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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

No. 13.   1864.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.




Hofdame und Senner.
Von Adolph Pichler.


Noch hatte sich im bekannten Wirthshaus der Benedicta am Achensee in Tyrol kein Gast eingefunden, die Bauern des Thales, wenn sich ja einer Sonntags in die Schenke wagte, waren schon beim Einbruch der Dämmerung nach Hause gekehrt. Ich saß daher am obern Ende der langen Tafel im Stübchen ganz allein, das Abendmahl war verzehrt, behaglich schlürfte ich die letzten Tropfen des edlen Leitenweines, als Benedicta mit einem Zinnteller, ein Gläschen Enzeler und etliche überzuckerte Mandeln darauf, eintrat.

„Sie müssen doch,“ begann sie, „wie früher, auch jetzt Ihr Schlaftränklein einnehmen.“

„Liebe Benedicta,“ erwiderte ich, „damals waren andere Zeiten; der Tod hat Einen um den Andern von der langen Tafel hinweggeholt und, wie Sie wissen, auch bei mir im vorigen Herbst gar deutlich mit der Sense angeklopft. Lassen wir aber die Freunde in den Gräbern ruhen und erzählen Sie mir lieber, was mittlerweile im Achenthal geschehen. Da fällt mir unter Anderm gerade der schwarze Hans ein, wo ist denn der untergekrochen? Seit wenigstens zwei Jahren hab’ ich nichts mehr von ihm gehört?“

„Der hat geheirathet und zwar eine Baronesse aus Hannover!“

„Teufel,“ rief ich erstaunt, „wie ist denn das zugegangen?“

Maidele war eingetreten und begann die Teller abzuräumen. Bis sie fertig ist, will ich dem Leser, was ich vom schwarzen Hans weiß, erzählen. Er und ich, wir waren eigentlich gute Bekannte seit Langem. Zu Pfingsten eröffnete er mit seinen Ziegen und Kühen die Saison auf der Geisalm, ich bei der Benedicta. Da ist es im Achenthal noch einsam und leer, auf der Straße drängen sich keine Equipagen, die Steinblöcke sind nicht von englischen Ladies, welche durch den grünen oder blauen Schleier die Gegend abzeichnen, besetzt, man kann sich in der Küche Abends gemüthlich an den Heerd lehnen, ohne von den schwitzenden, laufenden, keuchenden Trabanten der Wirthin mit Bratenbrühe begossen oder umgestoßen zu werden. Das ist eine herrliche Zeit! Noch sind die Gebirge bis zur dunklen Waldgrenze mit Schnee bedeckt, zwischen den Föhren tragen jedoch die Buchen bereits ihre grünen Siegesfahnen, blau ist der Himmel, blau ist der See, über welchen die Maisonne den Strom ihrer Strahlen gießt; Alles glitzert, funkelt und leuchtet, sind doch die Alpen und das Meer so schön, was läßt sich damit vergleichen!

Zur Geisalm denn!

Das ist ein kleines Paradies! Nach rückwärts schließt es ein unübersteiglicher Schrofen ab, vorwärts der See, nur zu Schiff kann man es erreichen. Dieses Paradies bewohnte als Adam der schwarze Hans. Dort stand er auf der Spitze des Vorgebirges, die Hände in der schwarzen Hose, welche das Knie nicht mehr deckt und und mit hochrothen Zwickeln geschmückt ist. Ueber das Hemd – denn eine Joppe wäre Ueberfluß – kreuzt sich der grüne Hosenträger, auf dem linken Ohr sitzt trotzig ein braunes Hütchen mit einer Hahnenfeder, der größten, die nur zu finden war. Ein schöner Bursch! Schwarz bin ich, aber lieblich, mag er wie Sulamith im hohen Lied singen. Schwarz das Haar in üppigen Locken, schwarz der Bart, ja das ist der schwarze Hans!

Als ich vor zwei Jahren die Geisalm besuchte, hatte dieser Adam noch keine Eva. Allerdings fehlte es ihm den Sommer hindurch nicht an Gesellschaft. Fast jeden Tag kamen Gäste aus der Pertisau und von der Scholastika gerudert, sie lagerten sich im weichen Rasen, machten Kaffee und luden auch Hans, welcher bereitwillig eine Schüssel Milch lieferte, dazu ein.

„Haben Dir die herrischen Diendlen nit gefallen?“ fragte ich ihn oft.

„Ob!“ erwiderte er, „hat manche ein G’fris’l g’habt, daß ein Bußl g’wiß g’schmackig g’wesen wär, aber weiß wohl, solche Mädeln wollen kein’ Baurenlotter!“

Hans irrte. Gar manche Dame bewunderte im Stillen die breiten Schultern, die kräftigen Lenden und strammen Waden, gar manche seufzte: „Ach, wäre er ein Junker oder gar Gardelieutenant!“

Hans war aber nur Hans und jodelte:

Der Speik und die Almros
0 Die blüh’n bei der Wand,
Und ’s Dienel das brockt sie
0 Mit g’schaftiger Hand.

Es bind’t a scheans Sträußl –
0 Wem g’heart’s auf’n Huat?
Daß’s gar nit an mi denkt,
0 Dös g’fallt mir nit guat!

Es sollte aber nicht immer so bleiben. Einige Monate später lag ich im Schifflein, das ich dem Spiel der Wellen und des Windes überlassen, da hörte ich, begleitet vom Takt der Ruderschläge, einen tiefen Baß:

Auf’m See bin i g’faren,
0 Auf’m See hon i g’fischt,
Und da ben i a schwarzaugig’s
0 Dienel derwischt.

Langsam erhob ich mich vom Boden des Kahnes und spähte über den Rand hinaus. In einiger Entfernung von mir fuhr Hans vorüber. Am Steuer saß eine Dame, einen breiten Strohhut, mit Almrosen und Aurikeln geschmückt, auf dem Kopfe; über

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_193.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)