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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

halten können, beweisen ihre mit Pelz verbrämte Tracht und ihr stetes Theetrinken. Die Chinesen, die in allen Stücken eigene Leute sind, haben auch beim Gebrauch der Kohlenpfanne ihr Ländlich-Sittlich. Sie suchen die Stickgase der Kohlen in ausgestellten Wasserbecken aufzufangen und stellen ihre Wärmpfanne unter eine Steinplatte, auf welche sie sich setzen oder legen. Sie haben also die Mängel dieser Heizung wenigstens erkannt, wenn auch nicht geheilt. Wahren Wintercomfort finden wir also auch im Süden nicht.

Sehen wir uns nun in den mittleren Bezirken des Winterreiches um. Da finden wir in vielen Quartieren noch die urthümliche Heizung durch freies Feuer. In der Filzjurte der Kirgisen glimmt ein Häuflein Schilf und gedörrter Dünger, in den Fellzelten der nordamerikanischen Rothhäute und der Lappen flackern Reisigstöße, in der elenden Erdhütte mancher sibirischen Stämme brennen mit Thran benetzte Knochen, in der armseligen Baracke der irländischen Pächter schmaucht ein Torffeuer. In allen diesen Wohnstätten ist das Feuer mitten im Zimmer auf nackter Erde geschürt; höher Gebildete errichten eine über dem Boden erhabene Feuerstätte, einen Heerd. Einen solchen, der in vielen Sprachen zum Sinnbilde des Hauslebens geworden, finden wir im Blockhause der Finnländer, in den Lehmhütten der Kaukasusvölker, in den rauhen Wohnstätten der auf Hochebenen und Gebirgen hausenden spanischen und griechischen Landleute, in vielen sauberen Backsteinwohnungen der Engländer und Holländer, in allen niedersächsischen und westphälischen Bauernhäusern, deren altväterliche Einrichtung Justus Möser so anschaulich beschreibt. Ein offenes Feuer, dessen röthliche Flammen in stets neuen Formen spielen und durch das Knistern und Knacken des Holzes und das Murmeln des Kessels eine so hübsche Hausmusik machen, daß auch das Heimchen mit seinem schrillen Zirpen lustig einstimmt – das ist doch eine wirksamere und ansprechendere Form der Heizung, als die widrige Luftheizung der Polarkreisbewohner und die traurigen Braseros mit ihrer trägen Gluth und ihrer unheimlichen Stille.

Leider ist aber das schöne Heerdfeuer nicht frei von schweren Mißständen. Viele durch freies Feuer geheizte Wohnstätten entbehren der so nahe liegenden Einrichtung einer Esse; selbst in den deutschen Häusern, wo der Heerd der Mittelpunkt des Zimmers ist, bleibt es dem Rauch überlassen, sich durch die Ritzen des Strohdaches einen Weg in’s Freie zu suchen. Ein solcher Wohnraum bietet natürlich, wenn er auch sonst sauber gehalten ist, nur den Comfort einer rauchigen Küche; die Wände bräunen sich, die schwarzen Dachsparren, welche die Decke des Zimmers bilden, sind von einem steten dichten Höhenrauch umzogen, der Alles mit brenzlichem Geruche durchdringt. Gewöhnt sich auch der Mensch an das Rembrandt’sche Helldunkel und den Creosot-Duft einer solchen Wohnung (reden doch die alten Römer mit einer Art Stolz von ihren angerauchten Hausgöttern): so setzt er sich doch selten ungestraft der beizenden Rauchluft aus, Lungen und Augen müssen oft genug bitter leiden für das Malerische des häuslichen Heerdes. Aber auch Wohnzimmer, in denen für Abzug des Rauches so gut gesorgt ist, wie in England und Holland, bieten im strengen Winter nicht die rechte Behaglichkeit. So reichlich auch der Brennstoff auf den Heerd gehäuft wird, er erzeugt doch keine gleichmäßige, wohlthuende Wärme im ganzen Zimmer. Wer nicht frieren will, muß sich dicht an den Heerd setzen und sein Gesicht der sengenden Gluth der Flammen preisgeben. Die Kirgisen müssen an kalten Tagen ihre Kinder, um sie vor dem Froste zu sichern, in warme Asche stecken, und wenn auch in dichtwandigen Häusern dieser Uebelstand nicht so grell hervortritt, wie im Filzzelte der russischen Steppe, so fehlt doch immer die ruhige, stete Wärme, welche den Winter vergessen läßt und zu feineren Arbeiten fähig erhält. Außerdem bleibt eine durch Heerdfeuer geheizte Wohnung doch immer ein küchenähnlicher Raum, dessen Ausstattung, dessen Geräusche und Gerüche das Gefühl ruhiger Abgeschiedenheit nicht aufkommen lassen, das unsere Stuben im Winter gewähren, ein Raum, der höchstens für das schlichte ländliche Alltagsleben, aber nicht für feine Hand- und Kopfarbeit und nicht für das Weihnachtsfest geeignet ist.

