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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

No. 10.   1864.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.




Unsichere Fundamente.
Erzählung von Otto Ruppius.
(Fortsetzung.)


Schweigend stiegen Beide nebeneinander die Treppe hinab und betraten das Comptoir, wo Hellmuth den Gast nach seinem Cabinet geleitete, ohne den aufmerksamen Blick sichtlich zu beachten, welchen der Letztere über die Zahl der emsig arbeitenden Gehülfen gleiten ließ.

„Wollen Sie hier für einige Minuten Platz nehmen?“ sagte der Kaufherr, nachdem er die Thür des Cabinets sorgfältig geschlossen, und deutete nach einem Lehnstuhl an der von dem Eingange weitest entfernten Wand, während er einen andern Sessel für sich selbst herbeizog.

„Ich möchte,“ fuhr er fort, nachdem sich Beide niedergelassen hatten, „eine offene Frage, Mann gegen Mann, an Sie richten. Daß dieses jetzt geschieht, wo Zeit und Ort dafür am wenigsten passend erscheinen, wird ein eigenthümlicher Vorfall rechtfertigen, den ich Ihnen sodann mittheilen werde.“

„Reden Sie, Herr Hellmuth,“ versetzte Maçon, und nur der sich leicht schärfende Blick sprach von seinem erhöhten Interesse für das Kommende.

„Sie sind, wie Sie sagen, mit den frühern Beziehungen Ihres verstorbenen Vaters zu mir genau vertraut,“ fuhr der Erstere fort, „und ich greife also wohl nicht fehl, wenn ich voraussetze, daß Sie als Erbe von dessen Ansprüchen hier erscheinen. Welcher Grund aber, Herr Maçon, hat Sie denn bewogen, nicht offen zu einem ehrlichen Manne zu kommen und zu sagen: Liefere mir aus, was mein gehört!? Eine einzige Frage in der Stadt hätte Sie ja über meine Zahlungsfähigkeit unterrichtet. Warum denn erst unter der Hand sich mit einem Menschen aus meinem Geschäfte verbünden, welcher, durch Eigennutz und Selbstsucht verblendet, Ihre Ansprüche in der wunderlichsten Weise betrachtet und bereits durch Sie auf meinen Ruin speculiren möchte?“

Ein eigenthümlich ernster, durchdringender Ausdruck malte sich im Gesichte des jungen Mannes. „Ihren letzten Vorwurf hinsichtlich dieses sogenannten Bündnisses will ich vorläufig einmal bei Seite lassen, Herr Hellmuth, und mich nur an Ihre erste Frage, Mann gegen Mann, halten. Ich kam nicht als Fordernder zu Ihnen, weil ich mir über die Weise dieser Forderung selbst noch nicht klar war, weil ich nicht als schonungsloser Störer eines langjährigen Geschäfts- und häuslichen Glücks in Ihr Haus treten mochte, weil ich gedachte, erst persönlich kennen zu lernen, mit wem ich es zu thun hatte, um danach mich für den einen oder den andern Weg in meinem Verfahren bestimmen zu lassen –“

Hellmuth’s Kopf hatte sich während dieser Worte langsam zurück gebogen, während seine Züge eine Art von Undurchdringlichkeit annahmen. „Ich verstehe Sie nicht, verehrter Herr,“ unterbrach er den Sprecher, „Glück stören – Verfahren –! es scheint, die Ideen meines gewissenlosen bisherigen Buchhalters haben bereits bei Ihnen Wurzel geschlagen!“

„Bitte, Herr Hellmuth, lassen Sie diesen Mann, den ich nur eben neben mir geduldet habe, bei Seite,“ erwiderte Maçon, „ich war über alle Einzelheiten auch ohne ihn klar und fühlte mich sicher das durchzuführen, wozu ich mich entschließen würde. Aufrichtig leid thut es mir nur, daß Sie mich jetzt bereits gezwungen, meine Stellung Ihnen gegenüber einzunehmen, da sich doch, hätten Sie die Geltendmachung meiner Ansprüche abgewartet, Manches vielleicht bedeutend milder hätte gestalten können.“

„Ich will Ihnen zweierlei sagen, Herr Maçon!“ unterbrach ihn Hellmuth lebhaft. „Ich bin erstens nicht der Mann, der einem Andern freundlich zulächeln kann, wenn er in ihm einen Feind erkannt hat. Ich bin Ihnen herzlich entgegengetreten, so lange ich in Ihnen nur den Sohn Ihres Vaters sah, der gekommen war, das mir anvertraute Gut zurückzufordern; mit dem Bekenntniß eines versteckten, andere Zwecke verfolgenden Spiels gegen mich aber, wie dies mir soeben geworden, treten natürlich andere Empfindungen auf, die ich nicht gelernt habe unter einem glatten abwartenden Schweigen zu verdecken. Dann aber, Herr Maçon, bin ich nicht gewohnt, irgend eine anscheinende Gefahr über meinem Geschäfte aufziehen zu sehen, ohne sofort ihrer Natur und Tragweite auf den Grund zu gehen. Soeben habe ich von drei mir befreundeten Bankhäusern die unzweideutigsten Zeichen eines plötzlich erwachten Mißtrauens gegen mich erhalten, das sich nur auf Ihre Ansprüche an mein Geschäft, wie sie in Meier’s Kopf gewachsen sind, zurückführen läßt, und Sie werden mir zugeben, daß somit wohl die Zeit zum sofortigen unverdeckten Sprechen gekommen ist!“

Maçon, welcher bisher der Rede mit unbeweglichem Gesichte gehorcht, öffnete bei den letzten Worten groß die Augen. „Ich denke den Verdacht zu verstehen, welchen Sie mit dieser letzten Angabe andeuten,“ sagte er nach einer kurzen Pause langsam, „ich kann Ihnen jedoch mein Wort geben, daß ich mich nicht der kleinsten Aeußerung, welche Ihren Credit hätte benachtheiligen können, schuldig weiß!“

„Sie haben so viel von Ihrem Vater, daß ich Ihnen auch völlig dessen Wahrheitsliebe zutraue,“ versetzte Hellmuth mit einer gewissen Unruhe; „wenn aber auch Ihr jetziger Bundesgenosse

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_145.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)