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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Gargan nicht mehr ansiedeln, sie reiste nach See und kaufte dort, um eine Stätte zu besitzen, von der sie niemand vertreiben könne, ein kleines Gütchen unweit der Quirini-Capelle. Es ist nicht leicht ein schöneres Plätzchen zu finden, gleich neben dem Hause entspringt ein klares kaltes Bächlein und wässert die Wiesen. In den Wald ist’s auch nicht weit, übrigens stehen vor der Thüre zwei Linden, daß man weithin keine solchen sieht. Den Winter über blieb die Baronin auf der Post, stattete jedoch das Häuschen nach und nach wohnlich aus, so daß sie zu Lichtmessen frisch hineinsitzen durfte. Der schwarze Hans war längst schon verschrieben und stellte sich am Lichtmeßtag zum Abendessen, der arme Teufel war gelaufen, was die Füße aushielten, um ja nicht die Einstandszeit zu versäumen. Er wohnte zu ebener Erde neben dem noch leeren Stalle, eine alte Dirne leistete ihm Gesellschaft, den obern Stock behielt die Baronin mit einer Magd, welche sie bedienen sollte. Morgens noch dem Frühstück wurde er gerufen. Den Hut in der Hand trat er barfuß ein; denn die schwergenagelten Schuhe hatte er, um den Boden nicht zu verderben, vor der Thüre gelassen. Die Baronin hieß ihn sie holen. Er gehorchte unter tausend Entschuldigungen. Sie forderte ihn auf, mit ihr die Felder zu begehen, wegen der sonnigen Lage war der Schnee bereits geschmolzen, dann ihr Stückchen Wald anzuschauen, um ihr Bericht zu erstatten.

„Verwahrlost in jeder Beziehung!“ lautete sein Urtheil. „Bis Georgi giebt es genug zu thun und dann noch mehr. Vor allem müssen die Zäune geflickt, der Stallboden neu gelegt, die Barren festgenagelt und die Fenster glast werden. Ist Werkzeug da?“

„Was fehlt, kaufe.“

„Dann sieht’s auch im Tennen schüch aus, da brauchst Du die Zimmerleut und zwar bald.“

„Das ist Deine Sache, Du bist Schaffner.“

„Die Felder sind ausgemergelt. Wie haben wir es mit dem Mist? Wenn wir auch gleich Kühe kaufen, bringen wir doch nicht so viel zusammen, die Aecker ordentlich zu düngen.“

Die Baronin lachte und sagte: „So bestellen wir Guano!“

„Das wird dasselbige künstliche Zeug sein, wie’s der Pfretschner zu Jenbach anwendet. Kostet Geld! Wie haben wir es aber mit den Kühen? die sind vor allem nothwendig.“

„Wie viel können wir halten?“

„Wenn mich das Augenmaß nicht betrügt, vier und etwa zehn Schafe. Diese kaufst Du erst im Herbst, bis dort ist Heu aus dem Moos vorräthig.“

„Samstag ist zu Miesbach Viehmarkt, geh’ hin und hol’ was wir brauchen.“

Sie waren wieder nach Hause gekehrt.

Am nächsten Morgen um vier Uhr polterte es an die Thür der Baronin, erschrocken fuhr sie auf. Eine Stimme rief draußen: „Hoi! thu’ auf, ich bin zum Markt gerüstet!“ Sie antwortete: „Laß mir nur Zeit zum Ankleiden, dann geb’ ich Dir Geld. Wie viel etwa?“

„Ja, die Kuhselen haben aufg’schlagen, wenn Du leere Häut’ willst, kriegt man das Stück etwa um neunzig Gulden. Ersparst aber nichts dabei. Das Heu, welches Du verfüttern mußt, bis sie voll werden, ist mehr werth als der Zuschlag auf gutes Hornvieh abträgt.“

„Kauf ordentlich!“

„Dann mußt Du Dich aber tummeln; denn die Bauern stehen früh auf und wollen früh heim.“

Sie war angekleidet und öffnete. Hans hatte den schönsten Staat angelegt, denn der Kauf einer Kuh ist für den Aelpler fast so wichtig, wie die Ausstattung einer Tochter. Und nun gar vier! Da sollt’ ihn Niemand über die Achsel anschauen und möcht’ er eine noch so schwere Geldkatze um den Leib tragen.

Die Baronin betrachtete ihn mit Wohlgefallen, wie er im grauen Lodenrock mit schneeweißen Strümpfen, den grünen Spitzhut mit dem kecken Spielhahnstoß auf dem Kopf, drall vor ihr stand. Sie zählte ihm sechshundert Gulden auf, er schob die Thaler schmunzelnd in den breiten Bauchgurt, auf welchem die Anfangsbuchstaben seines Namens J. M. weiß eingestickt waren. Dann blieb er wartend stehen.

„Brauchst Du noch etwas?“ fragte die Baronin.

