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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

wird, blos einer albernen Weitläufigkeit wegen, die mit ein paar Federstrichen abgemacht wäre? Ich habe, was ich zum Leben brauche, und kann eine Frau ernähren, Lieschen ist mir gut, Ihr und Lieschens Eltern habt eingewilligt, und Monate lang könnten wir schon unseren neuen Hausstand haben; aber nein, da strecken lauter Leute, die mir nicht ein Stück Brod geben, wenn ich an der Straße verhungere, die Finger dazwischen und schreien: Nein, das geht nicht, die hohe Obrigkeit will’s nicht, der liebe Gott nicht! Ist denn das nicht um den Verstand zu verlieren?“

„Wahre das Bischen, was Du hast, mein Junge!“ sagte der Alte trocken, „Du weißt nicht, wie Du’s noch ’mal im Leben brauchen kannst.“

Und damit war das Gespräch über den Gegenstand für heute abgebrochen, aber die Sache wurde darum nicht anders, denn wieder vergingen Wochen, ohne daß weder von der geistlichen noch weltlichen Behörde ein Entscheid gekommen wäre. „Sie müssen warten,“ lautete die jedesmalige Antwort, „eine solche Sache läßt sich eben nicht über’s Knie brechen,“ und dabei blieb’s, einmal wie allemal.

Der arme Hans ging wirklich in Verzweiflung umher, und er glaubte oder bildete es sich auch wohl nur ein, daß Lieschen jetzt selber ungehalten über die Verzögerung würde und es ihn entgelten ließe. Es wollte ihm wenigstens so vorkommen, als ob sie lange nicht mehr so freundlich, so herzlich mit ihm sei, wie in früherer Zeit, wenn er sie drüben in Wetzlau aufsuchte, und welchen anderen Grund hätte sie dazu in der Welt haben können, als die verwünschte Heimathsangelegenheit? Er konnte sich nicht mehr helfen, er mußte Jemanden deshalb um Rath, um seine Meinung fragen, und Niemand schien ihm dazu passender, als seine Pflegeschwester. Niemand war es auch wohl.

„Sei nicht thöricht, Hans,“ sagte ihm diese aber freundlich. „Deine eigene üble Laune macht Dich Alles schwarz sehen; Du wirst drüben in Wetzlau gerade so mürrisch und verdrießlich ausgeschaut haben, wie hier, und daß das arme Lieschen sich darüber nicht glücklich fühlen konnte, willst Du sie nun auch noch entgelten lassen. Ist das recht?“

„Und glaubst Du wirklich, Kathrine, daß mich Lieschen recht von Herzen lieb hat und nicht bös auf mich werden würde, wenn’s auch noch länger dauert?“

„Ich glaub’s gewiß, Hans,“ sagte das junge Mädchen, aber mit recht leiser Stimme. „Es kann ja –“ sie hielt plötzlich an, sah vor sich nieder und fuhr dann fort: „Bist Du denn schuld an der Verzögerung? Sie wird nur eben auch traurig sein, daß es so lange dauert, ehe sie – ihr Glück an Deiner Seite findet.“

„Was wolltest Du vorher sagen, Kathrine? Du meintest ‚es kann ja –‘“

Katharine erröthete leicht, aber sie sagte: „Ich bringe das, was ich sagen will, nicht immer so mit den rechten Worten heraus, aber gemeint ist’s gut, Hans, das darfst Du mir glauben.“

„Ich glaub Dir’s, Kathrine,“ sagte Hans, drückte ihre Hand, während er ihr mit der Linken über die blonden Haare strich, und ging dann hinaus in den Stall, um nach seinen Pferden zu sehen.

Katharine setzte sich auf denselben Stuhl, auf dem Hans vorher gesessen hatte, stützte den Kopf in die Hand und schaute nach der untergehenden Sonne hinüber, die da drüben am Berghang die Kieferstämme mit ihrem rothen Gluthenschein übergoß und ihr blitzendes Licht in den Fenstern des Pfarrhauses wiederspiegelte.




7. Die Dreiberger Kirmeß.

Der Herbst rückte heran und die Zeit der Kirmeß, und die erste sollte in Dreiberg abgehalten werden. Am nächsten Sonntag wurde sie „angetrunken“, und Hans durfte deshalb nicht so lange als gewöhnlich in Wetzlau bleiben. Aber er kehrte heute mit fröhlichem Herzen heim, denn Lieschen hatte geweint, als er ihr von seinem Verdacht erzählte, daß sie ihn nicht mehr so lieb habe, und war ihm dann um den Hals gefallen, und ihre Küsse brannten ihm noch auf den Lippen.