Bei einigen Völkern, namentlich den Romanen, unter den Germanen bei den Engländern und Norwegern, finden wir – und zwar bei den ersteren nur in den Häusern der Wohlhabenden, in Norwegen dagegen blos in den Bauerstuben – eine veredelte Form des häuslichen Heerdes, den Kamin, der nicht zugleich zum Kochen, sondern lediglich zum Heizen der Zimmer bestimmt ist. Welchen Werth die Hausbesitzer ihrem Kamine beilegen, erhellt schon aus dem Platze, der ihm eingeräumt ist, noch mehr aus dem Ehrenschmucke von Seemuscheln und Schnecken, schönen Wedgewoods und Bronzen, die auf seinem Simse prangen, am deutlichsten aber aus den Lobpreisungen, die ihm gespendet werden. Er giebt die gesundeste Heizung, sagen die Briten, denn sein Zug führt die verbrauchte Luft rasch durch die Esse und saugt durch die Lücken der Thüren und Fenster stets neue, reine Zufuhr in’s Zimmer. Es ist viel lustiger am Kamin, wo man die Flamme sieht, rühmen Engländer und Franzosen; zum Comfort einer zum traulichen Gespräche gruppirten Familie gehört die Fireside und zu den Erfordernissen des Salons der noble Kamin, behaupten sie.

Es ist wahr, der Kamin hat alle Reize des Heerdes und ist frei von manchen Mängeln desselben. Aber wie ungerecht wär’ es, wenn wir unsern stillen Wohlthäter hintansetzten, der doch, bei rechtem Lichte betrachtet, das vollkommenste Wesen seiner Gattung ist!

Der Kamin ist ein arger Verschwender, der die vom Brennstoff erwärmte Luft größtentheils durch die Esse jagt, ohne daß sie dem Zimmer nützt; der Ofen ist ein guter Haushalter, der seinen heißen Athem eifrig an seine Wandungen haucht, um mittels derselben die Zimmerluft zu erwärmen. Vom Kamin kommt dem Zimmer fast nur die strahlende Wärme zu gute, die keineswegs behaglich ist. Denn sie schlägt mit so jähem Anprall an, daß die Frauen ihr Gesicht hinter Fächer und Schirme verbergen, und erzeugt mehr das Gefühl der Gluth als der Wärme. Während aber die dem Feuer zugewendete Seite unter dem Uebermaße der Wärme leidet, schauert die andere, und man muß an recht kalten Tagen das berühmte militärische Kunststück lernen, nach zwei Seiten Front zu machen, um nicht zu frösteln. Wie gleichmäßig und wohlthuend wärmt dagegen unser schlichter Ofen die Zimmerluft! Ein in der Stube heizbarer Ofen wirkt als Luftreiniger sogut wie der Kamin; der außerhalb des Wohnraums geschürte ist auch kein Luftverderber, sondern der Mensch ist es, der nicht für öfteren Luftwechsel im Zimmer sorgt. Somit erfüllt der Ofen alle billigen Ansprüche auf das Beste; läßt er sich doch sogar, wenn es – wie in Schweden der Fall ist – gewünscht wird, auch dazu herbei, das reizende Schauspiel der Flammen sichtbar zu machen, was als Hauptvorzug des Kamins gilt.

Datum ist auch dem Ofen eine immer größere Verbreitung sicher, während der Kamin sein Gebiet eher verengt als erweitert sehen wird. Die Südeuropäer und die Engländer werden dem Kamine wohl treu bleiben, weil dort der milde Winter, hier der Kohlenreichthum einen altgewohnten Luxus gestattet. Die Norweger Bauern dagegen werden, gleich den Städtern ihres Landes, bald einsehen, daß ein Tag und Nacht erhaltenes Kaminfeuer doch eine arge Verschwendung ist, da ihre Wälder sich hier und da bedenklich lichten; dann wird der schwedische Ofen auch bei ihnen Platz greifen.

Schon hat der Ofen eine ungemein große Verbreitung. Fast alle Völker des ungeheuren Landstriches, der sich von den Alpen nordwärts bis zur Nordsee und ostwärts über den Ural weg bis an den großen Ocean und jenseit des letzteren quer über die Nordhälfte Amerikas streckt, also die Schweizer, Deutschen, Schweden, Polen, Russen, die seßhaften Bewohner der Mongolei und Sibiriens und die meisten Nordamerikaner werden von unserem stillen Wohlthäter mit Wintercomfort beschenkt. Wer könnte sie alle aufzählen, die hunderterlei Formen und Formate, in denen er in den Stuben und Stübchen so vieler Völker auftritt, vom riesigen Kasten der russischen und mongolischen Stube an, der Nachts der ganzen Familie zur Schlafstätte dient, bis zu dem nähtischgroßen Zwerge, der die blanken Zimmer der Yankees und unserer überseeischen Landsleute erwärmt? Hat doch nicht blos jedes Land, sondern fast jede Provinz ihren „angestammten“ Ofen, dem sie treu bleibt, mag er auch ein noch so arger Holzfresser sein, bis die neuerungslustigen Städter durch gar zu dringliches Anpreisen ihrer verbesserten modischen Heizung zum Neubau anlocken.

Im Bereiche der Heizung ist nun einmal der Mensch sehr conservativ gestimmt. Sträuben sich doch selbst die Eskimos gegen eine Wohlthat, die ihnen von ihrer humanen Colonial-Regierung geboten wird. Sie können Bauholz zu besseren Hütten, sowie Kachelöfen zur Verwendung der einheimischen, leicht zu gewinnenden Steinkohlen mit der Vergünstigung erwerben, den billigst gestellten Kaufpreis im Laufe mehrerer Jahre zurückzuzahlen; sie sehen den Comfort dieser Einrichtungen in den Wohnungen der dänischen Beamten und der Herrnhuter Missionare und lesen darüber – sie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_174.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)