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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Freund ging in seiner Ekstase so weit, einmal den ganzen Arm in’s Wasser zu halten, und zog ihn vollkommen übersilbert zurück. Damen befeuchteten ihre Taschentücher und schmückten sie so mit den kostbarsten Diamanten.

Plötzlich eröffnete sich eins der originellsten Wasserfeuerwerke und zwar im vollsten Sinne dieses Wortes. Eine Anzahl Herren hatten sich kleine flache Steine, wie deren das Meer zu Tausenden am Strande ausgeworfen, zusammengesucht und ließen dieselben geschickt über das Wasser tanzen, wo dann ein jeder eine lange brillante Rakete in die dunkle Fluth riß. Bewegte man den Spazierstock in den Wellen hin und wider, so schlug rings das klarste Silber empor. Noch prächtiger nahm sich dieses Experiment mit einem Baumzweige aus, wo ganze Silberflächen hervorgezaubert wurden. Warf man endlich eine Hand voll trockenen Sandes über die Fluth, so entzündete sich das Meer in weitem Kreise, weil jedes Sandkorn sein Wellchen hervorrief, das da leuchtete.

Endlich war es auch mir und meinem Freunde gelungen, ein Boot zu acquiriren und eine Strecke in die See hinauszufahren. Es war wie ein Märchen aus tausend und einer Nacht. Bei jedem Ruderschlage rauschten die Silbermassen aus dunkler Tiefe empor. Viele der am Strande Anwesenden, die sich noch immer nicht zur Ruhe zurückzogen, obgleich Mitternacht vorbei war, füllten sich Glasflaschen mit Wasser, das auch noch lange nachher fortleuchtete.“

Der Maler schwieg, und die Schwestern erkundigten sich jetzt bei dem gelehrten Bruder nach der Ursache dieser ebenso seltenen wie interessanten Naturerscheinung.

„Das Meerleuchten,“ erklärte dieser, „hat den wissenschaftlichen Forschern seit Jahrhunderten viel Kopfzerbrechen verursacht. Bald sollte es das Ausströmen elektrischen Lichtes sein, bald vom Brechen der Mondesstrahlen herrühren; der zahlreichen anderen, oft sehr absurden Hypothesen nicht zu gedenken. Erst der neuesten Wissenschaft blieb es vorbehalten, diese Frage gründlich zu lösen und als unumstößlich für alle Zeiten hinzustellen. Die sorgfältigsten und gewissenhaftesten Untersuchungen haben nämlich unwiderleglich nachgewiesen, daß diese Erscheinung ihr Dasein zahlreichen Leuchtthierchen verdankt. Das Meerleuchten findet, je nach den äußeren Ursachen und Wärmeverhältnissen, in der erhöhten Lebensthätigkeit dieser Thierlein seinen Ursprung. Bei kühler Temperatur der Luft und des Wassers sinkt diese Lebensthätigkeit, und vom Meerleuchten ist da keine Rede. Daher denn auch diese Erscheinung in den kältern Meeren bei weitem nicht diese Intensivität erreicht und darum auch weit seltener sich zeigt als in den südlichen Oceanen, wo sie ihre höchste Pracht entfallet. Reisende aus jenen Meeren können diese Pracht nicht begeistert genug schildern. Die dahin segelnden Schiffe ziehen breite Lichtstraßen hinter sich. Die Thun- und Haifische erkennt man in einer Tiefe von fünfzehn Fuß. Delphine bewirken durch ihre Schlangenlinien und durch das Schlagen ihrer Flossen ein ununterbrochenes Feuerwerk. Fliegende Fische gewähren den Anblick des prächtigsten Feuerregens. Ja, es hat Fälle gegeben, namentlich in der Gegend vom Cap der guten Hoffnung und dem Aequator, daß das Meer über und über zu brennen schien. Jede Welle trug eine leuchtende Krone, Leuchtkugeln stiegen auf und nieder, und die Fische schossen wie Blitze durch die Tiefe. Trotz des rabenschwarz bedeckten Himmels war es so hell, daß man die Fliegen auf den bleichen Segeltüchern deutlich erkennen konnte und am Cajütenfenster selbst kleine Schrift zu lesen vermochte. Außerordentlich imposant wird das Phänomen, sobald plötzlicher Platzregen eintritt, wo sich dann das ganze nächtliche Meer in eine kochende Feuergluth verwandelt.

