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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

„Ein Bombardier auf der Arkona fragt im heftigsten Gefecht, auf den nächsten dänischen Koloß zeigend, den Capitain: ,Härr Captein, wuhr söalen wi em foaten?’ (Herr Capitain, wo sollen wir ihn fassen?) Der Capitain bezeichnet ihm das Bugspriet. Kaltblütig richtet der Mann das Geschütz, feuert ab, und im nächsten Augenblick senkt sich das Bugspriet des Dänen und fällt in die hoch aufspritzende Fluth.“

Unser Boot bringt uns jetzt an einen kleinen Raddampfer, der, zierlich und leicht gebaut, zwischen den Schrauben-Kanonenbooten liegt. Wir würden glauben, ein kleines Fluß-Dampfboot vor uns zu haben, wenn uns die drohend über Bug und Stern hinüberschauenden Mündungen von zwei mächtigen Geschützen nicht eines Besseren belehrten. „Dat oll lütt Dings hett den Dänen doch endlich gepäpert“, (das kleine Ding hat den Dänen doch ordentlich gepfeffert) bemerkt einer von unseren Ruderern. Es ist die „Loreley“. Ein Augenzeuge des Gefechts bei Saßnitz schildert die Loreley, wie sie auf das größte dänische, unbeweglich daliegende Kriegsschiff losdampfte, wie eine ausgelassene Dirne, die mit Erwachsenen spielen will, welche aber auf ihr Spiel nicht eingehen. „Die beiden ersten Kugeln der Arkona und Nymphe gingen über die Dänen hinweg, während die Loreley dem Linienschiff Skjold gleich eine Kugel in die Weichen sandte, daß die Splitter umherflogen, und hoher Gischt auf dem schäumenden Gewässer emporspritzte. Wie ein losgelassener Stier brüllte der Däne los, indem er der Loreley eine volle Lage gab. Ungetroffen neigt sie kokett das Köpfchen, fliegt spottend in die vom Admiralschiff ihr angewiesene Stellung zurück und setzt dort ihr verhängnißvolles Singen fort. Wie spielend sendet sie ihr tödtliches Geschoß in die dänischen Kolosse, und neckend dreht sie sich wie eine kokette Schöne, wenn sie dem Dänen die unverdauliche Speise zu kosten gegeben hat.“

„Hier fiel der Lootse Berg,“ erfahren wir von einem auf die eine Seite der Commandobrücke (Brücke zwischen den Radkasten, Platz des Capitains) deutenden Matrosen. Der Lootse Berg aus Thießow auf der Halbinsel Mönkgut war der einzige Todte, den die Loreley zu beklagen hatte. Aufgefordert von dem neben ihm stehenden Commandanten der Loreley, dem tapferen Capitain Kuhn, die gefährliche Stelle zu verlassen, erwiderte er, daß dies der Platz sei, der ihm neben dem Capitain allein gebühre. Und er hatte Recht, der wackere Lootse; auch jetzt, in diesem schweren Augenblick, wie immer, wenn Sturm und Brandung die einzigen Feinde des Seemanns sind, war es seine Pflicht, auf dem gefahrvollen Posten auszuharren, und das Schiff sicher vor allen Untiefen zu bewahren. Zu der Erfüllung dieser seiner Pflicht traf den braven Seemann ein Stück von einer Kugel, die auf den Radkasten aufgeschlagen war, und verwundete ihn so, daß er nach mehreren Stunden schon seinen Geist aufgab. Noch sehe ich das ernste, würdevolle, aber bleiche und schon die Spuren des herannahenden Todes zeigende Antlitz des pflichtgetreuen Mannes, als er, von einem Transportdampfer gebracht, durch die Straßen der Stadt Stralsund zum Militär-Lazareth getragen wurde. Trotz seiner gewiß furchtbaren Schmerzen kam kein Klagelaut über seine Lippen, und kühn schaute das muthige Auge, wie dem Feinde, so auch dem bereits herannahenden Tode entgegen. Ueberall, wohin der Zug mit dem Verwundeten kam, geballte Fäuste und Verwünschungen gegen den Feind, selbst Knaben hörte man sich darüber beklagen, daß sie noch nicht im Stande seien, an dem Dänen ihr Müthchen zu kühlen. Wie große Theilnahme aber der Lootse Berg, der erste Gefallene der preußischen Marine, erregt hat, zeigt der Umstand, daß für seine nunmehr des Ernährers beraubte Familie in einigen Tagen eine namhafte Summe Geldes gesammelt war.

