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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

für Garibaldi beschäftigt. Derselbe hatte mir nämlich verschiedene in deutscher Sprache an ihn gerichtete Briefe mit dem Ersuchen übergeben, ihm den wesentlichen Inhalt derselben in italienischer Sprache auszüglich mitzutheilen. Natürlich ergriff ich mit Freuden diese Gelegenheit, Garibaldi den kleinen Dienst zu erzeigen. Ich theile dieses Factum nur mit, um meinen Landsleuten zu empfehlen, daß sie in ihren etwaigen Schreiben an ihn sich der italienischen, französischen oder englischen Sprache bedienen mögen; denn mit Ausnahme des Kochs im Garibaldischen Hause, eines Südtyrolers, der mir auf meinen Wunsch aus dem Küchenfenster etwas Feuer zum Anzünden meiner Cigarre hinausreichte und bei dieser Gelegenheit zu unserer beiderseitigen Freude und Ueberraschung eine längere deutsche Unterhaltung mit mir anknüpfte, versteht Niemand auf ganz Caprera die deutsche Sprache. Zu gleicher Zeit möchte ich aber auch dringend rathen, mit gleichgültigen Briefen dem General nicht beschwerlich zu fallen. Derselbe erhält mit jeder Post einen Stoß von Briefen, und seine Zeit ist kostbar. Man würde daher gut thun, ihn mit Bitten um Uebersendung seines Bildnisses, mit Zustellung von Photographien seiner unbekannten Pathen in Deutschland, die mit langen Beschreibungen des Aeußern derselben und Erklärungen begleitet sind, warum das Bildchen nicht ganz naturgetreu geworden sei, mit Ersuchen um Mittheilung über sein Befinden und dergleichen Dingen zu verschonen, wie ich sie unter den mir eingehändigten Briefen gefunden habe.

Am 18. begab ich mich wieder auf die Italia, um nach Livorno zurückzukehren. Zuvor traf ich im Raffo’schen Wirthshause Menotti und händigte ihm die für seinen Vater übersetzten Briefe ein. Auf dem Schiffe, wo ich in Begleitung Barsani’s, der beiden Sgaralinos und Mangherini’s anlangte, sah ich Jenen noch ein letztes Mal. Ich fragte ihn, ob es nicht etwas einsam für ihn in Caprera wäre. –„O, nein,“ erwiderte er, „Maddalena ist ja so nahe.“ – „Aber in Maddalena leben auch nicht viele Leute.“ – „Gewiß, aber mein Vater ist so gern in Caprera.“

Auf dem Dampfschiffe ward ich von den Officieren und Passagieren auf das Zuvorkommendste behandelt, nur weil man wußte, daß ich auf Caprera gewesen war. „Wie geht es dem General?“ fragte man mich von allen Seiten. Der erste Lieutenant nöthigte mich in seine Cajüte zum Kaffee, die beiden Maschinisten zeigten mir die Maschine und führten mich nachher zu ihren Cajüten, um eine Flasche Bordeaux mit ihnen zu leeren. Ich mußte ihnen von Garibaldi und allen Erlebnissen auf Caprera erzählen. Unterwegs machte ich noch die interessante Bekanntschaft eines Maurers, der bei Garibaldi in Diensten stand und zu einem kurzen Besuche bei Frau, Kindern und Mutter nach Livorno reiste. Er arbeitete das ganze Jahr auf Caprera und machte nur von Zeit zu Zeit einen Ausflug zu den Seinigen nach Livorno. Er heißt Pasquale Manueli und ist einer der Tausend, welche am Zuge Garibaldi’s nach Marsala Theil genommen haben. Außerdem hatte er in den Jahren 1859 und 1862 unter Garibaldi gedient. Ich unterhielt mich stundenlang mit diesem muntern Burschen, der seine Feldzüge mit einer Lebendigkeit und Anschaulichkeit schilderte, die mich in Erstaunen setzten. Mit Mund und Gesticulationen wußte er alle kriegerischen Situationen zu copiren. Wenn er von Garibaldi und seinen Kriegsthaten sprach, dann leuchteten ihm ordentlich die Augen. Wie einen Gott verehrte er ihn, und Thränen standen ihm in den Augen, als er von dem Heldenmuth von Garibaldi’s Frau und deren tragischem Ende erzählte. Bekanntlich war dieser nach Beendigung des Kampfes in Rom mit seiner im Sterben liegenden Gattin geflohen, die er vor sich auf’s Pferd gesetzt hatte. In der Nähe von Bologna hatte er sich in eine einsame Hütte geflüchtet. Dort sah er, wie Pasquale erzählte, einen Bauern auf der Diele liegen, anscheinend im Schlafe. Er weckte diesen und fragte ihn, wer er wäre. „Ich bin ein armer unschuldiger Bauer, Herr, Ihr werdet mir doch Nichts zu Leide thun?“ erwiderte dieser. „Schlafe ruhig weiter, mein Freund, Dir wird Nichts geschehen,“ sagte Garibaldi und legte seine sterbende Frau auf einen Strohsack in der an die Diele stoßenden Kammer. Während er über sie gebeugt ist, sieht er zurück und bemerkt durch eine Spalte in der Thür, daß der Bauer eine brennende Laterne aus dem obern Fenster hält. Es war ein Spion, der Garibaldi erkannt hatte und die Oesterreicher herbeirufen wollte. Der General stürzt aus dem Zimmer. „Verräther,“ ruft er, feuert sein Pistol auf den Bauer ab und streckt denselben todt nieder. In dem nämlichen Augenblick haucht die Kranke ihren Geist aus. Garibaldi rettet sich mit dem Leichnam seiner Frau im Arm durch’s Fenster vor seinen Verfolgern. – Mit gleicher Lebendigkeit wußte Pasquale von der Tapferkeit Menotti’s und seiner Schwester zu erzählen, die ihrem Vater nach Sicilien gefolgt war und ihn während des ganzen Feldzuges zu Pferde begleitet hatte. Sie ist jetzt in Genua verheirathet. Pasquale ist drei Male schwer verwundet worden. Er brannte vor Begierde, noch einmal unter Garibaldi zu fechten und mit ihm in Rom einzuziehen. „Ein schlechter Kerl, welcher sein Leben nicht für sein Vaterland freudig hingiebt,“ sagte er. Wenn tausend Leute von solchem Schlage unter einem Garibaldi vereinigt sind, dann kann man sich vorstellen, daß mit ihnen Etwas auszurichten ist! Als einer der Tausend erhält Pasquale, wie er mir erzählte, vom Staate eine Pension von täglich 1 Franc und 40 Centimes (etwa 11 Sgr.). „Nicht zuviel, wenn man zwei Königreiche erobert hat,“ bemerkte ich. Von jenen Tausend sind nur noch 400 am Leben.




