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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Halsbinden und Corsets, dürfen den Blutkreislauf hemmen, während die Kleidung im Allgemeinen der Temperatur entsprechen muß. Der Kranke setze sich bequem vor den Einathmungsapparat, er darf weder den Hals strecken müssen, noch darf seine ganze Stellung ihn leicht ermüden. Ist nun der Kranke in keiner Weise aufgeregt, erhitzt oder beengt, so beginne er einzuathmen und achte zunächst auf das Gefühl, welches der eingeathmete Wasserstaub erregt. Der Eindruck dieses Staubes darf weder vorwiegend warm noch kühl sein, derselbe muß angenehm berühren, dann hat er die richtige Temperatur. Um den Staub wirklich in die Luftwege einzuführen, öffne der Kranke den Mund so weit als möglich und halte sich die platt herausgestreckte Zunge mit seinem Taschentuchs fest. Dann athme er langsam und tief ein und ebenso aus, nach einigen Athemzügen pausire er, um dann in derselben Weise fortzufahren. Kein Kranker athme anfangs länger als zehn Minuten ein und nur zweimal des Tages; bei längerer Gewöhnung darf er täglich drei bis viermal je zehn Minuten einathmen. In einer Sitzung länger als zehn bis höchstens fünfzehn Minuten einzuathmen, ist durchaus nicht räthlich, wir sahen davon nur Nachtheil. Während des Einathmens hat sich der Kranke alles Sprechens streng zu enthalten und nach beendigter Sitzung jede Verkühlung zu meiden. Dieselben Grundsätze gelten auch bei dem Gebrauch der jetzt viel verbreiteten tragbaren Arzneimittelzerstäuber, der sogenannten Pulverisateurs.

An die Einathmungen zerstäubter Wässer schließen sich die Einathmungen von Gasarten, besonders Kohlensäure, Stickstoff und Schwefelwasserstoff. Sobald diese Gasarten nicht als besondere Gasquellen der Erde entströmen und sich sofort in eigene Cabinete leiten und zu Gasbädern und Gasdouchen verwenden lassen, erfolgt die Entbindung derselben aus den Mineralquellen am zweckmäßigsten auf dem Wege der mechanischen Zerstäubung der Mineralwässer. Es kann nun das entbundene Gas für sich als sogenanntes trockenes Gas oder mit beigemengtem Wasserstaub als feuchtes Gas eingeathmet werden. Beides geschieht vielfach. Die Einathmungen des trockenen Gases in den sogenannten Gascabineten scheinen uns am wenigsten wirksam. Das Gas hat sich schon mit atmosphärischer Luft verdünnt, ehe es ausströmt. Die Hauptsache ist das Gas im Augenblicke seines Entstehens einzuathmen. Diesen Zweck erfüllt am vollkommensten der Apparat des Dr. Spengler in Ems, wovon sich Jeder leicht überzeugen kann und was zur Nachachtung hier bemerkt sei. Einathmungen von feuchtem Gas erfolgen jetzt am besten mittels der neueren Zerstäubungsapparate, und es gelten hierfür die obigen Vorsichtsmaßregeln. Gröbere Zerstäubungsvorrichtungen finden sich noch in verschiedenen deutschen Schwefelbädern, sie beruhen im Wesentlichen auf demselben Principe, wie die neueren Apparate. Nicht genug erinnern können wir, daß man diese Inhalationssäle mit Doppelthüren und Doppelfenstern und geschlossenen Vorzimmern versehe. Es ist besser, es hat ein Badeort keinen Inhalationssaal, als einen schlechten.

Noch ist endlich hier der Einathmungen an den Gradirhäusern zu gedenken. Dieselben sind oft so frei und zugig gelegen, daß deren Besuch nur an sehr schönen und windstillen Tagen gerathen ist. Häufig fehlen noch an denselben Ruhesitze für die Kranken.

Auch die Trinkeinrichtungen bieten Uebelstände. In vielen Bädern ist die Schöpfmethode mangelhaft und unappetitlich – wir empfehlen die Einführung des Hebeapparates am Kreuz- und am Ferdinandsbrunnen in Marienbad; – die Schenkmädchen sind nicht sauber genug gekleidet; die Spülung der Gläser ist besonders bei großem Zudrang an den Quellen mangelhaft, das Bechermaß ungleich. Zugfreie, gutgedeckte Trinkcolonnaden fehlen noch an vielen Orten.

Die Kräutersäfte sollten nur von den Apothekern bereitet werden, da nur dann einige Gewähr dafür geleistet ist, daß die richtigen Kräuter gesammelt und in zweckmäßiger Weise ausgepreßt werden.

In der Molkenbereitung ist die Zulassung der Concurrenz nicht statthaft, es ist Sache der Badeverwaltung, für die gute Bereitung derselben unter ärztlicher Controle Sorge zu tragen.