In kräftigen Ruderschlägen bringt uns unser Boot wieder zur Insel. Von der Daenholms-Kaserne her ertönt das Signal zum Schluß der Arbeit. Die Fähre nach der Stadt füllt sich schnell mit lustigen Wasserratten, welche trotz ihrer Verachtung alles dessen, was auf festem Grund und Boden lebt und wirkt, es doch nicht unterlassen können, in Gesellschaft von Landratten ihr Glas „steifen Grogs“ behaglich hinunterzuschlürfen. Auch wir steigen in die Fähre und kehren zur Stadt zurück. – Mögen die Erfahrungen dieses jüngsten Kriegs mit der schwächsten europäischen Seemacht nicht abermals für Preußen verloren sein! Oder soll man von Deutschland reden? Soll man zum tausendsten Male den Herren am grünen Tisch in der Eschenheimer Gasse vorhalten, daß, wenn sie die deutsche Flotte nicht einmal vermehrt, sondern nur in gutem Stand erhalten hätten, das für das große Deutschland so schmachvolle Piratenspiel der Dänen unmöglich gewesen wäre? Der ganze Krieg würde nicht weniger rühmlich geendet haben, wenn er auch weniger Blut gekostet und dem deutschen Volksvermögen zur See weniger schwere Wunden geschlagen hätte, als dies abermals der Fall war.




Blätter und Blüthen.

Eine tröstliche Aussicht. Der Caviar, selbst wenn er nicht aus dem caspischen Meere, sondern nur von der Elbmündung in der Nordsee kam, war, zum tiefen Leidwesen gar mancher höher gebildeten Zunge, bisher bekanntlich ein etwas theueres Labsal, dessen Genuß man sich im Allgemeinen nur bei feierlichen Extragelegenheiten zu Gute zu halten pflegte. Zum Segen der Menschheit wird dieser schmerzlichen Exklusivität der antikatzenjämmerlichen Magenstärkung bald abgeholfen sein. Ein Hamburger Geschäftshaus hat nämlich unweit von Stade in Hannover in der Mündung des Schwingecanals zu Brunshausen ein ausgedehntes Etablissement errichtet, in welchem für den edlen Zweck der Caviarbereitung die von Holsteiner Fischern gelieferten Störe massenhaft geschlachtet werden. Während man die ausgeweideten Fische in Hamburg selbst räuchert und in ihren ungenießbaren Theilen zu Thrane versiedet, wird der Caviar seinen Weg nach den Staaten des deutschen Zollvereines nehmen, wo ihn als nunmehr inländisches Product nicht länger die bis jetzt auf ihm haftende hohe Eingangssteuer von eilf Thalern für den Centner trifft. – Wir glauben durch Mittheilung dieser wichtigen cultur- und culinargeschichtlichen Neuigkeit einem großen Theile unserer Leser eine höchst erfreuliche Perspektive eröffnet zu haben und in ihrem Sinne zu handeln, wenn wir der menschenbeglückenden Hamburger Firma hierdurch ein Dankesvotum decretiren.




Ein Vorbild zur Nachahmung. Unsere deutschen Schriftsteller werden vielleicht Zeter schreien, wenn wir ihnen – Alexander Dumas Vater als ein Vorbild hinstellen, dem sie mit Aufgebot aller Kräfte nacheifern sollten. Dennoch aber thun wir’s und bitten, in ihrem und auch in unserm eigenen Interesse, recht angelegentlich, sich wenigstens in einem Punkte den unerschöpflichen französischen Novellisten zum Muster nehmen zu wollen, in der – Handschrift.