„Du sollst mir sagen, wie viel ich verzehren darf. Oft schließt sich ein Handel im Wirthshaus am leichtesten.“

„Iß und trink was Dir schmeckt. Rausch wirst Du keinen kriegen.“

„Gewiß nicht! dann muß ich aber auch einen Buben anstellen, der mir, während ich sonst zu thun hab’, das Vieh zusammenhält und treiben hilft. Was giebst dem zu Lohn?“

„Das ist alles Deine Sache, Du bist ja Schaffner!“

„Wär’ schon recht! Schaffner, aber nicht Dein Mann. Also solltest Du befehlen.“

Die Baronin kehrte sich um, die aufsteigende Röthe zu verbergen; dann sagte sie ruhig: „Ich vertraue ganz auf Deine Redlichkeit.“

„Wenn das ist,“ erwiderte er, „dann geh’ ich.“ Unter der Thür kehrte er sich noch einmal um: „Wie sollen die Kühe sein, was hast’ für eine Leibfarbe?“

„Meinetwegen braun mit Blässen auf der Stirn.“

„Lang- oder kurzstutzig?“

„Geh’ nur und schau, daß Du was Rechtes kriegst!“

Er wünschte guten Morgen und ging.

Von der Straße herauf hörte sie ihn noch pfeifen und singen.

Abends vor dem Gebetläuten zog er wieder ein, vier prächtige Kühe vorauf. Die Baronin war ihm, durch das Muhen aufmerksam gemacht, entgegengegangen.

„Bist’ zufrieden?“ fragte er mit strahlenden Augen.

„Ich danke Dir, Hans,“ erwiderte sie und streichelte die schönen glatten Thiere.

Er öffnete die Stallthüre, legte die Kühe an die Ketten und warf ihnen Heu in die Raufe. Dann ergriff er ein Stück Kreide und bezeichnete den Pfosten über dem Eingang mit einem lateinischen C + M + B + zu Ehren der heiligen Dreikönige, daß sie das Vieh vor Hexen und Zauber schützen sollten.

Bald begannen auf dem Felde die Arbeiten, wie sie die Jahreszeit bedingt. Die Baronesse sah überall nach, ließ sich belehren und gab dadurch deutlich zu verstehen, wie sehr ihr die Sache gefalle und am Herzen liege. Dadurch kam sie fast stündlich mit Hans in Berührung; wegen der Lauterkeit seiner Sitten, der Anhänglichkeit und Treue, die er ihr bewies, gewann sie ihn von Tag zu Tag lieber, und er rückte vom Knecht allmählich zum Freund empor, mit dem sie nicht blos die Geschäfte des Feldbaues, sondern auch mancherlei andere Dinge besprach. Er wurde, ohne daß sie seinen Schullehrer machen wollte, auch immer gescheidter, indem ihn ihre Rede auf Manches hinleitete, was ihm früher entgangen war. An einem Feierabende überraschte er sie plötzlich mit der Bitte, sie möge ihn doch auch in einem der Bücher lesen lassen, durch welche die Herrenleute so gescheidt würden. Da gab sie ihm denn allerhand schöne und nützliche Bücher zu lesen von Land und Leuten und mit hübschen Geschichten. Ja selbst Verse gab sie ihm.

Hätt’ ich nur mehr Zeit, ich wollt’ auch Manches lesen, es waren meine vergnügtesten Stunden, als ich im Bücherkasten meines Vaters, des vielberufenen Chirurgen Hochmair, den Adolf von Dassel, Hermann von Goethe, Udo von Drudenstein und wie sie Alle heißen, entdeckte und, in einen Winkel des Stadels gekauert, heimlich lesen konnte. Jetzt muß ich Strauben backen und Salat anmachen, das trägt freilich mehr, aber hie und da möcht’ man zum täglichen Brod auch noch was Anderes. – Als der Schnee von den Gipfeln der Berge geschmolzen war, stieg der Hans an einem Sonntag nach der Frühmesse hinauf, um über das Land auszuschauen. Vergebens wartete die Baronesse, welche ihn ungern einige Stunden vermißte, er kam erst Mittags zurück. „Aber wo bist denn so lang gewesen?“ sagte sie mit einem Anfluge von Schmollen.

„Droben auf dem Berg,“ erwiderte er, „man sieht dort München. Du hast mir so viel von großen Städten erzählt, daß ich dem Gelüst, auch einmal eine solche anzuschauen, nicht widerstehen konnte. Ich bin aber nicht gescheidt worden, vor mir lag an der Isar ein großer grauer Fleck, über den zwei Thürme fast wie Türken mit dem Turban emporragten. Aber das Flachland! Diese Walder und Felder, da muß den Bauern das Geld vor der Thür wachsen!“

Wenige Tage später saß Hans auf dem Bock einer Kalesche. Die Peitsche in der Hand, kutschirte er die Baronin nach München, wo sie Allerlei für den Hausbedarf einkaufen wollte. Bisher hatte er nur das Thal und die Dörfer seiner Heimath gekannt, Schwaz war die größte Ortschaft, welche er je besucht, zu München wußte er gar nicht, wo an und aus; den ersten Tag hatte er nur zu schauen und zu staunen und redete fast nichts. Als er den ersten Eindruck überwunden, nahm das Fragen kein Ende, er durfte die Baronin überall begleiten, und sie gab dem großen Kinde mit größter

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