Der „Mosje aus der Stadt“ wohnte freilich noch immer in der goldenen Traube und hatte mit ihnen an einem Tisch gegessen – was er alle Tage mit Lieschen und ihren Eltern that, da er sich bei ihnen in Kost gegeben. Der Herr war auch sehr aufmerksam gegen seine Braut gewesen, und eigentlich gefiel das Hans nicht recht, aber es ließ sich auch nicht gut etwas dagegen sagen. Das Zusammenlegen der Felder, besonders bei den verwickelten Eigenthumsverhältnissen in Wetzlau, war keine Arbeit, die sich eben in vierzehn Tagen abthun ließ, und das andere Wirthshaus im Dorfe so schlecht, daß ein anständiger Mensch dort nicht gut wohnen konnte. Jener Fremde – Herr von Secklaub hieß er – mußte also wohl oder übel in der Traube wohnen und essen, und daß er sich artig gegen die Tochter vom Haus betrug, konnte Hans ebenfalls nicht gut übelnehmen. Weit eher hätte er Grund dafür gehabt, wenn das Gegentheil der Fall gewesen. Lieschen sprach aber auch in der ganzen Zeit, da Hans in Wetzlau war, keine zehn Worte mit jenem Herrn, und als sie ihm auch noch zusagte, daß sie seine Platzjungfer auf der Kirmeß in Dreiberg sein wollte, hatte er alles Andere darüber vergessen – selbst den Heimathschein und das hohe Consistorium – und galoppirte so fröhlich und guter Dinge nach Hause, wie er lange nicht gewesen war.

Und heute Abend wurde die Kirmeß wirklich in Dreiberg angetrunken, wie man diese Feierlichkeit dort nennt; d. h. die jungen Burschen aus dem Orte kamen im Wirthshaus zusammen und behandelten die sehr wichtige Angelegenheit, wer die Kirmeß eigentlich von ihnen halten, d. h. bezahlen sollte. Zu dem Zweck mußten sich drei von ihnen zu sogenannten Platzburschen erbieten, die es übernahmen die sämmtlichen Kosten zu tragen, oder wenigstens dafür gut zu sagen. Erreichte die Einnahme nachher die Kosten nicht, so hatten sie aus ihrer Casse darauf zu legen, was daran fehlte.

Es versteht sich von selbst, daß sich immer die wohlhabendsten Burschen im Dorfe dazu erboten, und Hans war heute der Erste, der sich zu einem derselben meldete. Nach einigem Herüber- und Hinüberreden, denn die Sache kostete manchmal viel Geld, fanden sich auch noch die beiden Anderen, und jetzt mußte Jeder seine Platzjungfer nennen.

Das ging ebenfalls rasch genug: Hans nahm natürlich seine Braut, ein anderer Bauerssohn aus Dreiberg erklärte, seine Platzjungfer solle Barthold’s Katharine sein, und der dritte hatte sich des Schulmeisters Tochter ausgesucht.

Nun kamen noch einige geschäftliche Angelegenheiten, denn die Platzburschen hatten auch für die Musik, die ganze Kirmeß durch, zu sorgen, wie sie ebenfalls während der Zeit Freibier halten mußten. Auf morgen Abend aber wurde, wie das jedes Mal so geschieht, das Ständchen angesetzt, das die Platzburschen ihren gewählten Mädchen geben, und ein Abgesandter der Stadtmusikanten, die gewöhnlich auf den Kirchweihen spielen, war schon zu dem Zweck herausgekommen, um die nöthigen Anordnungen zu hören und die Stärke des Orchesters mit den Platzburschen zu besprechen.

Gewöhnlich hatten diese nun immer zwölf „Musikanten“ zu ihrem Tanz und Vergnügen gehalten, Hans aber bestand auf zwanzig, ohne den Kapellmeister, weil er die Sache glänzend durchgeführt haben wollte, und als die Anderen, der Kosten wegen, darauf nicht eingingen, erbot er sich die Ueberzähligen aus seiner eigenen Tasche zu bezahlen. Der „Stadtmusikant“ bekam dann gleich Befehl, morgen Abend um sieben Uhr mit seiner „Bande“ an Ort und Stelle zu sein, und die beiden anderen Platzburschen – Lieschen wußte ja schon, daß sie gewählt sei, und kannte den dabei beobachteten Gebrauch – brachen jetzt auf, um ihren Platzjungfern die zugedachte Ehre anzuzeigen.

Katharine sträubte sich erst. Sie war bis jetzt nur dann zu Tanz gewesen, wenn Hans mit ihr ging, aber Hans redete ihr selber zu und bat sie, es seinet- und Lieschens wegen anzunehmen, das sich gewiß freuen würde, mit ihr da zusammen zu sein. Außerdem konnte sie es nicht einmal gut ausschlagen, ohne den jungen Burschen gröblich zu beleidigen. Er wäre gewiß nicht wenig von den Cameraden ausgelacht worden. So nahm sie es denn an, und die Mutter, die stolz darauf war, daß sie ihre Katharine zur Platzjungfer gewählt, hatte alle Hände voll zu thun, um den gehörigen Putz für sie herzurichten, denn Katharine sollte dem Barthold’schen Haus wahrhaftig keine Schande machen.

Die eigentliche Kirmeß fing erst in vier Wochen an, am nächsten Abend aber mußte den Platzjungfern, mit dem vollen Musikcorps, das Ständchen gebracht werden, und es ist dann Sitte, daß die Mädchen die Burschen sowohl, als die Musikanten mit Kaffee, Kuchen, Wurst und Brod tractiren. Da sie aber doch nicht gut bei allen dreien essen und trinken konnten, suchten sich die Burschen gewöhnlich zum Halteplatz den Ort aus, wo sie auf ein gutes „Tractament“ rechnen konnten, und das war hier im Ort natürlich

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