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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

No. 3.   1864.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.




Der Kranz am Marterl.

Eine Geschichte aus dem bairischen Hochland.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)

Lipp hatte eben seinen Bericht über die Erfolglosigkeit des Zuges beendet, aber weislich den Gedanken für sich behalten, wie sonderbar ihm Sabinens Benehmen erschienen war und welche Vermuthungen sich ihm dabei aufgedrängt hatten. Er fürchtete die Spottlust der Bauern, wenn sie ihm nicht geglaubt und in seinen Reden nur die Regungen argwöhnischer Eifersucht gesehen hätten, er wollte seine Beobachtung für sich behalten, um vielleicht damit eine Waffe zu haben gegen des Mädchens thörichten Eigensinn. „Der Hiesenfranz,“ rief lachend einer der Bauern, „hat falsch geseh’n! Wer weiß was er für einen Tiroler angeschaut hat!“

„Etwa einen alten Baumstock!“ lachte ein Anderer.

Der Bursche, der die Meldung gemacht und dadurch den vergeblichen Streifzug veranlaßt hatte, stand am Feuer und drehte ärgerlich seine Büchse in der Hand. „Wenn Du unterwegs gewesen wärst, Kohlentoni,“ sagte er gereizt, „dann hätt’s wohl sein können, daß ich einen Stock für einen Menschen angeschaut hätt’.“

Lautes Gelächter begleitete die derbe Abfertigung. „Ich weiß es besser,“ sagte dann der Förster, „wenn man ungewohnter Weise bei Nacht im Walde ist, kommt Einem Manches ganz ungewohnt vor … Es ist ein Hirsch gewesen, was der Hiesenfranz gesehn hat, und das Geweih’ kann ihn irrgeführt haben in dem Zwielicht …“

„Sagt, was Ihr wollt,“ sagte der beleidigte Bursche und warf seinen Stutzen auf die Schulter. „Ich bleibe dabei, es war ein Mensch – ich bin nit so blind, daß ich einen Hirsch auf vierzig Schritt für ein Mannsbild und sein Geweih für einen Tirolerhut halten sollt’! Ich hab’ ihn so deutlich gesehn, wie ich Euch vor mir seh’, und hab’ den Pack unterscheiden können, den er auf der Achsel gehabt hat …“ Damit ging er und wandte sich seitwärts in den Wald.

„Einen Pack?“ sagte ein Bauer. „Am End’ ist es Niemand gewesen, als ein unschuldiger Teppich- oder Handschuhhändler, wie sie oft herauskommen aus dem Tirol!“

„Ist eine schlechte Zeit jetzt zu solcher Handelschaft!“ sagte der Förster. „Verdächtig bleibt es immerhin. Wenn es wirklich ein Teppichhändler war, was hätt’ er sich zu fürchten und zu verstecken gebraucht? Drum ist es wohl möglich, daß er den Handel nur zum Schein treibt …“

„Und daß er sich einschleichen und spioniren will!“

„Es kann auch ein Flüchtling sein,“ entgegnete der Förster. „Der Förster von Walgau hat mir sagen lassen, der Marschall Lefèvbre habe alle Tiroler Anführer für vogelfrei erklärt. Die meisten seien fort, und auch der Commandant der Unterinnthaler, welche die Scharnitz besetzt halten, habe sich aus dem Staub’ gemacht. Das ist Einer von den Allerwildesten – darum ist auch ein Extrapreis auf den Kopf des Vomper-Hans gesetzt!“

„Vomper-Hans?“ sagte der Sachenbacher, bedächtig den Kopf schüttelnd. „Ich weiß nit, warum mir der Nam’ so bekannt vorkommt!“

„Das ist leicht möglich! Er hat einmal in hiesiger Gegend gedient – als Fuhrknecht beim Wirth im Krinn. Er ist oft durchgekommen mit seinem Frachtwagen … ein großer, schöner Bursch’, verwegen wie der Teufel und ein Wildschütz erster Classe. Drum hat mich’s der Walgauer Förster wissen lassen, denn wenn der Rebeller zu uns herüber ist und sich auf’s Wildschießen verlegt, könnt’ er sich lang in den Bergen verstecken und die Revier’ sauber zurichten!“

„Und wie lang’ ist das her?“

„Daß der Vomper-Hans im Bairischen gedient hat? Das mag etwas über drei Jahre sein … es war um dieselbe Zeit, zu welcher mein Jagdgehülfe, der Gotthard Recht, sich erstürzt hat über die lange Wand, wenn Ihr Euch noch daran erinnert.“

„Als wenn’s gestern gewesen wär’! Der arme Mensch! Es ist recht schad’ gewesen um den braven Burschen. Man hat’s nie so recht erfahren, wie er eigentlich zu Grund’ gegangen ist!“

„Was ist da viel zu erfahren! Auf den Jäger lauert der Tod bei jedem Schritt … er muß sich eben, Gott weiß warum, zu weit hinausgewagt haben an die Wand und hat den Schwindel bekommen, oder es ist ein Stein’l losgegangen und hat ihn mit hinunter genommen …“

Lipp, auf einem Stumpf im Schatten sitzend, hatte aufmerksam zugehört. „Ich weiß nit,“ sagte er, anscheinend ganz gleichgültig, „mir ist, als wenn ich es geträumt hätt’ … hat es denn nit geheißen, der Jagdgehülf’ sei nit verunglückt, sondern umgebracht und hinuntergestürzt worden?“

„Ganz unmöglich wäre es nicht,“ sagte der Förster nach einigem Besinnen. „Ein Jäger kommt oft mit einem Wildschützen auf gar sonderbare und ernsthafte Art zusammen … aber es hat sich gar keine Spur, nicht das mindeste Anzeichen gefunden für einen solchen Verdacht, und wenn heut’ noch etwas aufkäme, würde es nicht mehr viel fruchten … der wackere Bursch’ liegt im Grab und ist vergessen!“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_033.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2022)