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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

ihrer nächsten Blutsverwandten sein wollte, nicht aber ganz frei gelassen werden konnte, weil sie den Titel einer Königin von England sich beilegte, und Ihre Majestät, sowohl zur Vermeidung von Gefahren für ihre eigene Person, wie des Reichs, so wie auch zur Erhaltung des Religionsfriedens und des Friedens mit Schottland, ihre fernere Gefangenschaft für unumgänglich nöthig erachtete.

Obschon ihr in ihrer milden Gefangenschaft eine ihrem Stande entsprechende Dienerschaft gegeben und ihr selbst die Erlaubniß bewilligt wurde, nach ihrem Belieben die Jagd und den Vogelfang auszuüben, so ruhte sie dennoch nicht, sondern versuchte auf alle mögliche Weise und selbst mittelst des Todes Ihrer Majestät zu entkommen, und verführte zur Erreichung ihrer Zwecke mehrere Edelleute, wie den Herzog von Norfolk, und einige andere Grafen und Herren, welche dieserhalb hingerichtet wurden. Endlich versuchte sie im verflossenen Sommer, Ihre Majestät an Ihrem eigenen Hofe tödten, das Reich von den Ausländern angreifen und die katholische Religion überall einführen zu lassen, wobei sie ihre Anhänger zu überreden suchte, daß sie Alle durch die Ausführung dieses Planes das Himmelreich erlangen würden. Nach Entdeckung aller dieser Verbrechen gestattete endlich Ihre Majestät, zur eigenen und des Reichs Sicherheit, eine Untersuchung gegen die Königin Maria einzuleiten, gebot aber zugleich dem Parlamente, auf Mittel zu sinnen, wodurch das Leben Ihrer Majestät und die Sicherheit des Reichs und des Religionsfriedens außer Gefahr gesetzt, das Leben der Königin von Schottland, Ihrer Blutsverwandten, welche als Fürstin keinem Gerichte unterworfen und deren Hinrichtung fast ohne Beispiel sein würde, aber jedenfalls geschont werden könnte. Das Parlament stimmte jedoch für die Hinrichtung der Königin Maria, indem es nur hierdurch das Leben Ihrer Majestät und die Sicherheit des Reichs und des Religionsfriedens außer Gefahr glaubte.

Ihre Majestät zog den Rath auswärtiger Fürsten, namentlich der Könige von Frankreich und Schottland ein, und obschon die Gesandten dieser Fürsten nicht im Stande waren, genügende Mittel anzugeben, wodurch Ihre Majestät von dieser Sorge und diesem Kummer vollständig befreit würden, so nahmen sie dennoch den größten Antheil an der Königin von Schottland, beriefen sich auf das fast unerhörte Beispiel einer solchen Hinrichtung, und zuletzt gelang es ihren Bitten, Ihre Majestät, welche lang in Ihrem Entschlusse schwankte, dahin zu vermögen, daß Sie die Entscheidung des Parlaments nicht genehmigte und das Leben der Königin Maria zu schonen beschloß. —

Da aber bald darauf abermals neue Verschwörungen, wobei viele Personen aus großen Familien betheiligt waren, entdeckt wurden, und die höchst schändliche Verrätherei Stanley’s vorfiel, wodurch große Unruhen veranlaßt, die Befreiung und Erhebung der Königin von Schottland und die Absetzung Ihrer Majestät bezweckt werden sollten, so beschloß endlich Ihre Majestät, die Quelle und die Ursache aller dieser Uebel zu beseitigen und die Königin von Schottland hinrichten zu lassen. Obschon in Folge dieses Entschlusses das Urtheil von Ihrer Majestät unterschrieben worden war, so hatte Ihre Majestät dennoch bei sich beschlossen, die Sache nochmals zu überlegen; diesem Vorhaben wurde aber durch Ihre Behörden, welche im Besitze des unterschriebenen Urtheils waren, zu Ihrem größten Schmerze (aus welcher Ursache auch Ihr Staats-Secretair Davison in’s Gefängniß gesetzt und viele Andere in die Ungnade Ihrer Majestät fielen, auch legte Ihre Majestät Trauerkleidung an) zuvorgekommen, indem sie den Vollzug des Urtheils sofort anbefohlen hatten. Die Grafen Shrewsbury und Kent hatten durch den Secretair Beale die Vollmacht Ihrer Majestät zur[WS 1] Vollstreckung des Urtheils erhalten und kündigten an dem der Hinrichtung vorhergehenden Tage der Königin von Schottland in Gegenwart mehrerer Statthalter, Ritter, Edelleute und der Gefängniß-Vorsteher Amias Paulet und Drughei die desfallsigen Befehle Ihrer Majestät an.

Die Königin Maria erwiderte denselben, sie sei zu sterben bereit und habe schon lange auf ihren Tod gehofft; zugleich fragte sie, auf welchen Tag ihre Hinrichtung festgesetzt sei, worauf die Grafen ihr entgegneten, daß sie ihr die Bestimmung des Tages freistellten, nur dürfe dadurch der Vollzug der Befehle Ihrer Majestät nicht verzögert werden, und wäre es dieserhalb am besten, den nächstfolgenden Tag, den 18. Februar neuen Styls, dazu zu bestimmen. Die Grafen unterhielten sich hierauf mit der Königin von Schottland und setzten ihr die Gründe auseinander, durch welche Ihre Majestät und das Reich zu diesem äußersten Entschlusse gekommen wären, und baten dieselbe, Alles mit Geduld und Vertrauen auf Gott zu ertragen.

