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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

an sein glückliches Leben zurückgab und im Zuchthaus zu tragen erlaubte. Er wirkt um so erschütternder, wenn man erfährt, daß all die dort so hoch verherrlichte eheliche Liebe und Treue das Glück dieser Ehe ihm nicht wahren konnte. Der Unstern hatte seinen häuslichen Frieden zerstört; die Ehe ward getrennt.

Arm, ohne Amt, ohne Familie, begann der Mann den neuen Kampf mit dem Leben. Rastlose Arbeit, die sich nun ganz auf das schriftstellerische Feld warf, konnte allein ihn sich und der Welt retten. Nachdem er durch bewunderungswürdigen Fleiß sich wieder ein kleines Vermögen erworben, faßte er den kühnen Entschluß, für seine alten Tage durch Uebernahme einer Wirthschaft in Leipzig zu sorgen. Die „Restauration“ des Hotel de Saxe erschien ihm als die geeignetste für ihn, und er ward ihr Besitzer. Auch einen zweiten Ehebund schloß er, und er beglückt ihn.

Daß Ludwig Würkert kein gewöhnlicher Wirth werden konnte, wußte er wohl selbst, und er hatte gewiß längst im Geiste sich in den schönen Saal eine neue Volkskanzel gebaut, ehe er an die Ausführung des gewagten Schrittes ging. Seine Freunde, namentlich E. A. Roßmäßler, Brehm u. A. erleichterten ihm denselben, indem ersterer in einem Aufsatz im Leipziger Tageblatt „Was werden die Leute dazu sagen?“ das kühne Unternehmen einleitete und die ersten Vorträge hielt, bis Würkert selbstständig und allein seinen Volkshörsaal zu dem ausbilden konnte, was er jetzt ist: ein Unicum in Deutschland: eine deutsche Kneipe für Volksbildung, Volksveredelung, Volksermuthigung.

Wenn bei den großen deutschen Nationalfesten des Jahres 1863 in Leipzig von den Tausenden der Gäste und Festgenossen mit anerkennender Bewunderung die Bemerkung laut wurde, daß Leipzig eine der seltenen Städte der Welt sei, die von sich rühmen könne: „Hier giebt es keinen Pöbel!“ –; wenn die Lern- und Strebelust in den Arbeiterschaaren auch in dieser Beziehung die Stadt vor vielen auszeichnet; – und wenn mehr, wie irgendwo, hier ein aus klarem Verständniß der großen Fragen der Zeit und der gerechten Forderungen des Vaterlandes herausgewachsener Patriotismus im Bürger- und Arbeiterstand sich kundgiebt und zu Thaten und Opfern bereit macht: – so darf man ohne Scheu es aussprechen: Würkert’s Vorträge haben zu diesem Vorzug Leipzigs, der auch ein Stolz Deutschlands ist, ein redliches Theil beigetragen.

Fr. Hofmann.




Die letzten Stunden der Maria Stuart.[1]


Es giebt Erscheinungen in der Geschichte, welche uns an das Fatum der Alten erinnern. So die Geschichte des Geschlechts der Hohenstaufen, so die Schicksale, welche die Familie der Stuart’s verfolgten.

Robert III., der zweite König aus dem Stuartischen Geschlechte, starb im Jahre 1406 aus Gram, seinen Sohn in englischer Gefangenschaft zu wissen. Dieser, Jakob I., wurde erst funfzehn Jahre nachher frei. Er mußte, wider Willen, ein englisches Fräulein heirathen, deren Mitgift sein Lösegeld ward. Im Jahre 1437 starb er, in seinem Bette ermordet. Jakob II. wurde 1460 von einer Kanonenkugel getödtet. Jakob III., sein Sohn, fiel in einer Schlacht, die er 1488 verlor; ebenso endete Jakob IV. bei ähnlicher Gelegenheit 1515. Jakob V. starb 1542 vor Kummer, seine Unterthanen der Ketzerei und dem Aufruhr hingegeben zu sehen. Seiner Tochter, der Königin Maria Stuart, Schicksal, ihre lange Gefangenschaft und ihr schmähliches Ende auf dem Blutgerüste, erregt noch jetzt die allgemeinste Theilnahme. Mariens Sohn, Jakob VI. von Schottland, starb zwar im Bette, aber von aller Welt verachtet. Carl I., dessen Sohn, starb in London auf dem Schaffot, vor den Fenstern seines eigenen Palastes, und bestätigte durch seinen Tod den Wahrspruch, daß Tyrannei ihren Besitzer vernichtet. Jakob II. von England starb 1720 seines Königreichs beraubt und aus ihm verjagt. Sein Sohn war sein ganzes Leben hindurch im Auslande, als Prätendent nur den Namen Jakob III. von England und Jakob VIII. von Schottland führend. Endlich der letzte Prinz dieses unglücklichen Hauses, vorzugsweise unter dem Namen des Prätendenten bekannt, nahm den Titel Carl III. an und starb in Rom kinderlos. So verlosch dieses Königsgeschlecht, nachdem dasselbe durch einen Zeitraum von vierhundert Jahren von ununterbrochenem Unglücke verfolgt worden war.

