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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

und Sprengung des Parlaments ihre Verwirklichung fand. Im Mai 1849 übrigens hatte die Reichsgewalt noch Kraft genug, um dem Herrn Blanc in Homburg ein paar Compagnien „Reichstruppen“ auf den Hals zu schicken und die Schließung der Spielbank zu erzwingen. Freilich auch nur scheinbar. Der Spielpächter verlegte sich nämlich auf Rabulisterei. Er sagte: „das Reichsgesetz verbietet die „öffentlichen Spielbanken“, nicht die geheimen; machen wir also eine geheime.“ Er verlegte die Spieltische in ein kleineres Zimmer, erklärte, dies sei geschlossen für Jedermann, der nicht eine besondere Eintrittskarte habe, und gab „besondere Eintrittskarten“ an Jedermann, ohne Ausnahme, der eine solche verlangte. So schlug sich die Spielhölle durch, um sich, nachdem „das deutsche Reich“ niedergeworfen war, zu neuem Glanze zu entfalten.

Wir aber, sagt Max von Schenkendorf,

„Wir woll’n den Eid nicht brechen.
Nicht Buben werden gleich;
Woll’n predigen und sprechen
Vom heil’gen deutschen Reich;“

und wenn auch für den Augenblick der Homburger Spielpächter Recht behalten hat, so ist das doch nur eine Sache der Täuschung und des Augenblicks; auf die Dauer und für die Länge eines solchen Zeitraumes, womit die Geschichte zu messen pflegt, wird das deutsche Reich Recht behalten und wird Herr werden über seine Feinde, auch über die Spielpächter, welche ihm Hohn gesprochen.

Die Actiengesellschaft, welche sich deren Betrieb zum Zweck gesetzt hat, wurde, wie gesagt, 1856 gegründet. Sie hat ein Actiencapital von zwei und einer halben Mill. Gulden süddeutscher Währung, getheilt in 25,000 Actien à einhundert Gulden, die auf den Inhaber lauten und unterzeichnet sind von dem herzoglichen Regierungscommissar und den Directoren der Gesellschaft. Von diesem Gesellschaftscapital wurde der größere Theil, nämlich eine Million achtmalhunderttausend Gulden, den „Gründern“ zugewiesen dafür, daß sie die früheren Spielpächter abgefunden und von denselben „Mobiliar und sonstiges Eigenthum“ erworben hätten, das indeß in dem Gesellschaftsvertrage nicht aufgeführt ist und keinen sonderlichen Werth gehabt zu haben scheint. Da der von der Regierung zur Ueberwachung des Spiels bestellte Commissar im Juli 1858 in der Ständeversammlung erklärte, es sei bei der Abfindung den früheren Spielpächtern eine Abfindungssumme von „über eine Million Gulden“ bezahlt worden, und da immerhin zwischen einer Million und 1,800,000 Gulden ein sehr weiter Spielraum übrig bleibt, so scheinen die Herren „Gründer“ gegenüber den Actionären nicht zu kurz gekommen zu sein. Uebrigens haben mir glaubhafte Leute in Wiesbaden versichert, die früheren Pächter hätten nur 800,000 Gulden erhalten. Sei dem nun, wie ihm wolle, die „Gründung“ kostet 1,800,000 Gulden, wofür an dem Tage, an welchem das Spiel unterdrückt wird, keinerlei reeller Werth vorhanden ist. Denn an diesem Tage ist die Spielconcession gar nichts mehr werth, und die Spieltische sowie sonstiges Eigenthum wenigstens nicht viel. Daß die nassauische Regierung, so lange sie es halten kann, wie sie will, das Spiel ganz gewiß nicht aufhebt, davon werde ich im weiteren Verlaufe meiner Auseinandersetzung den Leser überzeugen. Allein das ist doch gewiß, daß sie schon im Jahre 1847 den Fall der Möglichkeit der Aufhebung vorausgesehen und sich vorgesehen hat, daß ihr in diesem Falle eine Entschädigungsforderung nicht gemacht werden kann wegen der Vernichtung des Spielmonopols, das bis dahin noch einen künstlich erzeugten Scheinwerth besitzt. Also, die 1,800,000 Gulden abgerechnet, welche die „Gründer“ erhalten haben, bleiben von den dritthalb Millionen Gesellschaftscapital nur noch 700,000 Gulden übrig. Hiervon sollen 500,000 Gulden als Betriebsfonds dienen und 200,000 Gulden den Reservefonds bilden.

Laut der von der Spielgesellschaft gestellten Rechnungen hat dieselbe in der Zeit von 1857 bis 1860 folgende Summen durch das Hazardspiel in Wiesbaden und Ems eingenommen:

Jahr-
gang
Einnahme von dem Spiel
Gesammt-
Einnahme des
Jahres
1. in Wiesbaden
2. in Ems
a. im Sommer b. im Winter
1857 556,825 fl. 49 kr. 091,217 fl. 16 kr. 400,566 fl. 58 kr. 1,048,610 fl. 03 kr.
1858 786,463 fl. 04 kr. 275,242 fl. 44 kr. 314,451 fl. 42 kr. 1,376,157 fl. 30 kr.
1859 637,885 fl. 22 kr. 322,536 fl. 19 kr. 294,802 fl. 32 kr. 1,255,224 fl. 13 kr.
1860 852,484 fl. 11 kr. 293,385 fl. 42 kr. 360,618 fl. 20 kr. 1,506,488 fl. 18 kr.