Am folgenden Tage, am 18. Februar, Morgens um 7 Uhr, erschienen in dem Gefängniß zu Fotheringhay die genannten Grafen, Statthalter und Edelleute; einigen Edelen wurde gestattet, zwei Bekannte, den Uebrigen nur einen Freund mitzubringen, so daß ungefähr achtzig bis hundert Personen, mit Ausschluß der zur Umgebung und Dienerschaft der Königin von Schottland gehörigen Personen, so wie der Besatzung des Castells, eingeführt wurden.

Zur Hinrichtung wurde in einer großen Halle eine Bühne von zwölf Fuß Länge, zwei Fuß Höhe mit einer zwei Fuß hohen Einfassung errichtet, welche ganz mit schwarzem Tuche belegt war, in der Mitte stand ein gepolsterter Sessel. Nachdem diese Anstalten getroffen und alle Edelleute angekommen waren, wurde ein Bote zu der Königin von Schottland geschickt, um ihr anzukündigen, daß alle Grafen versammelt wären, und anzufragen, ob sie jetzt bereit sei, wie dieses am vorhergehenden Tage nach dem Frühstücke ihr bekannt gemacht worden. Der Bote fand das Schlafgemach der Königin, worin ihre ganze Umgebung versammelt war, verschlossen. Bald darauf wurde ein anderer Bote mit dem Auftrage entsendet, wenn die Thüre noch verschlossen wäre, anzuklopfen und um Antwort zu bitten; derselbe fand die Thüre geöffnet und richtete seinen Auftrag an eine Person aus der Umgebung der Königin aus, welche ihm die Antwort gab, daß dieselbe noch nicht bereit sei. Nach einer halben Stunde wurde ein dritter Bote entsandt, welcher die Antwort brachte, daß die Königin in einer halben Stunde bereit sein würde. Bald darauf begab sich einer der Statthalter zu der Königin, welche er mit ihrer ganzen Umgebung knieend und betend antraf. Als derselbe der Königin bemerkte, daß die Zeit herannahe, erhob sich dieselbe und erklärte, daß sie bereit sei.

Gestützt auf zwei Männer, verfügte sich nun die Königin in die Vorhalle, woselbst sie ihre ganze Dienerschaft weinend und jammernd fand und dieselbe zur Gottesfurcht und zum Gehorsam gegen ihre Vorgesetzten ermahnte. Hierauf nahm sie von Jedem einzeln Abschied, indem sie die Frauen küßte und den Männern die Hand zum Kusse reichte, zugleich bat sie dieselben, sich wegen ihres Schicksals keinen Kummer zu machen, sondern vielmehr sich darüber zu freuen und ihrer im Gebete zu gedenken. Von hier wurde sie die Stiege herabgeführt und in der Halle von allen Edelleuten empfangen, worauf der Graf Shrewsbury sie also anredete:

„Herrin, wir sind hier, um die Befehle Ihrer Majestät unserer Königin, welche wir Dir gestern mittheilten, zu vollziehen“ (wobei Graf Kent seine Vollmacht und das Urtheil, mit dem großen Siegel Englands versehen, in der Hand hielt).

Die Königin erwiderte, sie ziehe den Tod ihrem Leben vor. Als sie hierauf, sich umkehrend, ihren ersten Haushofmeister Melvil erblickte, sagte sie zu ihm: „Mein treuer Diener Melvil, obschon Du ein Protestant bist, ich aber eine Katholikin und Deine gesalbte Königin, aus dem Blute des Königs Heinrich VII. stammend, so befehle ich Dir wahrhaft und gleich wie vor Gottes Angesicht, Rechenschaft über mich zu geben und meinem sehr geliebten Sohne zu sagen, daß ich ihn inständigst bitte, Gott zu dienen, die katholische Kirche zu schützen und zu schirmen, in Frieden zu regieren und sich Anderen nicht zu unterwerfen; sollte er den Wunsch gehegt haben, diese Insel mit seinem Reiche zu vereinigen, so möge er davon abstehen und sich hüten, der menschlichen Weisheit zu viel zu vertrauen, indem sie sehr häufig täuscht. Möge er auf Gott seine Hoffnung setzen und der Königin von England nie Veranlassung zu Verdacht und Mißtrauen geben, so wird ihn Gott segnen; und Du, Melvil, sollst mein Zeuge sein, daß ich treu Schottland, treu Frankreich und treu der katholischen Religion, welche ich stets bekannt habe, sterben werde.“

Nachdem die Königin noch mehreres Aehnliche gesprochen, entgegnete ihr Melvil: „Verehrungswerthe und hochverehrte Fürstin, so wie ich bisheran stets ein treuer Diener Deiner Majestät war, so will ich auch jetzt mit Gottes Gnade diese Deine Worte und Befehle dem Könige treu und wahr hinterbringen.“

Die Königin wandte sich hierauf zu den Herren und bat sie zu erlauben, daß ihr Geistlicher zugleich mit ihr das Gerüst besteige, was ihr aber abgeschlagen wurde. Hierauf bat sie, zu gestatten, daß alle ihre Diener bei ihrer Hinrichtung zugegen sein

Anmerkungen (Wikisource)

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_073.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)