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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Privatinstitut. Die Mannschaft bezieht ebenfalls Wachen, die in verschiedenen Gegenden der Stadt vertheilt und, so viel uns bekannt, untereinander telegraphisch verbunden sind. Die Feuerwehrmänner haben bei einem signalisirten Schadenfeuer nur die Oberleitung über das freiwillig zur Hülfeleistung herbeieilende oder nach Umständen auch dazu gepreßte Publicum, welches selbst für geleistete Dienste von dem commandirenden Feuerwehrmannn auf Verlangen mit 1 Schilling pro Mann und Stunde entschädigt wird; in der zweiten Stunde wird dieser Betrag indessen auf 6 Pence reducirt – eine Einrichtung, die uns nichts weniger als praktisch vorkommen will. Seit Kurzem sind auch in London die Dampfspritzen eingeführt, deren Wirkung bei hinreichendem Wasser eine ganz außerordentliche ist. Die Anschaffung dieser in neuester Zeit verbesserten Maschinen ist ziemlich kostspielig. Dasselbe gilt von deren Unterhaltung, so daß sie sich aus diesen Gründen nur für große Städte eignen. In Gemeinschaft mit der Feuerbrigade wirkt noch die im Jahre 1843 durch Privatmittel gegründete „Königl. Gesellschaft zur Rettung von Menschenleben in Feuersgefahr“, die sich vielfach nützlich gemacht hat. Diese Gesellschaft hat jetzt ein Netz von 84 Stationen über London ausgespannt, bei deren jeder die ganze Nacht hindurch ein Chef verweilt, der eintretendenfalls binnen wenigen Minuten mit Mannschaften und Rettungsapparaten in jedem beliebigen Theile seines Districts zur Hülfe steht. Während des verflossenen Jahres waren die Mannschaften der Gesellschaft bei 673 nächtlichen Bränden in Thätigkeit und diese Zahl wird nicht um ein Dutzend hinter der gesammten Zahl nächtlicher Feuer in der Hauptstadt zurückbleiben; und unter Leitung der Chefs wurden 74 Menschen gerettet, welche ohne diese Hülfe dem gewissen Verbrennungstode anheimgegeben waren.

Feuersignalthurm in Moskau.

Als vortrefflich werden die stehenden Feuerwehren in Moskau und Petersburg geschildert, die schon seit vielen Jahren in Wirksamkeit sind. Daß trotzdem in neuester Zeit in beiden Städten große Feuersbrünste stattgefunden haben, welche der angestrengtesten Löschversuche zu spotten schienen, hat seine hier nicht zu erörternden andern Gründe, so daß diese Vorkommnisse keineswegs einen Maßstab für die mindere Tüchtigkeit jener Corps abgeben können. Neben der jetzt eingeführten elektro-magnetisch-telegraphischen Verbindung der verschiedenen Feuerwachen beider Städte sind auch noch die früher allein den Dienst versehenden optischen Telegraphen in Gebrauch, deren eine unsere Abbildung zeigt. Ueber diese, wie über die ganzen Einrichtungen lassen wir unsere Gewährsleute sprechen.

Jede Tschast (Stadttheil) besitzt ein hohes Gebäude mit steinernen Grundmauern, auf welchem ein weit über alle Häuser emporragender hölzerner Thurm, der einer holländischen Windmühle gleicht, aufgeführt ist. An dem höchst möglichen Punkte dieses Thurmes läuft rund herum eine Gallerie, auf welcher fortwährend zwei der wachhabenden Bajarniks (Spritzenleute) ihre Runde machen. So aus dieser Vogelperspektive spähen sie nach etwa verdächtig aufsteigendem Rauch und zu den ihnen stets sichtbaren nächsten Feuerthürmen hinüber. Auf der Spitze des Thurmes erhebt sich eine lange eiserne Stange mit zwei Armen, zu welchen, gleich dem Takelwerk eines Schiffes, Stricke führen, woran die nöthigen Feuersignale aufgezogen werden. Diese Feuerzeichen bestehen bei Tage aus großen, geflochtenen, schwarzen Kugeln und schwarzen Querstäben, des Nachts jedoch aus verschiedenfarbigen Ballons und bilden so eine Art von Telegraphensprache, indem sie, je nach ihrer Zusammenstellung, den Stadttheil der Feuersbrunst angeben (s. unsere Abbildung), welcher dann von sämmtlichen Thürmen signalisirt wird.

Die Lösch-, Rettungs- und sonstigen Apparate gleichen denen anderer Länder. Einen herrlichen Anblick bietet eine zur Brandstätte eilende Bajarne (Feuerspritze). Vorauf galoppirt der Führer des Zuges, bei Tage eine blutrothe Fahne, Nachts eine Stocklaterne in der Hand, und ihm nach rasselt der lange Zug der stets sehr sauber gehaltenen, grüngestrichenen Gefährte, auf jedem die nöthige Mannschaft in kurzen grauen Waffenröcken und Beinkleidern von gleicher Farbe, welche in hohen Juchtenstiefeln verschwinden. Den Kopf bedeckt ein schützender Messinghelm. Die Pferde dieser Züge sind bei jeder Tschast stets von ganz gleicher Farbe und von so guter Race, als stammten sie direct aus Arabiens Wüsten. Sie sind bei den schweren Fuhren zu drei, bei den Wasserfässern zu zwei nebeneinander geschirrt. Das mittlere Pferd läuft zwischen einer Scheere mit dem hier stets gebräuchlichen hohen Bügel über dem Kummet, in sehr gestrecktem Trab, und die Seitenpferde galoppiren mit tief, aber graciös nach außen gesenktem Kopfe frei daneben, durch Separatleinen regiert. Das Geschirr, aus zahlreichen feinen, aber starken Riemen bestehend, gleicht fast einem Schmuck und trägt nicht wenig zum Ausputz der herrlichen Thiere bei.

In Petersburg besitzt die Feuerwehr außer den gewöhnlichen noch zwei in England gefertigte Dampfspritzen, die während des Transportes zur Brandstätte geheizt werden und so in der Regel fix und fertig zur Stelle kommen. Diese Maschinen haben sich außerordentlich gut bewährt; denn ganz abgesehen von der Kraft des in die Höhe und Weite geworfenen Wasserstrahls, speisen sie noch, falls es nothwendig, die gewöhnlichen Spritzen mit Wasser, welches die zahlreichen Canäle und Wasserleitungen in hinreichender Fülle liefern.

Schließlich wollen wir noch erwähnen, daß die Feuerspritze schon von dem Griechen Ktesibios und dessen Schüler Heron, dem Erfinder des Heronsballes, 150 Jahre vor Christo erfunden wurde. Diese Maschinen, Stoßspritzen, denen der Windkessel fehlte, kamen indessen nicht in Aufnahme. Erst viel späteren Zeiten war es vorbehalten, die Erfindung wieder aufzunehmen und durch Verbesserungen für ihre Zwecke tüchtig zu machen.

In Deutschland datirt die erste Nachricht über Feuerspritzen aus Augsburg und aus dem Jahre 1518, wo eine solche, angefertigt vom Goldschmied Anton Platner, in Gebrauch war.

Nach und nach wurden diese Maschinen namentlich in deutschen und holländischen Städten immer häufiger. Das bewegliche Wenderohr (Schwanenhals) ward im Jahre 1655 von A. Hantsch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_156.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)