Von diesen merkwürdigen Leuchtthierchen giebt es die unterschiedlichsten Arten, theils mikroskopisch, theils dem unbewaffneten Auge sichtbar. In den südlichen Meeren spielen darunter die sogenannten Feuerwalzen oder Pyrosamen, sechs bis sieben Zoll lange walzenförmige Thiere, die Hauptrolle, während die Nordsee hauptsächlich durch die sogenannten Leuchtbläschen versilbert wird, Thierchen, von welchen ein einziger Wassertropfen eine große Anzahl enthält. Dies sind,“ schloß der junge Gelehrte seinen Vertrag, „die wissenschaftlich festgestellten Ursachen des Meerleuchtens.“

Es war dunkel geworden. Man brach auf nach dem Conversationsgarten, wo Concert angekündigt war. Der Maler, noch trunken in der Erinnerung, sagte: „Ich verdanke der Mutter Statur und ihrer Pracht und Herrlichkeit manche hochgenußreiche Stunde, doch die unvergeßlichsten Augenblicke bleiben mir doch, als die Alpen glühten am Spätabend und das Meer brillanten aufleuchtete in stiller Mitternacht.“




Eine andere Stätte, von wo Licht ausging.
Von Prof. Richter in Dresden.

Eine Stätte, von wo Licht ausging, habe ich unsern freundlichen Lesern vor Kurzem vorgeführt (Gartenlaube 1863. Nr. 47. 48.). Diese Benennung gebührt in noch weit höherem Maße derjenigen Stätte, an welche ich Sie heute, wenigstens in der Einbildung, führen will. Bevor wir jedoch deren Bedeutsamkeit besprechen, will ich erst erzählen, wie es zuging, daß ich dieselbe entdeckte.

Es war am 14. August 1855 Nachmittags, als wir, Freund Jaksch und ich, in offenem Einspännerchen aus der stolzen Hafenstadt Genua gen Westen rollten, um auf die genußreichste Art jene wundervolle Straße längs der Ufer des mittelländischen Meeres am Fuße der Seealpen hin zu bereisen, welche dem Baugenie Napoleon’s alle Ehre macht und zugleich mit Recht als einer der reizendsten Striche der ganzen Erde, als das „goldne Ufer“ Oberitaliens berühmt ist. Ueber Voltri und Arenza waren wir in ein Oertchen Namens Cogoletto gelangt. Hier hielt unser Kutscher plötzlich auf der Straße still, sprang mit italienischer Ungenirtheit vom Bocke, indem er uns in ein paar Worten andeutete, daß er hier etwas zu thun habe, – und verschwand, uns und das Pferd auf dem Pflaster stehen lassend. In dieser Lage fiel uns an der nächsten Ecke ein Kaffeehausschild in die Augen. Wir gingen dahin, bestellten bei der Wirthin einen „Cafè nero“ (schwarzen Kaffee) und begaben uns dann, ohne in die rußige niedrige Stube einzutreten, durch den Thorweg (s. das Bild) hinunter an das Meer, dessen klare blaue Wellen wir hinter dem Häuschen am Strande plätschern hörten. Von dieser Seite aus sah das Gebäude freilich noch dürftiger aus, als von der Vorderseite, welche ich dem Leser durch die gütige Vermittelung unseres Landsmannes, des Malers und Photographen Herrn Alfred Noack in Genua, hier im Holzschnitt zeige. Eine Holzgallerie mit einem Hüttchen daran, behangen mit alter Wäsche, darunter ein großer Misthaufen und ein kleines Gärtchen mit ein paar Büschen, – letzteres durch eine niedrige Steinmauer von dem flachen Strande getrennt, welcher, nur ein paar Schritte breit, die heranwandernden Schaumlinien des Meeres in Empfang nahm. Aber die Aussicht von da ist reizend und erhaben! Der ganze Golf von Savona, Genua und Spezzia, eingefaßt von lachenden Städten, Dörfern und Landhäusern, im Hintergrund durch die zackige Alpenkette geschlossen, und jede Woge im Glanz der Nachmittagssonne flinkernd!

Durch das Haus in die düstre Wirthsstube zurückgekehrt, fanden wir einen Kaffee, der dem Namen Nero nur zu sehr Ehre machte, mag man dabei an den Römertyrannen oder an den Kettenhund denken: eine trübe schwarze Brühe. Aber die Wirthin beeiferte sich, diesen Mangel durch ihre von uns nur halb verstandene Unterhaltung in Genueser Italienisch zu ersetzen. Sie erzählte uns in der Kürze ihre ganze Familiengeschichte, wie ihr Schwiegersohn gegen die Oesterreicher gefochten und nach Amerika habe flüchten müssen, ihr die Tochter und die Kinderchen zur Versorgung zurücklassend. Dann sprang sie plötzlich auf ein andres Thema über und betonte wiederholt „la casa di Colombo.“ Wir begriffen nicht, was die Alte wollte. Aber der eben eintretende Kutscher (der Brave hatte inzwischen für ein frischeres und besseres Pferd gesorgt) machte dem Mißverständniß ein Ende, indem er mit den Worten „si, si, questa é la casa di Colombo“ („ja, ja, dies ist das Haus des Columbus“) uns einlud, ihm auf die Straße hinaus zu folgen, wo wir auf zwei über der Thür angebrachten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_314.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)