Der Gesammtertrag der vier Jahre ist:

0I. Wiesbaden, Sommer- und Winterspiel       3,816,040 fl. 27 kr.
II. Bad Ems 1,370,439 fl. 32 kr.
im Ganzen       5,186,479 fl. 59 kr.

Der Betriebsfonds von 500,000 Gulden trägt also per Jahr beinahe 1,400,000 Gulden ein!

Die Jahreseinnahmen von 1861 bis 1863 sind dem Vernehmen nach noch gestiegen. Freilich werden diese Summen nur als „Rohertrag“ aufgeführt. Denn es ruhen auf diesen Spieleinkünften auch Ausgaben, deren eigenthümliche Natur wir später untersuchen werden.

Als „Reinertrag“ führen die Rechnungen folgende Summen für die erwähnte Zeit auf:

     I. Spielbank in Wiesbaden
 1. 1857. a. Sommer
0 292,631 fl. 08 kr.
 1. 1857. b. Winter 0 028,998 fl. 56 kr.
 2. 1858. a. Sommer 0 394,206 fl. 25 kr.
 1. 1857. b. Winter 0 124,409 fl. 46 kr.
 3. 1859. a. Sommer 0 311,185 fl. 45 kr.
 1. 1857. b. Winter 0 222,222 fl. 36 kr.
 4. 1860. a. Sommer 0 486,791 fl. 07 kr.
 1. 1857. b. Winter 0 173,287 fl. 45 kr.
im Ganzen 2,033,733 fl. 28 kr.
     II. Spielbank in Ems
1. 1857      251,832 fl. 01 kr.
2. 1858      175,589 fl. 11 kr.
3. 1859      157,263 fl. 53 kr.
4. 1860      167,140 fl. 42 kr.
= 751,825 fl. 47 kr.
im Ganzen 2,785,559 fl. 15 kr.

[WS 1]

Ich überlasse dem Leser, sich die Zahlen näher zu gruppiren. Dieselben geben an, daß die Spielbank in dem einen Jahr mehr, in dem andern weniger gewinnt, je nachdem mehr oder weniger gespielt wird, daß sie aber niemals verliert, weil die ganze Einrichtung so getroffen ist, daß sie nicht verlieren kann. In Wirklichkeit spielt nicht die Bank mit den Spielern, sondern die Spieler spielen untereinander; was der Eine gewinnt, verliert der Andere. Die Bank aber vermittelt nur den Gewinn und Verlust unter den Spielern, indem sie vermöge der Spielvortheile, die sie genießt, und des Monopols, das ihr die Staatsgewalt verliehen hat, von einem jeden Einsatz, welcher gemacht wird, ihre enormen Procente bezieht. Nach einer genauen mathematischen Berechnung, auf welche wir später zurückkommen werden, beträgt der Vortheil der Bank beim Roulette, den Einsatz zu 100 Gulden angenommen,

  = 1/19 · 100 = 5,26 = ungefähr 51/4 Procent.

Oder, um es populärer auszudrücken: So oft ein Gulden über den grünen Tisch spaziert, nimmt sich die Spielbank davon drei Kreuzer. Spaziert er also zwanzig Mal darüber, so hat er sich in zwanzig Groschen aufgelöst und diese sind in die Casse der Bank geflossen.

Dies erinnert an die wundervolle Geschichte, welche der bekannte Verfasser des „Struwwelpeter“, Dr. Heinrich Hofmann in Frankfurt, in seinem „Bad Salzloch“ – eine unübertroffene Satire auf den modernen Bade-Industrie-Schwindel – zur Anpreisung und Verherrlichung der tonisch-auflösenden und abführenden Wirkungen des dortigen Wassers erzählt.

Ein junger Mensch hatte im Eifer einen Silber-Gulden verschluckt. Zwölf Gläser Salzlocher Wasser brachten die unglaubliche, aber durch ärztliche Zeugnisse constatirte Wirkung hervor, daß er das Guldenstück in sechszig einzelnen Kreuzern wieder von sich gab. Die Wirkungen der Spielbank sind zwar weniger wahrnehmbar, aber sie führt noch drastischer und schneller ab. Wenn du gewinnst und glaubst, von der Bank zu gewinnen, so irrst du dich. Denn im Ganzen, gegenüber der Gesammtheit der Spieler und auf die Länge der Zeit gerechnet, kann die Bank gar nicht verlieren. Was du gewinnst, das gewinnst du von deinen Mitspielern; und wenn einer der Letzteren in Folge der erlittenen Verluste im nahen Walde sich erhängt oder im See des Parks seinem Leben ein Ende macht, so kannst du nicht deine Hände in Unschuld waschen und die Schuld auf die Spielbank schieben. Denn du bist es, der durch Vermittelung der ihren Makellohn ziehenden Bank mit ihm gespielt und ihn ruinirt hat, – freilich ohne es zu wissen und zu wollen. Die Bank giebt niemals, sie nimmt nur,

  1. Die gegilbten Zahlen sind in der Vorlage unleserlich und wurden rechnerisch ermittelt.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_043.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)