ist mir genug. Nach Höh’rem streb’ ich nicht.
Des Priors frommer Sinn ist mir nicht eigen,
Und nicht die Demuth des Almoseniers,
Zum Büttel fehlt das Ohr mir und die Faust,
Als Castellan zerreiß ich zu viel Stiefeln,
Als Kanzler brauch ich zu viel Briefpapier,
Als Säckelmeister dauern mich die Ritter,
Den Monatsbeitrag sammeln, das ist bitter.
Otto der Grausame, schau, sekir mich nicht!
Nur keinen Stempel, bitt’ ich, auf die Zeitung,
Den Stempel der Empfindlichkeit. Verworfen
Sind alle Stempel, welche diesem gleichen,
Denn was dem Schatze frommen kann, ist das
Auch mir genug? O nein, ich muß
Mich weigern, diese Stempel auszugeben.
Jetzt wißt Ihr es, hier steh ich – sperrt mich ein.“

Großmeister (etwas rasch):

„Ihr seid ein dummer Kerl.“

Narr (nach einigem Bedenken):

„Ihr Glaube, Sire, ist auch der meinige“ (nach einer Pause):
„Ich werde mißverstanden,
Das war es, was ich fürchtete“ etc. etc.

Erst das Tagesgrauen scheucht die Gesellschaft und die Geister froher Laune auseinander. Ich weiß recht wohl, daß ich mit meiner Schilderung weit hinter dem Eindruck zurückbleibe, den das originelle Treiben auf der grünen Insel auf jeden Besucher hervorruft, und verweise nochmals auf die beigegebenen Illustrationen, die ein viel besseres Bild von demselben geben, als meine arme Feder zu zeichnen vermag. Möge das österreichische Eiland des deutschen Humors auch in Zukunft grünen und blühen und diese Zeilen als Dankesspende hinnehmen für die vielen unvergeßlich frohen Stunden, welche Schreiber derselben dort verlebt hat!




Blätter und Blüthen.


Auswanderung ist ein Naturproceß, die fortgesetzte Völkerwanderung, das hat man jetzt ziemlich allgemein begriffen, aber noch immer will man nicht einsehen, daß sich auch in dieser Beziehung die Natur keine Vorschriften machen läßt, d. h. daß auf falsch gewählten Zielpunkten der Auswanderung, zu denen der natürliche Strom nicht freiwillig geht und wohin man ihn daher durch künstliche Mittel zu lenken und zu zwingen sucht, auch niemals eine wahre und gedeihliche Colonisation das Ergebniß wird sein können. Die Pilger der Mayflower gründeten Neu-England, weil sie die rechte Richtung eingeschlagen hatten; nach Brasilien möchten immerhin Tausende solcher Schiffe ziehen, sie würden doch nimmer den Grund zu Staaten gleich den nordamerikanischen legen, sie würden nichts weiter thun, als ein dem Mutterlande verlorenes Element an jenen Südgestaden absetzen, damit es sich brasilianisire, d. h. als Dünger für eine Mischlingsrace diene, der es versagt ist, jemals eine erhebliche Rolle in dem großen Völkerdrama zu übernehmen.

Nach alledem fragt aber freilich nicht der Auswandereragent, der gar viel zu thun glaubt, wenn er sich den Anschein eines Menschenfreundes giebt, welcher armen Teufeln irgendwo ein Unterkommen nachweist; auch die Masse der Auswanderungslustigen fragt wenig darnach, die eben nur ein Unterkommen wünschen, gleichviel wo; und auch ein brasilischer Coloniedirector fragt nicht darnach, der blos sein Steckenpferd als patriarchalischer Colonien- oder Städtegründer reitet, oder den es gelüstet, den mittelalterlichen Feudalherrn zu spielen, und der daher Unterthanen braucht.

Stellt man sich auf den Standpunkt der hier Genannten und handelt es sich alsdann blos darum, Leuten, die es daheim schlecht haben, eine Lage zu verschaffen, wo sie sich physisch wohlbefinden können, dann läßt sich wenig dagegen einwenden, daß man Auswanderer nach dem südlichen Brasilien schickt; nur sollte man nicht so weit gehen, Brasilien überhaupt, also auch das nördliche, und obendrein das verrufene Parceriesystem herauszustreichen, wie es der ungenannte Verfasser eines Buches thut, das uns zu diesen Zeilen veranlaßt und dessen Titel lautet: „Was Georg seinen deutschen Landsleuten über Brasilien zu erzählen weiß. Schilderungen eines in Südbrasilien wohlhabend gewordenen Proletariers. Ein Beitrag zur Länder- und Völkerkunde. Mit 25 Holzschnitten etc. Leipzig, 1863“.

Es ist begreiflich, daß die brasilischen Werber die dermaligen Umstände, unter denen Nordamerika den Auswanderern momentan verleidet ist, auszubeuten suchen, und ein Buch, wie das angeführte, ist auch sehr geeignet, nichtunterrichtete Leute und Solche, denen es nicht darauf ankommt, sich als übelverwendeten Völkerdünger brauchen zu lassen, zu überreden und zu gewinnen. Es ist offenbar von einer mit den geschilderten Verhältnissen vertrauten Person verfaßt, nur sicherlich nicht (wie es vorgiebt) von einem Manne, der Jahre lang als Halbschiedler Kaffee gepflückt hat. Während


  1. Beckmann ist passionirter Jäger, der aber öfter „ein Loch in die Natur schießt“, als dem Wilde gefährlich wird.
  2. Grandjean ist zugleich Redacteur und einziger Mitarbeiter der überaus witzigen Inselzeitung; Otto Prechtler, der bekannte lyrische Dichter, handhabt die Großmeisterwürde mit einer Fülle von parodirendem Ernst in ergötzlichster Weise.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_350.jpg&oldid=- (Version vom 1.6.2021)