Die Unglücklichste ihres Hauses aber war unstreitig Maria Stuart. Dem religiösen Fanatismus, dem Parteigeiste und der Leidenschaft und Eifersucht der Königin Elisabeth gelang es, sie bei ihrem Leben und fast zwei Jahrhunderte lang nach ihrem Tode als Gattenmörderin, Buhlerin und Aufrührerin darzustellen, während sie nur das Opfer der Herrschsucht und der Gewaltthätigkeiten des hohen Adels war; sie mußte zur Verbrecherin gemacht werden, um das unmenschliche Verfahren der Königin Elisabeth zu beschönigen.

Die neuere Geschichtsforschung gelangte, wenngleich nicht ohne Widerspruch, zu diesem Resultate, indem der gelehrte Goodall bereits im Jahre 1754 nachwies, daß die Briefe, aus welchen Mariens Einverständniß mit Bothwell hervorgehen und sich der Antheil derselben an ihres Gatten Darnley’s Mord ergeben sollte, unmöglich echt sein könnten; gleicher Ansicht sind mehrere der bedeutendsten englischen Historiker des verflossenen und des gegenwärtigen Jahrhunderts.

Der authentische Bericht über die Hinrichtung der Maria Stuart befindet sich in dem Manuscripten-Nachlasse des am 28. Juli 1587 verstorbenen berühmten trierschen Kanzlers Dr. Johann Wimpheling und enthält, abgesehen von seinen falschen Beschuldigungen, höchst interessante Einzelnheiten über dieses beklagenswerthe Ereigniß. Form und Inhalt lassen keinen Zweifel darüber, daß das Actenstück von der englischen Regierung ausgegangen ist. Der kurtriersche Gesandte schickte den Bericht an den Kanzler Wimpheling, welcher ihn seinem Fürsten, dem Kurfürsten Johann von Trier, vorgelegt hat. Der Bericht wurde, wie aus dem Schlusse desselben hervorgeht, zehn Tage nach der Hinrichtung der Königin abgefaßt und lautet, aus dem Lateinischen übersetzt, wörtlich also:

Bericht

über die Hinrichtung und den Tod der Maria Stuart, Königin von Schottland, Wittwe des Dauphin von Frankreich, enthauptet in England am 18. Februar 1587 neuen Styls, in dem Castell zu

Fotheringhay in Northamptonshire.

Die Königin von England, Elisabeth, entdeckte mehrere auf Anreizung des Papstes und einiger anderer ihr feindlich gesinnter Fürsten entstandene Verschwörungen, welche den Zweck hatten, Ihre Majestät nicht allein des Reichs und der Krone, sondern auch des Lebens zu berauben, und sodann die Königin Maria Stuart, die Anhängerin des römisch-katholischen Glaubens und nächste Erbin Ihrer Majestät, welche schon viele Jahre in einer milden Gefangenschaft in England gehalten wurde, auf den englischen Thron zu erheben. Das Parlament oder die Reichsstände von Schottland drangen wiederholt auf Bestrafung der Maria Stuart wegen der Ermordung ihres Gatten, welchen sie erdrosseln, seine Wohnung anzünden und in die Luft sprengen ließ, zu welchem Verbrechen sie sich durch eine strafbare Neigung zu dem Grafen Bothwell, welchen sie auch bald darauf heirathete, hatte verleiten lassen. Aus dieser Ursache wurde sie in Schottland verhaftet, worauf sie zu Gunsten ihres Sohnes Jakob, des jetzigen Königs von Schottland, auf die Krone verzichtete, bald darauf aber aus dem Gefängnisse entfloh und zur Wiedererlangung der Herrschaft ein Heer gegen ihren Sohn in’s Feld stellte. Nachdem dieses Unternehmen unglücklich für sie abgelaufen war, flüchtete sie sich nach England, woselbst sie von den Reichsständen Schottlands (wie bereits bemerkt) als Mörderin ihres Gatten bei Ihrer Majestät angeklagt wurde, von derselben aber das Leben geschenkt erhielt, weil dieselbe nicht Richterin

  1. Der nachstehende durch seine Einzelheiten sehr interessante Bericht eines Zeitgenossen über die Hinrichtung der Maria Stuart ist uns aus ganz zuverlässiger Quelle, als aus dem handschriftlichen Nachlasse des ehemaligen kurtrierischen Kanzlers Dr. Wimpheling stammend, mitgetheilt worden. Wir haben uns bisher vergeblich bemüht, in Erfahrung zu bringen, ob das Schriftstück schon früher anderweitig veröffentlicht worden ist, glauben aber mit dem Abdruck desselben in jedem Falle unserm großen Leserkreise eine willkommene Gabe zu bieten.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_072.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)