Wir schließen hiermit – der Gegenstand ist zu umfassend, als daß wir hier mehr als Bruchstücke geben können. Absichtlich haben wir keinen Ort, in welchem sich die besprochenen Mängel finden, genannt; wir wollen Niemand verletzen und Niemand gegen dieses oder jenes Bad einnehmen. Wer sich getroffen fühlt, möge dahin wirken, daß mangelhafte Einrichtungen den Anforderungen der Wissenschaft und den Bedürfnissen der Kranken gemäß umgestaltet werden! Diese Fortschritte werden sich nur dann sicher erzielen lassen, wenn die Badeverwaltungen der Stimme der Aerzte den entscheidenden Einfluß gestatten, welcher denselben in diesem Punkte gebührt, und wenn das Publicum selbst, als leidender und zahlender Theil, seine gerechten Forderungen dabei geltend macht.

G. Seifert. 




Bilder von der deutschen Landstraße.
1. Der Fuhrmann von dazumal.
„Kein Kaiser und kein König kann ohne Fuhrmann sein.“ – Der Kärrner, der „Stiefelknecht“ und der große Frachtwagen. – Die Krähwinkler Kärrner mit der höchsten Leiter. – Der Wirth in Lutterberg und seine Hemmschuhe. – Die Lüneburger Hengste. – Der weiße Kittel und die Ausrüstung des Kärrners; der „stinkende Balsam“ und die Salzunger Tropfen. – Die Geleitsreiter und das Geleitsgeld. – Des Kärrnern „getreuer Gefährte und Helfer“, ein Fuhrmanns-Vademecum und Fuhrmanns-Bädeker. – Die kirchliche Fürbitte für den ausfahrenden Kärrner. – Fuhrmannsglaube. – Das Ceremoniel des Kärrnerritterschlags in Nürnberg.

Wir stehen auf dem Perron eines Bahnhofes, in welchen mehrere Eisenbahnen ihre Schienenstränge einmünden; eben brausen von verschiedenen Seiten drei mächtige Güterzüge heran. Welch’ eine Masse von Frachtgütern ist hier in wenigen Augenblicken zusammengebracht! Der Fall ist denkbar, daß jeder Wagen durchschnittlich mit 80 Centnern beladen ist. Nehmen wir jeden der eben angekommenen Züge zu 36 Wagen an, so ergiebt dies die Summe von 8.640 Centnern. Um diese Lasten selbst auf ebener Chaussee fortzuschaffen, würden dennoch 108 vierspännige Frachtwagen mit 432 Pferden von mittlerer Zugkraft nothwendig sein. Billige Tarifsätze gestatten, auch solche Dinge auf den Eisenbahnen zu befördern, an deren Versandt „per Achse“ früher nicht zu denken war. Neben der Wohlfeilheit der Frachtsätze ward aber die große Geschwindigkeit, mit welcher der Schienenweg Güter transportirt, Ursache, daß das Fuhrmannswesen, welches früher die Stelle der Eisenbahn als Verkehrsmittel vertrat, nach und nach zum Erliegen kam und in unseren Tagen geradezu als der Vergangenheit angehörig betrachtet werden muß. Wir meinen hier natürlich das große Frachtfuhrwesen, wie sich dasselbe auf den alten Handelsstraßen Deutschlands bewegte, scheiden also das sogenannte Botenfuhrwerk, welches gleichsam als Binnenvehikel den Güterverkehr zwischen nicht allzu entfernten Orten in regelmäßigen Zwischenräumen vermittelte und zum Theil noch vermittelt, selbstverständlich aus, wie ja auch der frühere Fuhrherr, selbst wenn er sich von dem sogenannten Fuhrmannsstolze frei wußte, solch’ Botenfuhrwerk stets als zum eigentlichen Frachtfuhrwesen nicht gehörend betrachtet hat. Die äußerst wenigen Fuhrleute, welche uns gegenwärtig noch hie und da und namentlich zur Zeit der größeren Handelsmessen begegnen, können dem früheren Fuhrmannswesen gegenüber in gar keinen Vergleich gestellt werden. Die Besitzer dieser wenigen Wagen befrachten sich meist selber, indem der ehemalige Fuhrmann sich in einen Handelsmann verwandelt hat. Damit soll indessen nicht gesagt sein, daß der Refrain eines uralten Fuhrmannsliedes:

Kein Kaiser und kein König
Kann ohne Fuhrmann sein!

seine Bedeutung gänzlich verloren hätte; denn die Reglements der Eisenbahnen schließen gewisse Güter, wie z. B. Pulver, vom Transporte aus, und Kaiser und Könige können ohne Pulver leider doch nicht gut sein. –

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_265.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)