Alexander Dumas weilt seit einigen Wochen wieder frisch und munter in Paris. Trotz seiner zweiundsechzig Jahre und seines buntbewegten Lebens sitzt er vom frühesten Morgen bis zum spätesten Abende am Arbeitstische und schreibt – so heißt es in einer Pariser Correspondenz aus bekannter geistreicher Feder – tagtäglich seine drei bis vier Druckbogen In einer Handschrift, welche ein Muster der Kalligraphie ist. Er ist sehr eitel auf seine schöne reine Schrift und schickt niemals ein mit Correcturen versehenes Manuskript in die Druckerei. Sobald er sich genöthigt sieht ein Wort durchzustreichen, wirft er das Blatt weg und beginnt es von Neuem zu schreiben.

Wir gestehen, ein Gefühl stillen Neides beschlich uns, als wir dieses lasen, und der sehnliche Wunsch ward in uns laut, daß ein recht ansehnlicher Theil unserer hochgeschätzten Mitarbeiter und auch Frauen und Fräulein Mitarbeiterinnen sich nur eine kleine Dosis von dieser Dumas’schen Eitelkeit aneignen möchte. Die vielgeplagten Setzer der „Gartenlaube“ würden auch kein Klagelied anstimmen, sollte unser Wunsch mindestens da und dort in Erfüllung gehen, wo man sich der Hieroglyphik allzu eifrig befleißigt.




Erklärung. Die Notiz über „Nicotinfreie Cigarren“ in Nr. 12 der Gartenlaube hat einen Fabrikanten, dessen Namen und Thätigkeit in diesem Geschäftszweige uns aus seinem Schreiben zuerst bekannt geworden ist, zu einem abwehrenden Schreiben veranlaßt. Der Fabrikant giebt darin selbst zu, daß die Bezeichnung nicotinfrei nicht richtig sei, meint vielmehr selbst, es müsse halb- oder dreiviertel nicotinfrei heißen, da seinem Fabrikat nur ein Theil seines Nicotin entzogen sei. Nun ist es wohl Jedermann, der sich um diesen Gegenstand bekümmert hat, hinlänglich bekannt, daß dem Rohtabak bei seiner Verarbeitung stets ein Theil seines Nicotingehalts entzogen wird, wie auch in unserer Notiz ausgesprochen ist. Der gewählte Name ist also falsch und verleitet das Publicum zu einer falschen Beurtheilung der gekauften Waare, der zum Ueberfluß gewisse Heilwirkungen zugeschrieben und angebliche Nachtheile anderer Tabake und Cigarren abgesprochen werden. Das ist aber ein Verfahren, welches man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als Schwindel bezeichnen darf, um so mehr, als die chemisch untersuchten „nicotinfreien“ Cigarren von Biermann (so viel ich weiß, die einzigen bisher geprüften) eben so viel Nikotin enthielten, als andere Cigarren. Die Fabrikationsweise des Fabrikanten, welcher unsern Angriff abweisen will, mag übrigens ganz gut sein, dann würde sein Fabrikat auch ohne die falsche Bezeichnung Beifall bei den Rauchern finden. Damit er aber nicht ferner einen Concurrenten in mir sucht, so stehe ich nicht an, meine Notiz mit meinem Namen zu vertreten und ihm zu versichern, daß ich in dem fraglichen Artikel lediglich Consument bin.

Fr. Dornblüth, Dr. med.  


Kleiner Briefkasten.


V–r in G–ain. Sie sind Sieger im Streite und das Instrument ist ein für den Gebrauch der Officiere aufgestelltes Beobachtungsfernrohr. Dergleichen befinden sich auf ähnlichen Gestellen natürlich an den verschiedenen militärisch wichtigen Punkten des Kriegsschauplatzes errichtet.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_336.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)