In einem Buche, welches die medicinische Geschichte der Verwundung Garibaldi’s enthält, hat der Doctor Bipari ein interessantes Bild von diesem entworfen. Einen Auszug davon las ich kürzlich in der in Mailand erscheinenden politisch-literarischen Zeitschrift l’Alleanza. Das Bild von Garibaldi ist darin so treu wiedergegeben, daß ich mit nachstehender Uebersetzung desselben meinen Artikel schließen will.

„Der General Garibaldi ist von Körper mehr proportionirt als groß. Er hat breite Schultern, einen schönen Hals, eine schöne Brust, schöne Arme, und seine schöne Gestalt ist wie aus Marmor gemeißelt. Seine Muskulatur ist fest und prononcirt, seine Sehnen sind stark; sein Knochenbau enthält keine hervorstehende Ecke, welche die allgemeine Harmonie seiner Glieder stören könnte, wodurch er so wunderbar geeignet ist, jede Art von körperlichen Strapazen zu ertragen, – seine Hüften und Beinröhren sind geschmeidig, was ihn zu einem so unermüdlichen Fußgänger macht. Sein Kopf wäre vielleicht ein wenig zu stark, wenn nicht die Breite seiner Schultern dies verdeckte. Seine Stirn ist hoch und breit; seine Augen sind lebhaft und nehmen einen beredten Ausdruck an, wenn sie nach den Regungen seiner Seele verschieden reflectiren, sein Gesicht ist sehr scharf – es ist eine Eigenthümlichkeit an ihm, daß, wenn er den Blick horizontal auf den Raum heftet, wie wenn er nach irgend einem Gedanken hascht, der Augapfel sich zusammenzieht und ein Flämmchen zum Vorschein kommt, welches aus dem Centrum der Hornhaut hervorleuchtet. Es lebt kein menschliches Wesen, welches dann die Tiefe seines Gedankens zu durchdringen vermöchte. Menotti ähnelt hierin seinem Vater. Garibaldi’s Gesicht erinnert an Christus, wie wenigstens das Bild uns diesen vorstellt. – Seine Haut ist weiß und wird durch die Sonne nicht braun, sondern rosenfarben.

Er hat das glücklichste Temperament, welches die Natur einem Sterblichen schenken kann, denn es besteht aus dem nervösen, dem sanguinischen und dem kaltblütigen (linfatico) zusammen. Auf diese Weise sind so zu sagen drei verschiedene Menschen in ihm – der Mann des Gedankens, der Mann der Handlung und der Mann der ruhigen und sicheren Festigkeit in der Ausführung seiner Pläne. Das nervöse Temperament setzt ihn in den Stand, jeden Gedanken zu begreifen und die Tragweite desselben in einem Augenblick zu verstehen: vermittelst einer Art von Divinationsgabe faßt er sofort den Kern jeder Frage. Er ist ein wahrhaftes Genie, denn obgleich in seiner Jugend nicht zu tiefen Studien angehalten, hat er von Natur Gedanken, durch welche die alten Weisen groß wurden. Begabt mit einem großen Gedächtniß, kann er weise sein, wie und wie sehr er will, wenn, wie Tullius sagt, die Weisheit im Gedächtniß besteht.

Wenn er entschlossen ist, eine Sache auszuführen, dann wiegt das sanguinische Temperament vor. Seine Befehle sind Blitze, wie ein Blitz folgt die That dem Gedanken. Ihn hält nicht auf und nicht zurück die Ermüdung, sei er zu Fuß oder zu Pferde, nicht Sonne oder Regen, nicht Hunger oder Durst, bis daß er seinen Entschluß zur Ausführung gebracht hat. Deswegen verabscheut er im Kriege die Hindernisse Cäsar’s (impedimenti di Cesare), und operirt so rasch wie möglich. In der Schlacht ist Niemand ruhiger als er. Dann wiegt offenbar in ihm das kaltblütige Temperament vor. Ich habe gekannt und kenne sehr tapfere Soldaten, aber die feierliche Ruhe Garibaldi’s, den höchsten Grad der Unerschrockenheit, habe ich bei Niemandem gesehen.

Er zieht die Krempe seines Hutes über die Augen, um besser

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_251.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)